Lernprobleme Jura – Ursachen und Auswege

Der richtige Umgang mit der Angst vor dem Examen. Analyse, Motivationshilfe und Ratschläge.

Datum
Rechtsgebiet Juristische Ausbildung
Ø Lesezeit 11 Minuten
Foto: Patrick Verhoef/Shutterstock.com

Jeder Jurastudent kennt sie, die Unsicherheit. Lerne ich genug und lerne ich auch das Richtige? Schreibe ich genug Klausuren? Was mache ich, wenn ich nicht bestehe oder schlecht abschneide? Und am Ende steht meist die Frage, ob Jura überhaupt das Richtige ist und wie man nur auf die Idee kommen konnte ein Studienfach zu wählen, dass von einem eiserne Lerndisziplin und sehr viel Freizeit fordert, ohne dass man dafür eine Erfolgsgarantie erhält.  Wenn ich mich an die Schule zurückerinnere so ging die Rechnung: Lernen = Note 1 stets auf. Seit ich Jura studiere, kann ich das nicht mehr behaupten. Obwohl ich viel mehr lerne als in der Schule, freue ich mich, wenn mir der Korrektor nicht sämtliche intellektuellen und juristischen Fähigkeiten abspricht.

Da die besondere Schwierigkeit des Jurastudiums nicht allein in der Materie liegt, sondern v.a. auch in den Unsicherheiten, hervorgerufen durch Horrorgeschichten, die einem ab dem ersten Semester eingetrichtert werden und das Staatsexamen als, nicht zu bewältigende, Herkulesaufgabe erscheinen lassen, führt der Weg zum Erfolg über die Konfrontation mit diesen Unsicherheiten und deren gezielter Bekämpfung.

I.) Ursachen

Das Jurastudium zeichnet sich, im Vergleich zu anderen Studiengängen dadurch aus, dass es, abgesehen von der Zwischenprüfung und einigen Scheinen, keinerlei Leistungskontrolle gibt, bis nach 8-12 Semestern die Abschlussprüfung in Form eines einwöchigen Examens stattfindet. Dies bedeutet nicht nur, dass viele Studenten bis zum Examen noch überhaupt nicht wissen, ob sie sich für Jura überhaupt eignen, sondern auch, dass das ganze Wissen seit dem 1. Semester in dieser einen Woche so abrufbar sein muss, dass man zumindest eine akzeptable Klausur schreibt. Überdurchschnittlich wird eine Klausur, die nur auf Wissen beruht in der Regel deswegen nicht, weil die Klausurersteller meist kein auswendig gelerntes Wissen hören wollen, sondern die Anwendung des Gelernten auf einen unbekannten Fall. Auch wenn dies, angesichts der späteren Berufsausübung durchaus verständlich und nötig ist, verringert es nicht die Unsicherheiten, da man so, trotz jahrelangen Lernens verschiedener Problemkreise Gefahr läuft in der Klausur das eigentliche Problem zu verkennen oder durchzufallen, da man z.B. den Schwerpunkt falsch gesetzt hat.

Im Unterschied zu anderen Studiengängen ist es in Jura daher durchaus möglich jahrelang mehrere Stunden täglich zu lernen und trotzdem keinen Erfolg im Staatsexamen zu haben.

Hinzu kommt, dass die Durchfallquoten im 1. Staatsexamen statistisch sehr hoch und die Prozentzahl der guten Noten verschwindend gering ist, was es einem zusätzlich erschwert sich über Jahre hinweg täglich aufzuraffen und um die 8 Stunden am Schreibtisch zu verbringen oder jede Woche eine 5-stündige Klausur zu schreiben in der Überzeugung, dass sich die Arbeit auszahlen wird.

II.) Auswirkungen

Die Auswirkungen dieser Umstände sind unterschiedlich von leichtem Stress bis zu vollkommener Versagensangst, je nach Persönlichkeit. Allerdings gibt es kaum Menschen, die angesichts der Tatsache, dass rund 5 Jahre Studium, die zumindest in den letzten Jahren sehr arbeitsintensiv sind, von einer Woche abhängen und bei einem Misserfolg nicht nur alles umsonst war, sondern die Zukunft völlig ungewiss ist, nicht zumindest ein nervöses Kribbeln fühlen.

Meiner Erfahrung nach gibt es verschiedene Reaktionen auf die Unsicherheit:

1. Panik

Die Unsicherheit und Ungewissheit über den Ausgang des Studiums äußert sich häufig in Panik. Bei manchen treten „nur“ Schlafstörungen auf. Andere essen nicht mehr, haben nur noch Albträume und sind zum Teil so gelähmt von der Angst zu versagen, dass sie nicht mehr in der Lage sind zu lernen.

2. Erschöpfung

Wieder andere, meist um Gefühlen wie z.B. Panik zu entgehen, lernen pausenlos bis zur vollkommenen Erschöpfung. Dies geht häufig mit einem Leistungsabfall einher, da Körper und Geist so ausgebrannt sind, dass die Höchstleistung nicht mehr abrufbar ist.

3. Verdrängung

Zum Teil trifft man auch auf Kommilitonen, die der Examensangst durch aktive Verdrängung begegnen. Sie treten in der Regel auffallend selbstbewusst auf, so dass man sich fragt, was diese Menschen gelernt und gemacht haben müssen, um sich ihres Erfolges so sicher zu sein.  Auch wenn dies zumeist einschüchternd wirkt, steckt doch meist nicht sehr viel dahinter. Im Gegenteil, es ist wichtig die Schwierigkeit des Examens und seine Bedeutung so ernst zu nehmen wie sie ist und sich nicht selbst zu überschätzen, denn nichts ist ärgerlicher, als eine missglückte Klausur, auf Grund ungenauen Arbeitens.

4. Isolierung

Wieder andere isolieren sich vollkommen von ihrer Umwelt, selbst von guten Freunden. Dies ist natürlich einerseits nicht besonders langfristig gedacht und zudem ist es gerade in der Examensphase nötig, ab und zu auch mal etwas anderes zu tun als zu lernen. Andererseits ist es unter gewissen Umständen beinahe unvermeidbar, will man die Examensphase möglichst unbeschadet überstehen . Wie man es ja schon aus Hausarbeiten kennt, gibt es immer Leute, die eine allgemeine Panik verbreiten, oft ohne es zu wollen. Jeder muss für sich selbst einschätzen, ob er die Examensvorbereitung mit zusätzlicher Panikmache erträgt, bzw. mit welchen Menschen er oder sie sich trotz Examensvorbereitung wohl fühlt. Je stabiler und zuversichtlicher das Umfeld ist, desto positiver geht man selbst an das Examen heran.

III.) Auswege

Aus eigener Erfahrung, als eher stressanfälliger Mensch, kann ich im Nachhinein jedoch sagen, dass es möglich ist, die Unsicherheiten zu überwinden und so das Beste aus sich herauszuholen, wenn man ein paar Regeln beachtet.

1. Realistischer Lernplan, der konsequent durchgezogen wird

Basis einer einigermaßen entspannten Examensvorbereitung ist ein realistischer Lernplan, dem mit Disziplin, kleine Ausnahmen natürlich einbezogen, gefolgt wird. Wichtig ist es dabei mindestens eine, besser zwei, Wiederholungsphasen einzubauen, und in keinem Fach auf Lücke zu setzen. Ich denke, dass der psychologische Vorteil desjenigen, der nicht auf Lücke gesetzt hat, gegenüber Jemandem, der ein Rechtsgebiet gar nicht gelernt hat, schon die Entscheidung bringen kann. Jemand, der sich sagen kann, dass er alles, so gut wie möglich gelernt und wiederholt hat, geht mit einer selbstbewussten, ruhigen Haltung ins Examen und kann sich mit einem kühlen Kopf auf den Sachverhalt einlassen.

  1. Klausuren schreiben und lernen mit Kritik umzugehen

Zwar wird es einem immer wieder gesagt, so dass es schon abgedroschen klingen mag, aber das Klausurenschreiben ist ein entscheidendes Element der Examensvorbereitung. Natürlich sind gute Noten in Probeklausuren keine Garantie für das Examen, aber es hat zumindest schon einmal eine beruhigende Wirkung, wenn sich nach und nach eine Steigerung der Noten einstellt. Zudem wird man merken, dass man sich in den Klausuren nach längerem Training auch viel überzeugender verkauft und sich daran traut schwierige Probleme mit eigenen Gedanken zu lösen, was dem Korrektor meistens positiv auffällt.

Oft ist es jedoch sehr demotivierend, was die Korrektoren zu den eigenen Ausführungen bemerken, selbst wenn die Punktzahl ordentlich sein sollte.  Entscheidend ist es zu lernen, die Kritik richtig anzunehmen. Häufig versuchen die Korrektoren aus Zeitmangel erst gar nicht die Gedanken nachzuvollziehen. Wird dies deutlich  muss man sich das wirklich bewusst machen und so gut wie möglich nicht von einer derart oberflächlichen Kritik verunsichern lassen. Andererseits, ist die Kritik berechtigt, darf man sich auch dadurch nicht verunsichern lassen, sondern muss sich denken, so schwierig das sein mag: „Diesen Fehler habe ich jetzt gemacht, ich werde ihn also im Examen nicht noch mal machen“. Dies gilt natürlich nur unter der Prämisse einer intensiven Nacharbeit und der Aufdeckung der Fehlerquelle.

3. Den richtigen Zeitpunkt abwarten

Meiner Ansicht nach weiß man, wann man bereit ist das Examen zu schreiben. Das muss nicht nach dem 8. Semester sein oder wenn die beste Freundin schreibt, sondern dann wenn man das Gefühl hat alles so gut wie möglich gelernt und auch genug Klausurerfahrung zu haben. Dieser Zeitpunkt sollte abgewartet, aber auch nicht überschritten werden, da sonst die Gefahr des Motivationsverlusts eintritt und sich noch größere Unsicherheiten aufbauen. Hilfreich kann es sein sich sämtliche Noten aus Probeklausuren aufzuschreiben und so zu überprüfen, wann man sich auf einem einigermaßen stabilen Niveau eingependelt hat. Man sollte hier nicht zu viel erwarten, die wenigsten werden sich bei 14 Punkten einpendeln, jedoch muss das nichts fürs Examen bedeuten, da die Noten im Examen meist doch um ein bis zwei Punkte besser sind als in den Probeklausuren.

4. Lern-AG

Hilfreich zur Bekämpfung von Unsicherheiten ist auch die Einrichtung einer privaten Lern-AG(vgl. Artikel: Erfolg durch privat Lern-AG). Durch die gemeinsame, strukturierte Erarbeitung von Fällen gewinnt man an Sicherheit über die Materie. Zudem ist es sehr förderlich, dass alle im gleichen Boot sitzen und sich so gegenseitig motivieren und aufbauen können. Schließlich kennt jeder die Ängste und Unsicherheiten, die einen vor dem Examen plagen.

5. Sport bzw. anderer Ausgleich

Um mit dem ganzen Stress und Druck umgehen zu können und vor allem einen distanzierteren und realistischeren Blick auf das Examen zu gewinnen, ist es empfehlenswert sich einen Ausgleich zu suchen. Ich persönlich fand, dass Joggen an der frischen Luft eine unglaublich beruhigende Wirkung hat und einem hilft diszipliniert und motiviert auf das Ziel „Examen“ zuzuarbeiten, ohne sich dabei von sämtlichen Bedenken und Ängsten unterkriegen zu lassen. Selbstverständlich ist jede andere Sportart oder Freizeitaktivität ebenso gut, sofern sie nur eine beruhigende Wirkung auf den Einzelnen hat.

6. „Auch mal frei machen“

Natürlich muss man viel lernen und einen ungeheure Disziplin aufbringen, jedoch ist es genau so wichtig, sich auch ab und zu bewusst frei zu nehmen. Andernfalls sinken Kräfte und Motivation, was nur zu noch größeren Zweifeln führt. Es ist selbstverständlich nicht einfach sich im ständigen Lerndruck auch mal zu Ruhe ohne schlechtes Gewissen zu zwingen, doch man muss es tun. Dies gilt meiner Meinung nach auch für die letzten zwei Tage vor dem Examen. Eine Woche voll fünfstündiger Klausuren ist anstrengend und erfordert jeden Tag absolute Aufmerksamkeit und Topleistungen. Dafür muss man ausgeruht und wach sein.

7. Im Examen eine Klausur nach anderer abhaken

Hat man dann den großen Tag der ersten Klausur erreicht, so sollte man sich für die kommende Woche bewusst sein, dass jeder Tag ein neuer Tag und eine neue Chance ist. Auch wenn eine Klausur oder auch zwei nicht gut liefen, so muss man diese Klausur für sich innerlich abhaken und so unbefangen wie möglich in die nächste Klausur gehen. Nur so hat man zumindest die Chance in jeder Klausur eine Note zu erzielen, die sämtliche Missgeschicke ausgleicht oder sogar ein sehr gutes Examen zu schreiben.

8. Danach Ablenkung

Ist die Woche vorbei, so sollte man nach Möglichkeit der aktiven Verdrängungsmethode folgen und am besten ganz weit weg fliegen, um sich abzulenken. Was geschehen ist, ist geschehen und oft stellen sich die Klausuren, die einem besonderes Kopfzerbrechen bereitet haben, als gar nicht so schlimm heraus.  Eine schlechte Klausur kann immer durch eine Gute ausgeglichen werden und in den allermeisten Fällen waren alle Sorgen und Unsicherheiten um sonst.

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IV.) Anmerkungen

Zur Ergänzung siehe auch die übrigen, in den Kategorien Juristische Ausbildung oder Examensvorbereitung veröffentlichten Beiträge.

Jura Individuell informiert Sie über das juristische Studium vom ersten Semester bis zum zweiten Staatsexamen. Lesen Sie daher unsere nützlichen Artikel zur Motivation im Studium, über die Organisation und Struktur im Jura-Studium, über die Überwindung von Prüfungsangst, warum man sich für ein Jura Studium entscheiden sollte und was man gegen Lernprobleme machen kann. Außerdem beschäftigen sich unsere Artikel mit den Themen  des richtigen Lernens im Studium, dem Schutz gegen Überarbeitung  (Burnout) und wie man sich verhalten sollte, wenn man durch eine Prüfung durchgefallen ist. Weiterhin geben wir nützliche Tipps  zur Anfertigung einer Klausur oder Hausarbeit  sowie Vorbreitungshilfestellungen für die mündiche Prüfung.

Des weiteren erhalten Sie Hilfestellungen bei der Vorbereitung und Anfertigung der Abschluss-, Schein-, Zwischenprüfungsklausuren (Zivilrecht, Öffentliches Recht, Strafrecht) und des  Staatexamen (Ablauf, mündliche Prüfung, Die Klausuren, Die Vorbereitung, Examen im Zivilrecht, Examensplan). Wir informieren Sie ebenfalls über Crashkurse zur Vorbereitung auf Klausuren und das Referendariat (Der erste Tag, Bayern, Hessen, Rheinland-Pfalz).

Erfahren Sie mehr über die Tradition der Repetitorien, die Geschichte der modernen Universität, das Beamtentum, die Notwendigkeit der Repetitorien bei der Klausur- und Examensvorbereitung, die verschiedenen Formen von Repetitorien, den Ablauf des Individualunterrichtes sowie den Nutzen von ergänzenden juristischen Privatunterricht.

Viel Erfolg im Examen!

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