Die Handelsgeschäfte, §§ 343 ff. HGB

Die §§ 343 ff. HGB regeln die für das Handelsrecht relevanten Handelsgeschäfte, die im Folgenden überblicksartig dargestellt werden sollen. Es soll zum Einen die Definition des Handelsgeschäftes an sich erläutert werden.

Datum
Rechtsgebiet Handelsrecht
Ø Lesezeit 7 Minuten
Foto: Alexander Naglestad/unsplash.com

Zum anderen sollen die für die Klausur wichtigsten Normen die Handelsgesellschaft betreffend vorgestellt werden. Dieser Artikel bildet zwar ausdrücklich nur einen groben Überblick über die Handelsgeschäfte. Dieser ist jedoch für die konkrete Einordnung der Problematik äußerst wichtig. Tiefergehende Informationen können sodann in den einzelnen verlinkten Artikeln durchgearbeitet werden.

A. Das Handelsgeschäft

Das Handelsgeschäft ist in § 343 I HGB legaldefiniert. Danach sind Handelsgeschäfte alle Geschäfte eines Kaufmannes, die zum Betrieb seines Handelsgewerbes gehören.

I. Geschäft

Für das Vorliegen eines Handelsgeschäftes ist es Voraussetzung, dass ein Rechtsgeschäft (mehrseitig oder einseitig) oder eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung bzw. eine Unterlassung vorliegt. Voraussetzung ist somit ein rechtserhebliches, willentliches Verlangen. Für unerlaubte Handlungen und sonstige Realakte, die nicht willentlich sind, existieren somit keine handelsrechtlichen Sonderregelungen.

II. Der Kaufmann, §§ 1-6 HGB

Ob ein Handelsgeschäft im Sinne des § 343 I HGB vorliegt, richtet sich zudem nach den daran beteiligten Personen. Mindestens einer muss ein Kaufmann sein. Somit kann auch ein Nichtkaufmann mit handelsrechtlichen Regeln konfrontiert sein, sofern eine Vorschrift nicht ein zweiseitiges Handelsgeschäft voraussetzt. Dies ist beispielsweise bei den §§ 377 ff. HGB der Fall. Ist nur ein Kaufmann beteiligt, bezeichnet man dies als einseitiges Handelsgeschäft (§ 345 HGB). Für Nichtkaufleute finden die handelsrechtlichen Regelungen außerdem dann Anwendung, wenn dies ausdrücklich angeordnet wurde (z.B. § 453 III 2 HGB), wenn es sich um einen Scheinkaufmann handelt oder bei analoger Anwendung (z.B. bei den freien Berufen).

III. Betriebsbezogenheit

Weitere Voraussetzung des Handelsgeschäftes ist, dass das Geschäft zum Betrieb eines Handelsgewerbes gehört. Es darf also nicht zum privaten Bereich des Kaufmannes gehören. Umfasst sind alle Geschäfte, die im Interesse des Handelsgewerbes getätigt werden sowie alle Geschäfte, die der Erhaltung des Geschäftes an sich und der Gewinnerzielung dienen. Es kommt ebenfalls nicht darauf an, dass das jeweilige Geschäft für die Branche des Kaufmannes typisch ist. Eine Betriebsbezogenheit haben deshalb auch Hilfs- und Nebengeschäfte, wie beispielsweise die Bestellung von Büroutensilien oder vorbereitende Geschäfte, wie die Anmietung von Büroräumen.

Des Weiteren enthält § 344 I HGB eine gesetzliche Vermutung für die Betriebszugehörigkeit, die allerdings widerlegbar ist. Im Zweifel gilt also das vom Kaufmann vorgenommene Rechtsgeschäft als zum Betriebe des Handelsgewerbes gehörig. Möchte man in diesem Fall die gesetzliche Vermutung widerlegen, müsste die Zugehörigkeit zur Privatsphäre des Kaufmannes bewiesen werden. Eine ähnliche Regelung findet sich in § 344 II HGB, nach der die von einem Kaufmann gezeichneten Schuldscheine als im Betriebe seines Handelsgewerbes gezeichnet gelten, sofern sich nicht aus einer Urkunde etwas anderes ergibt.

Das Thema Rechtsschein spielt bei der Betriebsbezogenheit ebenfalls eine nicht unwichtige Rolle. Wenn der äußere Anschein für eine Zugehörigkeit zum Unternehmensbereich spricht und der Vertragspartner auch darauf vertraute, ist der Gegenbeweis nach § 344 I HGB nicht möglich.

B. Keine Einrede der Vorausklage, § 349 HGB

Die Norm des § 349 HGB regelt, dass die Einrede der Vorausklage für Kaufleute nicht anwendbar ist. Die Einrede der Vorausklage ist nach § 771 BGB das Recht des Bürgen, die Inanspruchnahme durch den Bürgschaftsgläubiger dann abzuwehren, wenn dieser nicht nachweisen kann, dass er erfolglos gegen den Hauptschuldner die Zwangsvollstreckung betrieben hat. Wegen § 349 HGB kann sich der Bürgschaftsgläubiger bei Handelsgeschäften also auch direkt an den Bürgen wenden, wenn er vorher keine Zwangsvollstreckung gegen den Hauptschuldner betrieben hat. Der Bürge, welcher Kaufmann ist, kann nämlich keine Einrede der Vorausklage nach § 771 BGB geltend machen.

C. Formfreiheit, § 350 HGB

Nach der Vorschrift des § 350 HGB sind bestimmte Rechtsgeschäfte, die grundsätzlich formbedürftig sind, für Kaufleute formfrei möglich. Beispielsweise ist gem. § 766 BGB zur Gültigkeit eines Bürgschaftsvertrages grundsätzlich die schriftliche Erteilung einer Bürgschaftserklärung notwendig. Wegen § 350 HGB ist allerdings die Bürgschaftserklärung bei Kaufleuten formfrei möglich und somit auch dann wirksam, wenn sie nur mündlich abgegeben wurde.

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D. Wirksamkeit der Abtretung, § 354 a HGB

Für Handelsgeschäfte gilt § 354 a HGB, nach welchem die Vereinbarung eines Abtretungsverbotes nach § 399 2. Alt. BGB dann nicht wirksam ist, wenn ein Rechtsgeschäft zwischen zwei Kaufleuten abgeschlossen wurde (zweiseitiges Handelsgeschäft). Wenn also ein etwaiger neuer Gläubiger an den Schuldner herantritt und aus abgetretenem Recht die Zahlung einer Geldsumme verlangt, ist dies wegen § 354 a HGB möglich, auch wenn ein Verbot der Abtretung nach § 399 2. Alt. BGB vereinbart wurde.

E. Schweigen des Kaufmannes, § 362 I HGB

Besonders hervorzuheben ist im Handelsrecht das Schweigen des Kaufmanns, das in § 362 I HGB geregelt ist. Dieses ist jedoch keinesfalls mit dem kaufmännischen Bestätigungsschreiben zu verwechseln. Normalerweise lernt man im ersten Semester, dass Schweigen gerade nicht als Zustimmung oder Annahme zu werten ist. Im Handelsrecht ist dies jedoch aufgrund der Schnelligkeit des Handelsverkehrs, die oft an den Tag gelegt wird, anders. Schließt ein Kaufmann einen Geschäftsbesorgungsvertrag nach § 675 I BGB ab und wird ihm ein entsprechendes Angebot gemacht, stimmt er diesem auch dann zu, wenn er schweigt. Möchte er diesen Vertrag also nicht abschließen, sollte der Kaufmann möglichst schnell schriftlich ablehnen.

F. Gutgläubiger Erwerb beweglicher Sachen, § 366 I HGB

§ 366 I HGB regelt den gutgläubigen Erwerb von beweglichen Sachen bei Handelsgeschäften. Normalerweise stellt man beim gutgläubigen Erwerb darauf ab, dass der Veräußerer Eigentümer ist. Im Handelsverkehr reicht es dagegen aus, wenn daran geglaubt wird, dass der Veräußerer verfügungsberechtigter Nichteigentümer ist. Dies ist dann der Fall, wenn der Verkäufer vom Eigentümer zur Veräußerung ermächtigt worden ist.

G. Untersuchungs- und Rügeobliegenheit, § 377 I HGB

Auch die Untersuchungs- und Rügeobliegenheit des § 377 I HGB hängt mit der Schnelligkeit des Handelsverkehrs zusammen. Die Untersuchungs- und Rügeobliegenheit ist eine Obliegenheit. Das bedeutet, dass sie vom Schuldner zwar zu beachten ist, aber vom Gläubiger nicht eingeklagt werden kann. Wenn ein Kaufmann von einem anderen Kaufmann etwas kauft, so hat er den Gegenstand unverzüglich zu untersuchen und einen möglicherweise bestehenden Mangel anzuzeigen. Tut er dies nicht, verliert er die Möglichkeit, Gewährleistungsansprüche nach den §§ 434 ff. BGB geltend zu machen.

H. Kommissionsgeschäfte, §§ 383 ff. HGB

Relevant können auch sog. Kommissionsgeschäfte werden, die in den §§ 383 ff. HGB geregelt und Teil der Handelsgeschäfte sind. Dabei ist der Kommissionär vom Stellvertreter abzugrenzen, welcher im fremden Namen agiert. Der Kommissionär ist Kaufmann und handelt dagegen im eigenen Namen, jedoch auf fremde Rechnung. Er schließt somit nach § 383 I HGB selbst Verträge ab.

I. Frachtvertrag, §§ 407 ff. HGB

Teil der Handelsgeschäfte sind ebenfalls sog. Frachtverträge (§§ 407 ff. HGB). Der Frachtvertrag zeichnet sich dadurch aus, dass der Frachtführer, welcher Kaufmann ist, zur Beförderung und auch zur Ablieferung des Frachtgutes an seinen Bestimmungsort verpflichtet wird. Nicht zu verwechseln ist der Frachtführer mit dem Spediteur, welcher den Transport lediglich organisiert, jedoch nicht selbst vornimmt (§§ 453 ff. HGB). Ist dies doch der Fall, findet § 458 HGB Anwendung. Es gelten dennoch die Regelungen des Frachtvertrages.

Dies bedeutet, dass auch § 425 I HGB Anwendung findet. Hiernach haftet der Frachtführer nämlich für den Schaden, der durch Verlust oder Beschädigung des Gutes in der Zeit von der Übernahme zur Beförderung bis zur Ablieferung oder durch Überschreitung der Lieferfrist entsteht. Außerdem kann nach § 421 I 2 und 3 HGB der Empfänger eines beschädigten Gutes gegen den Frachtführer die Ansprüche des Versenders aus dem Frachtvertrag geltend machen, obwohl er selbst nicht Vertragspartner ist. Beides sind gesetzlich geregelte Fälle der Drittschadensliquidation.

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