Erfolg durch private Lern-AG

Vorteile der Bildung einer privaten Arbeitsgemeinschaft im Jura-Studium.

Datum
Rechtsgebiet Examen
Ø Lesezeit 9 Minuten
Foto: Jacob Lund/Shutterstock.com

Viele werden sich fragen, ob eine private Lern-AG den Zeitaufwand wirklich wert ist. In der Regel ist die Zeit der Examensvorbereitung dadurch gekennzeichnet,  dass man kaum weiß wie man den ganzen Stoff in der geplanten Zeit lernen soll, so dass jede Aktivität darüber hinaus als Verlust wertvoller Lernzeit erscheint.

I.) Warum macht eine private Lern-AG Sinn ?

Genau hier liegt jedoch der Denkfehler: eine gut strukturierte private AG fördert nicht nur entscheidend das Verständnis der Examensprobleme und Zusammenhänge, sondern motiviert auch die Examensphase so zielstrebig wie möglich  durchzuziehen und bereitet einen zudem darauf vor in der mündlichen Prüfung juristische Problemstellungen zu erläutern.

Es ist unbestritten, dass der eigene Examenserfolg in erster Linie vom eigenen Lerneinsatz und den geschriebenen Klausuren abhängt. Allerdings stellt sich häufig das Problem, dass durch das eigenständige Lernen zu Hause oder in der Bibliothek unbewusste Verständnisprobleme nicht berichtigt, sondern viel mehr noch verfestigt werden. Leider werden die Übungsklausuren oft auch nicht so gründliche korrigiert, dass zum Teil grundlegende Verständnisprobleme aufgedeckt und beseitigt werden. Hat man hingegen eine private Lern-AG, so trifft man durch die Diskussionen über juristische Themen oft überraschend auf derartige Verständnisprobleme. Durch die gemeinsame Analyse und Erörterung des Problems wird nicht nur der gängige Stoff wiederholt, sondern es werden auch neue Denkanstöße und verschiedene Fallkonstellationen besprochen. Dies ist umso wichtiger als im Examen meist nicht der klassische Fall, den jeder Repetitor im Repertoire hat, drankommt, sondern eine Abwandlung, bei der juristisches Verständnis und flexibles Denken gefragt sind.

Ein Konzept einer, meiner Erfahrung nach, erfolgreichen privaten Lern-AG werde ich hier vorstellen.

II.) Anleitung und Organisation

Im Folgenden werde ich zuerst auf die Organisation einer Arbeitsgemeinschaft eingehen und dann eine exemplarische Anleitung für den Arbeitsablauf in einer solchen Lern-AG aufzeigen.

1.) Die Teilnehmer

Meiner Erfahrung nach sollte eine Lern-AG nicht mehr als vier Leute umfassen. Sind es mehr kommt es vor, dass man sich, auf Grund der vielen verschiedenen Meinungen, in Problemdiskussionen so verstrickt, dass man während einer Sitzung fast keine Fortschritte macht, was für alle Teilnehmenden sehr demotivierend sein kann. Vom Niveau her sollten die Teilnehmer nach Möglichkeit auf der gleichen Stufe stehen. Allerdings ist dies nicht zu eng zu handhaben. Entscheidender für den Erfolg der Lerngruppe ist der Einsatz und die Bereitschaft eines Jeden sich vorzubereiten, mitzudenken und einzubringen. Wenig hilfreich ist ein besonders hohes Niveau einzelner Teilnehmer, wenn es am erforderlichen Einsatz für die Gruppe und Hilfsbereitschaft fehlt.

 2.) Der zeitliche Aufwand

Im Hinblick auf den zeitlichen Aufwand sind durch die Umstände natürlich Grenzen gesetzt, d.h. es muss ausreichend Zeit für das selbstständige Lernen bleiben. Sich einmal in der Woche zwei Stunden in der Lern-AG voll zu konzentrieren, ist meist wesentlich effektiver als mehrmals ein halbherziges Treffen abzuhalten. Hinzu kommt natürlich noch die Vorbereitung, die allerdings immer abwechselnd, jede Woche, einen anderen Teilnehmer trifft und in der Regel auch nicht mehr als eine Stunde in Anspruch nimmt. Dieser Teilnehmer übernimmt dann in seiner Sitzung die Rolle eines Moderators.

 3.) Der Ort

Als optimaler Ort für die private Lern-AG empfiehlt es sich, sich bei einem Teilnehmer zu Hause zu verabreden, wobei man dies so gestalten kann, dass man abwechselnd jede Woche zu einem anderen Teilnehmer geht. Der Vorteil gegenüber der Bibliothek ist, dass man in normaler Lautstärke über die juristischen Probleme diskutieren kann, was durchaus nötig ist. Im Vergleich zu einem Café hat man aber die nötige Ruhe, die  sowohl für die Sachverhaltsanalyse als auch bei der gemeinsamen Problemerörterung unbedingt nötig ist. Zudem, stehen so alle eigenen Unterlagen und Bücher Griff bereit, falls man etwas nachschlagen möchte und der Anfahrtsaufwand für jeden gleich bemessen.

Jura Individuell-Tipp: Im Idealfall findet das wöchentliche Treffen immer beim selben Teilnehmer statt. Das hat den Vorteil, dass sich jeder auf diesen Ort einstellen und Routine entwickeln kann.

 III.) Ablauf

Jede Woche bereitet jeweils ein anderer Teilnehmer einen Fall vor. Am Besten geeignet sind natürlich original Examensklausuren, empfehlenswert sind jedoch auch Übungsklausuren und aktuelle Entscheidungen aus den gängigen Ausbildungszeitschriften. Diese haben den zusätzlichen Vorteil, dass sie oft auch als Vorlage für die Examensklausuren herangezogen werden.

Derjenige, der den Fall vorbereitet, analysiert den Sachverhalt genau und erstellt für sich eine Lösungsskizze. Anschließend wird die offizielle Lösungsskizze gelesen, und Fehlendes in der eigenen Skizze ergänzt. Die Hauptproblempunkte des Falls sollten ggf. in Büchern vertiefend nachgelesen werden, wobei sich der vorbereitende Teilnehmer über folgende Aspekte Gedanken machen sollte:

  1. Womit könnten die anderen Teilnehmer im Hinblick auf dieses Problem besondere Verständnisschwierigkeiten haben?
  2. Welche Abwandlungen und andere vergleichbare Fallkonstellationen sind denkbar?

Beim AG-Treffen selbst gibt es nun zwei mögliche Vorgehensweisen:

 1.) Möglichkeit A

Der für diesen Fall zuständige Teilnehmer bespricht zunächst abstrakt die Probleme des Falls. Das bedeutet, er bittet einen der anderen Teilnehmer das Problem X zu erklären, hilft wenn die anderen nicht weiterwissen und testet das tiefgehende Verständnis, indem er die Fragen stellt, die er sich in der Vorbereitung als besonders problematisch herausgeschrieben hat.

Anschließend ergänzt er, was im Zusammenhang mit diesem Thema relevant sein könnte und geht mit den anderen Teilnehmern verschiedene Abwandlungen durch.

Erst jetzt wird der Sachverhalt ausgeteilt, den jeder Teilnehmer liest und für sich selbst skizziert. Dies dauert, je nach Länge des Sachverhalts, nicht länger als 10-15 Minuten. Danach beginnt einer der Teilnehmer mit der Lösung des Falls, der dann reihum gelöst wird. Da die Hauptprobleme bereits vorbesprochen wurden, dürfte dies nicht mehr all zu lang dauern.

Der Vorteil dieser Vorgehensweise, ist dass man sich so in kurzer Zeit umfassendes Wissen bzgl. eines Themas aneignen kann und die Atmosphäre relativ entspannt ist, da es bei der gemeinsamen Lösung des Falls, angesichts der Vorbesprechung der Hauptprobleme, kaum noch möglich ist, dass eine Teilnehmer auf ganz abwegige und unpassende Gedanken kommt und somit keiner Angst haben muss sich zu blamieren.

Der Nachteil ist jedoch, dass die Schwierigkeit vieler Examensklausuren darin besteht, auf die richtigen Ideen zu kommen und zu wissen, wo man sein gelerntes Wissen am besten unterbringt. Meiner Meinung nach wird dieser wichtige Aspekt bei dieser Vorgehensweise vernachlässigt.

 2.) Möglichkeit B

Die zweite Möglichkeit besteht darin, gleich zu Anfang der AG-Sitzung die Sachverhalte an jeden auszuteilen, woraufhin diese gelesen und Skizzen angefertigt werden. Anschließend beginnt ein Teilnehmer mit der Lösung des Falls, wird bei Zweifeln oder Fragen aber immer vom vorbereiteten Teilnehmer unterstützt. Hat der, den Fall lösende, Teilnehmer ein juristischen Problem identifiziert und richtig in den Zusammenhang der Klausur eingeordnet, wird ausgehend vom konkreten Fall das entdeckte Problem, wie oben erläutert, abstrakt besprochen und durch gezielte Fragen und Abwandlungen vertieft. Für die Vorbereitung des zuständigen Teilnehmers ändert sich insofern nichts.

Der Vorteil dieser Methode liegt eindeutig im Umstand, dass die Teilnehmer mit einem unbekannten Fall umgehen müssen und die Probleme, wie in der Examenssituation identifizieren und richtig einordnen müssen.

Sofern in der AG Verständnisprobleme aufgetaucht sind oder sonstige Unsicherheiten bestehen, empfiehlt es sich ehrlich zu sich selbst zu sein und diese nach der AG noch im Selbststudium zu vertiefen. Meistens ist es jedoch so, dass nach der AG die Unklarheiten beseitigt sind, so dass eine tiefgehende Nachbereitung, auch in Anbetracht der begrenzten Zeit, nicht unbedingt nötig ist. Die Nachbearbeitung darf an dieser Stelle jedoch nicht mit einer Wiederholung verwechselt werden. Aufgrund der Fülle des Examensstoffes sollte das Thema in einem kurzen und einem längeren Zeitraum möglichst nocheinmal widerholt werden, um im Langzeitgedächtnis verankert zu sein.

 IV.) Fazit

Ich persönlich habe mit einer derartigen privaten Lern-AG sehr gute Erfahrungen gemacht. Oft sind wir in Diskussionen auf Probleme gestoßen, die einer von uns oder wir alle nicht wirklich verstanden hatten und dann gemeinsam, z.T. mit Büchern z.T. durch bloßes nachdenken und austauschen gelöst haben. Zudem ist der psychologische Effekt einer guten AG nicht zu unterschätzen. Man lernt zusammen, motiviert sich gegenseitig und hat immer einen Ansprechpartner, was in der oft langwierigen, von Unsicherheiten geprägten, Examensphase von großer Bedeutung ist.

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V.) Anmerkungen

siehe auch: Jura-Studium – Universität Trier; Jura-Studium- Universität Bayreuth; Jura Studium- Uni Augsburg; Jura-Studium Uni Köln; Jura- Studium Uni Hamburg

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