Gutgläubiger Erwerb des Eigentums

Erwerb des Eigentums vom Nichtberechtigten; Einwilligung/Genehmigung des Berechtigten § 185 BGB; gutgläubiger Erwerb nach §§ 932 ff. BGB

Datum
Rechtsgebiet Sachenrecht
Ø Lesezeit 9 Minuten
Foto: Vladimir Melnik/Shutterstock.com

Der zweite Teil dieses Fachartikels soll einen Überblick über den Erwerb des Eigentums vom Nichtberechtigten geben. Hier noch einmal das Prüfungsschema zur Übersicht:

Erwerb vom Nichtberechtigten

1. Einigung über den Eigentumsübergang

2. Übergabe bzw. Übergabesurrogat

3. Einigsein im Zeitpunkt der Übergabe bzw. des Übergabesurrogats

4. Berechtigung des Veräußerers und Verfügungsbefugnis

  • 185 BGB
  • Gutgläubiger Erwerb

Ist man endlich beim letzten Prüfungspunkt angelangt und muss entweder die Eigentümerstellung des Veräußerers oder dessen Verfügungsbefugnis verneint werden, bestehen zwei Möglichkeiten, wie der Eigentumsübergang dennoch bejaht werden kann: § 185 BGB oder die §§ 932 ff. BGB finden Anwendung.

§ 185 BGB

§ 185 BGB unterscheidet in seinem Anwendungsbereich drei Konstellationen. Nach § 185 I BGB kann ein Nichtberechtigter über eine im Eigentum des Veräußerers stehende Sache verfügen, sofern dieser seine Einwilligung erteilt hat. Unter Einwilligung ist nach §§ 182, 183 BGB die vorherige Zustimmung zu verstehen. § 185 I BGB greift regelmäßig in den Fällen des sehr prüfungsrelevanten verlängerten Eigentumsvorbehalts. Hier erwirbt der Händler K von Händler V Waren unter Eigentumsvorbehalt. Um den Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten und vor allem auch um zur Zahlung des Kaufpreises in der Lage zu sein, muss er die Waren jedoch weiterveräußern können. Daher erteilt V seine Einwilligung zur Veräußerung der Waren durch K an seine Kunden. Dieser tritt im Gegenzug die ihm aus der Weiterveräußerung zustehenden Kaufpreisansprüche an den V ab, § 398 BGB.

In der zweiten Variante des § 185 II 1 Var.1 BGB wird die Verfügung des Nichtberechtigten rückwirkend wirksam, sofern der Eigentümer diese genehmigt, § 184 BGB. Der häufigste Anwendungsfall bildet hier das Verlangen nach Erlösherausgabe durch den Eigentümer, wenn der Nichtberechtigte die Sache zunächst ohne seine Einwilligung veräußert hat. Denn nach der (häufig konkludent) erteilten Genehmigung kann er den vom Nichtberechtigten erzielten Kaufpreis nach § 816 I BGB heraus verlangen. Nach herrschender Meinung bezieht sich die Genehmigung jedoch nur auf die Rechtsfolgen des § 816 I BGB, also auf den Anspruch auf Erlösherausgabe. Denn andernfalls würde der Nichtberechtigte rückwirkend zum Berechtigten und der Anspruch aus § 816 I BGB liefe leer.

Nach § 185 II 1 Var.2 bzw. Var.3 BGB wird die Verfügung mit ex nunc Wirkung wirksam, sofern der Nichtberechtigte den veräußerten Gegenstand später erwirbt oder den Berechtigten beerbt.

Gutgläubiger Erwerb

Absolut examensrelevant ist der gutgläubige Eigentumserwerb vom Nichtberechtigten in allen Variationen! Diese sollten sicher beherrscht werden. Die §§ 932 ff. BGB dienen in erster Linie dem Verkehrsschutz. Denn der Erwerber kann regelmäßig die unter Umständen komplizierte Erwerbshistorie nicht überprüfen und muss sich darauf verlassen können, dass der im Besitz der Sache befindliche Veräußerer auch deren Eigentümer ist. Dieses Vertrauen des Erwerbers muss jedoch stets an einen vorhandenen Rechtsscheinträger anknüpfen. Dies ist der Besitz, der nach § 1006 BGB die Eigentumsvermutung begründet.

Gutgläubiger Erwerb nach §§ 929 S.1, 932 I 1 BGB

Zunächst die Voraussetzungen im Überblick:

1. Alle Voraussetzungen des Erwerbstatbestands nach § 929 S.1 BGB liegen vor, nur die Berechtigung ist zu verneinen

+ es handelt sich um ein Verkehrsgeschäft

2. Gutgläubigkeit des Erwerbers

3. Kein Abhandenkommen der Sache im Sinne des § 935 II BGB

Erste Voraussetzung für die Anwendbarkeit der §§ 932 ff. BGB ist das Vorliegen eines Verkehrsgeschäfts. Als solches ist jedes Rechtsgeschäft zu verstehen, bei dem auf Erwerberseite mindestens eine Person beteiligt ist, die nicht auch auf der Veräußererseite mitwirkt. Die Einordnung hat nach einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise zu erfolgen. Handelt es sich um einen gesetzlichen Eigentumserwerb, kommen die §§ 932 ff. BGB nicht in Betracht!

Wichtigste Voraussetzung ist weiterhin die Gutgläubigkeit des Erwerbers. Diese fehlt nach der Legaldefinition des § 932 II BGB, wenn der Erwerber weiß oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht weiß, dass der Veräußerer nicht Eigentümer der Sache ist. Aus der gesetzlichen Formulierung folgt, dass der gute Glaube vermutet wird, solange keine entgegenstehenden Anhaltspunkte ersichtlich sind. Der gute Glaube muss sich auf das Eigentum des Veräußerers beziehen. Nicht ausreichend ist dagegen, wenn der Erwerber lediglich denkt, dieser sei zur Verfügung über den Gegenstand befugt. Die Gutgläubigkeit des Erwerbers muss bis zur Vollendung des Eigentumserwerbs bestehen bleiben. Wird die Sache also beispielsweise unter einem Eigentumsvorbehalt veräußert (aufschiebende Bedingung ist die vollständige Kaufpreiszahlung), ist ein gutgläubiger Erwerb nicht mehr möglich, wenn der Erwerber zwischenzeitlich erfährt, dass der Veräußerer doch nicht Eigentümer der Sache ist.

Schließlich darf die Sache dem Veräußerer nicht abhanden gekommen sein, § 935 BGB. Davon ist auszugehen, wenn der Erwerber seinen Besitz ohne seinen Willen verloren hat. Geschützt wird nur der unfreiwillige Verlust des unmittelbaren Besitzes. Das Abhandenkommen ist daher zu bejahen, wenn ein Besitzdiener die Sache veräußert oder weggibt, denn unmittelbarer Besitzer ist ja der Eigentümer. Veräußert dagegen der Besitzmittler die Sache, scheidet ein Abhandenkommen beim nur mittelbar besitzenden Eigentümer aus. Dies ergibt sich aus einem Umkehrschluss aus § 935 I 2 BGB. § 935 II BGB regelt eine Ausnahme, in der ein gutgläubiger Erwerb trotz Abhandenkommens möglich ist: bei der veräußerten Sache handelt es sich um Geld bzw. Inhaberpapiere oder der Erwerb erfolgt im Rahmen einer öffentlichen Versteigerung gem. § 383 III BGB (nicht gemeint ist die Versteigerung im Wege der Zwangsvollstreckung nach §§ 814 ff. BGB!).

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Gutgläubiger Erwerb nach §§ 929 S.2, 932 I 2 BGB

Ein gutgläubiger Erwerb nach §§ 929 S.2, 932 I 2 BGB setzt zunächst ebenfalls das Vorliegen des Erwerbstatbestands des § 929 S.2 BGB voraus – bis auf die nicht vorhandene Berechtigung. Zudem muss der Erwerber auch gutgläubig im Sinne des § 932 I 2 BGB sein und die Sache darf dem Veräußerer nicht abhanden gekommen sein. Zusätzliche Voraussetzung ist weiterhin, dass der Erwerber den Besitz gerade vom Veräußerer erlangt hat (zur Erinnerung: bei § 929 S.2 BGB ist der Erwerber bereits im Besitz der Sache, ausreichend ist allein die Einigung der Parteien). Denn nur so ist der erforderliche Rechtsscheinträger (§ 1006 BGB!) gegeben, der die Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs rechtfertigt.

Gutgläubiger Erwerb nach §§ 929 S.1, 930, 933 BGB

Erforderlich ist neben dem Tatbestand der §§ 929 S.1, 930 BGB (bis auf die Berechtigung), dem guten Glauben auf Seiten des Erwerbers und dem fehlenden Abhandenkommen, dass die Übergabe der Sache durch den Veräußerer erfolgt ist. Der Erwerber muss im Zeitpunkt der Übergabe immer noch gutgläubig sein, die bloße Gutgläubigkeit im Zeitpunkt der Einigung oder bei Vereinbarung des Besitzmittlungsverhältnisses genügt nicht.

Gutgläubiger Erwerb nach §§ 929 S.1, 931, 934

Die erste Variante des § 934 gilt für den Fall, dass der Veräußerer mittelbarer Besitzer der Sache ist. Hier genügen neben dem Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 929 S.1, 931 BGB (bis auf die Berechtigung) der gute Glaube des Erwerbers zum Zeitpunkt der Abtretung. Die Sache darf dem Eigentümer auch nicht abhanden gekommen sein. Wird der Erwerber nach erfolgter Abtretung, aber vor Erlangung des unmittelbaren Besitzes bösgläubig, ist dies unschädlich. In der 2. Variante des § 934 BGB ist der Erwerber nicht mittelbarer Besitzer. Daher steht ihm aus dem Besitzmittlungsverhältnis kein Herausgabeanspruch zu, der abgetreten werden könnte. Es besteht lediglich ein vermeintlicher Herausgabeanspruch oder ein solcher aus Delikt oder Bereicherungsrecht. In dieser Konstellation muss der Erwerber den Besitz von dem besitzenden Dritten selbst erlangen und in diesem Zeitpunkt auch gutgläubig sein. Hier ist die spätere Bösgläubigkeit des Erwerbers nach der Abtretung und vor Besitzerlangung also relevant! Die übrigen Voraussetzungen unterscheiden sich nicht von Variante 1.

Gutgläubiger lastenfreier Erwerb nach § 936 BGB

Relativ kompliziert sind die verschiedenen Variationen des § 936 BGB, der den gutgläubigen lastenfreien Erwerb regelt. Der Erwerber erwirbt den Gegenstand ohne etwaige nachteilige Rechte Dritter, wie z.B. ein bestehendes Pfandrecht. § 936 BGB findet sowohl für den Erwerb vom Berechtigten wie auch für den Erwerb vom Nichtberechtigten Anwendung. Die Voraussetzungen unterscheiden sich allerdings.

Handelt es sich um einen Erwerb vom Berechtigten, ist der Erwerbstatbestand zunächst nach den §§ 929-931 BGB komplett durchzuprüfen. Weiterhin muss der Erwerber hinsichtlich der Lastenfreiheit der Sache gutgläubig sein, § 936 II BGB. Der Begriff des guten Glaubens entspricht dem des § 932 II BGB, d.h. er darf nicht wissen oder grob fahrlässig verkennen, dass die Sache mit dem Recht eines Dritten belastet ist. Auch darf die Sache dem Rechteinhaber wie bei § 935 BGB nicht abhanden gekommen sein. Erfolgt die Eigentumsübertragung nach § 929 S.1 BGB, ist der lastenfreie Erwerb zu bejahen. In den Fällen der §§ 929 S.2, 930 und 931 BGB, ist zusätzlich ein Rechtsscheintatbestand erforderlich, der dem des gutgläubigen Eigentumserwerbs entspricht. D.h. im Fall der §§ 929 S.2 und 930 BGB muss der Erwerber den Besitz vom Veräußerer erlangen. Bei § 933 BGB muss er den Besitz dagegen vom besitzenden Dritten erlangen.

Einfacher ist die Prüfung beim Erwerb vom Nichtberechtigten. Hier ist bereits im Rahmen der Prüfung des Eigentumserwerbs festzustellen, dass der jeweils erforderliche Rechtsscheintatbestand (der qualifizierte Besitzerwerb) vorliegt, sowie dass die Sache nicht abhanden gekommen ist. Daher beschränkt sich die daran anschließende Prüfung des § 936 BGB auf die Frage, ob der gutgläubige Erwerber auch hinsichtlich der Lastenfreiheit im guten Glauben ist.

Zu beachten ist insbesondere auch die Vorschrift des § 936 III BGB! Danach erlischt im Fall einer Übereignung nach §§ 929 S.1, 931 BGB das Recht des Dritten nicht, sofern er derjenige ist, der die Sache im Besitz hat. Denn hier ist für den Erwerber leicht ersichtlich, dass die Sache eventuell mit Rechten des Dritten behaftet ist, sofern sie sich sogar in dessen Besitz befindet.

Fehlende Verfügungsbefugnis des eigentlich Berechtigten

Es kann auch vorkommen, dass der Verfügenden zwar Berechtigter ist, aber in seiner Befugnis über die Sache zu verfügen beschränkt ist. Klassische Fälle sind die Fälle der Insolvenz (§ 80 InsO), der Anordnung einer Testamentsvollstreckung (§ 2211 BGB) oder die der relativen Verfügungsverbote nach §§ 135, 136 BGB. Hier finden die §§ 932 ff. BGB entsprechende Anwendung, d.h. die fehlende Verfügungsbefugnis kann durch den guten Glauben des Erwerbers überwunden werden.

Einen weiteren Fall bildet in diesem Zusammenhang § 366 HGB. Nach § 366 I HGB sind die §§ 932 ff. BGB ebenfalls anzuwenden, wenn ein Kaufmann im Betrieb seines Handelsgewerbes ihm nicht gehörige Sachen veräußert.

Dies sind Ausnahmen von dem Grundsatz, dass von den §§ 932 ff. BGB eigentlich nur der gute Glaube an die Eigentümerstellung, nicht dagegen an die Verfügungsbefugnis geschützt wird!

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