Examensreife – Bin ich bereit fürs Examen?

Hilfestellung zum Herausfinden des bestmöglichen Examenstermins; Verdrängen von Furcht und Angst vor dem Examen

Datum
Rechtsgebiet Examen
Ø Lesezeit 9 Minuten
Foto: Sergey Bezgodov/Shutterstock.com

Einleitung

Die Auswahl des Zeitpunkts, zu dem man sich zum Examen anmeldet, ist von großer Bedeutung. Vom gewählten Examenstermin hängt eine ganze Menge ab. Denn bis dahin muss nicht nur die inhaltliche und qualifikatorische Vorbereitung abgeschlossen sein. Idealerweise sollte man sich zu diesem Zeitpunkt auch bereit fühlen, ins Examen zu gehen. Doch wann ist dieser richtige Zeitpunkt? Woher weiß man, ob man bereit ist? Wann kann man von seiner individuellen Examensreife ausgehen?

Die besondere Examenssituation

Die Auswahl des richtigen Zeitpunkts ist für viele angehende Juristen sehr viel schwieriger, als es im ersten Moment den Anschein hat. So stellt das Examen in vielerlei Hinsicht eine enorme Herausforderung dar: zum ersten Mal zählt das Prüfungsergebnis wirklich, alles ist auf einmal zu präsentieren und man hat nur zwei Versuche. Im Vergleich hierzu waren die Anforderungen im Studium doch etwas bescheidener. Klar also, dass man fürs Examen gut präpariert sein will. Und so investieren viele ein enormes Arbeitspensum in das Erlangen ihrer Examensreife.

Doch leider ist es nicht wie in der Schule. Dort genügte es oftmals nur genug Stoff einzupauken, um ein halbwegs akzeptables Ergebnis zu produzieren. Im Examen hingegen geht es auch um Fertigkeiten, die in der Ausbildung meist nur unzureichend oder gar nicht vermittelt werden. So setzt die Examensreife zum Beispiel die Fähigkeit des richtigen Aufbereitens und Bearbeitens von Fällen, des korrekten Schreibens von Klausuren und des Erlernens der entscheidenden sachlichen Inhalte und fachlichen Qualifikationen voraus.

Gibt es den perfekten Moment fürs Examen?

Gerade für zögerliche Wackelkandidaten, aber auch für die meisten anderen ist es schwierig, ihre persönliche Examensreife zu bestimmen. Wann ist man genügend vorbereitet und kann den großen Sprung wagen? Wann sollte man besser noch davon absehen? Und woran erkennt man, dass es endlich losgehen kann? In vielen Fällen ist die Antwort einfach, wenn auch wenig hilfreich: so etwas wie den perfekten Moment gibt es nicht. Ähnlich wie beim Kauf eines neuen Computers oder dem Handel mit Aktien kann man auf den perfekten Moment unter Umständen ewig warten. Denn der richtige Augenblick, sich zum Examen anzumelden, ist einerseits extrem subjektiv, andererseits ist er auch objektiv schwer fassbar. Letztlich ist es eine Mischung aus Bauchgefühl und harter, effizienter Arbeit. Sowohl das eigene Gefühl wie auch die objektive Eignung müssen stimmen. Und dieser Zustand ist insbesondere für ängstliche oder unsichere Kandidaten nur sehr schwer zu erreichen oder zu erfühlen.

Der richtige Zeitpunkt – die persönliche Examensreife

Doch auch wenn es für die meisten keinen idealen Zeitpunkt gibt, kann man doch immerhin einige Anzeichen zusammentragen, die für eine individuelle Examensreife sprechen.

Routine durch Übungsklausuren

Das wohl stärkste Indiz ist eine hinlängliche Anzahl geschriebener Übungsklausuren, die mindestens mit „ausreichend“ bewertet wurden. An den Übungsklausuren führt ohnehin kein Weg vorbei. Und man sollte schon ein paar Dutzend davon geschrieben haben, bevor man sich anmeldet. Denn nur so kann man die unerlässliche Routine und Gelassenheit erwerben, die man im Examen unbedingt braucht.

Innere Einstellung

Ein weiterer wichtiger, wenn auch zuweilen trügerischer Indikator ist das Bauchgefühl. Wenn man die ewige Furcht und Unsicherheit ablegen kann und sich fühlt wie ein Fechter, der durchtrainiert mit einer vertrauten und bestens ausgewogenen Klinge ins Duell geht, ist das ein ausgesprochen vielversprechendes Zeichen. Denn eine solche positive Einstellung kann unter Umständen mehr helfen als weitere Monate der Vorbereitung.

Bei meinem ersten Versuch für das zweite Staatsexamen empfand ich noch lähmende Furcht. Doch beim zweiten Versuch ging ich mit Kampfgeist ins Gefecht. Eine gute Einstellung – gefühlte Examensreife – kann zwar kaum fachliche Mängel überspielen. Doch sie kann dabei helfen, die Angst zu besiegen und mit ihr einhergehende Hindernisse zu überwinden. Dadurch lassen sich die vorhandenen Fertigkeiten besser nutzen. Das kann durchaus den Unterschied zwischen Durchfallen und Bestehen ausmachen. Denn die Furcht lähmt nicht nur die Initiative. Sie trübt auch die Wahrnehmung. Wer nicht so viel Angst hat, sieht viele Dinge klarer und kann sich besser darauf konzentrieren, den Sachverhalt zu analysieren und Probleme zu suchen (und zu lösen).

Aufschieberitis

Ein im Jurastudium sehr oft zu beobachtendes Phänomen ist das immer weitere Hinauszögern des Examenstermins. Jeder angehende Jurist ist sich natürlich bewusst, dass das Examen schwierig und sehr herausfordernd ist. Deshalb trachtet er nach der bestmöglichen Vorbereitung. Aber wer sich mit dem Erlernen der erforderlichen Fertigkeiten und Kenntnisse schwer tut – etwa, weil er nicht richtig lernt, nicht das Richtige lernt oder schlichtweg nicht das Zeug zum Juristen hat -, dem fällt es meist auch schwer, einen Grad an Vorbereitung zu erreichen, der ihm genügend erscheint. Gerade für unsichere und/oder ängstliche Kandidaten ist das ein großes Problem. Denn selbst unter den besten Umständen wird an der Examensreife gezweifelt.

Wenn der Notenschnitt dagegen verheerend und das Selbstwertgefühl im Keller ist, kann von einer genügenden Vorbereitung natürlich keine Rede sein. Entsprechend traut man sich nicht, sich schon zum Examen anzumelden. Man hängt also lieber noch etwas mehr Zeit dran, um noch besser vorbereitet zu sein.

Aber wenn man die entscheidenden Hindernisse, die einer guten Vorbereitung im Wege stehen, nicht beseitigt, weil man sie nicht (er-)kennt oder nicht selbst überwinden kann, führt das oft nur zu einem immer weiteren Hinausschieben des Examenstermins. Derweil dümpeln die Noten weiterhin im Keller und das eigene Selbstbewusstsein mietet sich früher oder später ebenfalls dort ein. So geht es den Kandidaten ähnlich wie der seit langem in Aussicht gestellten Einführung kommerziell nutzbarer Fusionsreaktoren, die heute wie schon vor Jahrzehnten „in fünfzig Jahren“ erfolgen sollte: der große Tag bleibt stets in weiter Ferne, egal wie viel Zeit bereits verstrichen ist.

Rückzieher machen?

Und etwas anderes machen? Aber doch nicht jetzt, nachdem man bereits so viel Zeit und Mühe investiert hat und so kurz vor dem Examen steht! Und da die Noten nicht besser und das Selbstbewusstsein und die Initiative immer weniger werden, steht zu befürchten, dass diese Kandidaten den Sprung womöglich niemals schaffen.

Manchmal steckt auch etwas Tiefenpsychologie darin: wenn man nicht antritt, geht man der schrecklichen und lange gefürchteten Prüfung aus dem Weg. Man kann also nicht durchfallen oder feststellen, dass man sich nicht traut. Doch der Preis dafür ist eine Art Starre, die mit zunehmender Dauer immer unerträglicher wird. Denn man kann nicht vor und nicht zurück.

Den Absprung schaffen

Wie kann man sich davor schützen? Eine mögliche Methode ist es, die kritischen Schwachpunkte, die einen daran hindern, examens-/praxistaugliche Klausurnoten und/oder Kenntnisse zu erlangen, zu identifizieren und zu beheben. Diese können vielgestaltig sein. Doch meistens liegt es nicht am investierten Arbeitsaufwand, der bei vielen Kandidaten außergewöhnlich hoch ist. Viel häufiger kommt es vor, dass die Arbeit nicht effizient ist. Denn die gelernten Fakten können oftmals nicht so eingesetzt werden, dass der Kandidat mit ihnen das Ziel erreicht.

Oft sind es einige wenige wiederkehrende Schwächen, die der persönlichen Examensreife im Wege stehen und verhindern, dass die viele Arbeit sich irgendwann auszahlt. Dazu gehören z.B. ein mangelhaftes Verständnis dessen, worauf es bei der Falllösung und Klausurbearbeitung wirklich ankommt, oder auch Probleme mit der Aufgabe, vorhandenes Faktenwissen auf die stets verschiedenen Fälle anzuwenden und so gewinnbringend umzusetzen. Vor dem Hintergrund eines extremen Arbeitsaufwands ohne merkliche Fortschritte kann es dann kaum verwundern, dass manche Kandidaten schlicht die Lust verlieren und sich kaum noch zum Arbeiten motivieren können.

Problemanalyse

Aus diesem Grund ist es zwingend erforderlich, die betreffenden Fehler auszumerzen. Dies ist jedoch gar nicht so einfach. Denn die Bemerkungen der Klausurbearbeiter sind oft kryptisch, spärlich und in den meisten Fällen nicht sonderlich hilfreich. Noch dazu sind viele Kandidaten in ihren ineffizienten Arbeits- und Betrachtungsweisen so eingefahren, dass es schwerfällt, die lange etablierten Routinen zu ändern.

Hinzuziehen von erfahrenen Kommilitonen oder „Fachmann“

Am besten findet die Analyse der kritischen Schwachpunkte im Team mit einem erfahrenen Klausurbearbeiter statt, der dem Kandidaten eingehend darlegen kann, was noch falsch läuft. Viele Wackelkandidaten reden zwar nicht gern über ihre Schwierigkeiten und gewähren auch ungern Einblick in ihre Arbeit. Denn sie möchten keine Schwäche zeigen und schämen sich womöglich gar ihrer schlechten Noten. Wer aber aus der ewigen Tretmühle der schlechten Noten und Perspektivlosigkeit heraus möchte, dem bleibt eigentlich keine andere Wahl.

Geeignete Ansprechpartner sind Kommilitonen, befreundete Juristen – oder natürlich Repetitoren. Es kann schon etwas bringen, sich beim Klausurenkurs eines der großen Repetitoren anzumelden: die Klausuren und Korrektoren sind in aller Regel von besserer Qualität als an der Universität. Und die Bemerkungen der Korrektoren taugen besser zur Fehlersuche. Das Optimum dürfte jedoch ein Einzelbetreuer sein, der die Zeit und die Muße aufbringen kann, die anliegenden Probleme mit dem Kandidaten eingehend durchzugehen.

Den inneren Schweinehund überwinden

Letzten Endes ist jedoch vor allem eines nötig: sich einen Ruck zu geben, es anzugehen und auf Biegen oder Brechen endlich anzutreten. Das ist manchmal sehr schwer, insbesondere dann, wenn man sich lange Zeit nicht getraut hat und die Angst vor dem drohenden Examen immer weiter gewachsen ist. Doch gerade dann ist es wichtig, nicht noch mehr Zeit zu vergeuden und endlich die drängenden Probleme anzugehen; noch wichtiger: den Stillstand zu beenden und eine endgültige Entscheidung herbeizuführen, auf Gedeih und Verderb. Das ist immer noch besser, als noch länger im Larvenstadium zu verweilen und den Absprung einfach nicht zu schaffen. Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.

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