Kausalität: Überblick

Dieser Beitrag beschäftigt sich überblicksartig mit der Thematik der Kausalität im Strafrecht. Er geht dabei, in gebotener Kürze, auch auf den Handlungsbegriff ein.

Datum
Rechtsgebiet Strafrecht
Ø Lesezeit 9 Minuten
Foto: Charl Folscher/unsplash.com

Abgerundet wird der Text mit einigen Wiederholungsfragen und einer übersichtlichen Checkliste, um die wichtigsten Erkenntnisse schnell verinnerlichen zu können.

A. Allgemeines

I. Überblick

Bei der Ermittlung der Kausalität geht es darum, einen Zusammenhang zwischen Handlung des Täters und Tatbestandserfolg festzustellen. Dementsprechend müsste der Täter also kausal für den Erfolg einer strafbaren Tat gewesen sein. Die Rechtsprechung und die überwiegende Literatur bestimmen die Kausalität über die Äquivalenztheorie (Conditio-sine-qua-non-Formel). Danach ist eine Handlung (Bedingung) kausal, wenn sie nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele.

★ Wichtiger Hinweis

Die sogenannte Adäquanztheorie wird im Strafrecht nicht mehr zur Kausalitätsbestimmung herangezogen.

Zudem gilt es noch ein Augenmerk auf den Begriff der „Handlung“ zu legen, da dieser Begriff innerhalb der conditio-Formel hinsichtlich einer Strafbarkeitsprüfung von Bedeutung sein kann.

Dementsprechend stellt sich die Frage, was in diesem Zusammenhang unter einer Handlung zu verstehen ist. Mit dieser Frage beschäftigen sich einige Ansichten, die hier in Kürze dargestellt sind.

  • Kausale Handlungslehre: Danach ist eine Handlung jede willensgetragene Körperbewegung, die zu einer Veränderung in der Außenwelt führt. Auf einen ziel- und zweckgerichteten Willen kommt es hierbei also nicht an. Probleme ergeben sich dabei, dass dieser Ansatz schon hinsichtlich der Versuchsstrafbarkeit Schwierigkeiten bekommt und zu keiner befriedigenden Lösung kommen kann.
  • Finale Handlungslehre: Handlung = jedes willensgetragene, zweckgerichtete (zielgerichtetes) Verhalten. Da es sich hierbei um ein zweckgerichtetes Verhalten handelt (der Täter also sein Verhalten bewusst lenkt), gerät diese Ansicht bei Fahrlässigkeitsdelikten (insbesondere bei unbewusster Fahrlässigkeit) gehörig ins Wanken.
  • Soziale Handlungslehre (h.M): jedes willensgetragene, sozialerhebliche Verhalten.

Dabei gilt es noch zu klären, was unter einem sozialerheblichen Verhalten zu verstehen ist.

Sozialerhebliches Verhalten = ein äußerliches Verhalten, welches objektiv vorhersehbare soziale Folgen für die Umwelt mit sich bringt.

Da es sich also um äußere Verhaltensweisen handeln muss, können daher Handlungen, die sich nur im Innenleben eines Menschen abspielen, kein sozial erhebliches Verhalten darstellen. Dementsprechend stellen innere Geschehnisse wie Gedanken, Gesinnungen oder Wünsche keine Handlung dar.

✱ Fallbeispiel

A wünscht sich sehnlichst den Tod des B herbei. B verstirbt bei einer Achterbahnfahrt infolge eines Herzinfarktes.

Hierbei stellt das Herbeiwünschen des Todes als lediglich innerlicher Vorgang keine strafrechtlich relevante Handlung dar.

II. Handlungsfähigkeit

Ferner gilt es zu klären, wem überhaupt Handlungsfähigkeit zukommt. Schließlich kann nur dann eine strafrechtlich relevante Handlung vorgenommen werden, wenn Handlungsfähigkeit gegeben ist.

1. Personengesellschaften

Rechtsfähige Personengesellschaften gelten als nicht handlungsfähig, mit der Folge, dass solche nicht strafrechtlich sanktioniert werden können.

2. Juristische Personen

Ebenso fehlt juristischen Personen die Handlungsfähigkeit, womit auch diese nicht strafrechtlich belangt werden können.

★ Wichtiger Hinweis

In diesem Zusammenhang ist eine strafrechtliche Verantwortung einzelner Personen über die Organ- und Vertreterhaftung nach §§ 14 StGB, 9, 29, 30 OWiG denkbar.

3. Natürliche Personen

Natürliche Personen sind selbstverständlich handlungsfähig, unabhängig von Alter und Geisteszustand – natürlicher Wille steht im Fokus (nicht zu verwechseln mit der Überprüfung von Schuldfähigkeit; dabei geht es eher um die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit bei Tatbegehung)

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III. Willensunabhängige Verhaltensweisen

1. Reflexbewegungen

Eine Handlung liegt überhaupt nicht vor, wenn es sich um reine Reflexbewegungen handelt. = kein willensgetragenes Verhalten

2. Bewusstlosigkeit

In einem Zustand der Bewusstlosigkeit liegt ebenso keine Handlung vor. Denn es fehlt an einer willentlichen Steuerung.

★ Wichtiger Hinweis

Hierbei sollte also beachtet werden, dass die Handlungsqualität immer dann fehlt, wenn der Steuerungsapparat gänzlich ausgefallen ist. Weitere Beispiele wären demnach Verhaltensweisen während des Schlafens oder auch während eines Krampfes (epileptische Anfälle).

Anmerkung: An dieser Stelle soll kurz darauf hingewiesen werden, dass in einer Klausur die Handlungsqualität eher selten im Fokus stehen dürfte.Text

B. Kausalitätsformen im Überblick

I. Ausgangspunkt: Conditio-sine-qua-non-Formel

Wie oben schon erwähnt, stellt die Conditio-sine-qua-non-Formel den Ausgangspunkt für die Bestimmung der Kausalität dar. In bestimmten Ausnahmefällen kann eine Modifizierung dieser Grundformel erforderlich sein (dazu weiter unten mehr). Grundformel: Eine Handlung ist kausal, wenn sie nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der konkrete Erfolg entfiele.

✱ Fallbeispiel

A schneidet B mit der Machete den Kopf ab. B stirbt sofort.

Würde man hier die Handlung des A wegdenken, hätte B noch seinen Kopf und wäre noch lebendig. Damit würde also der konkrete Erfolg entfallen.Text

II. Überholende Kausalität

Bei der überholenden Kausalität wird ein bereits in Gang gesetzter Kausalverlauf durch einen anderen, später in die Wege geleiteten Kausalverlauf, eingeholt und letztlich überholt. Für die Bestimmung der Kausalität ist sodann das Zweitereignis maßgeblich.

✱ Fallbeispiel

A mischt dem schmackhaften Döner des B ein absolut tödliches, jedoch langsam wirkendes Gift bei. Noch bevor das Gift seine Wirkung entfaltet, spaziert der C vorbei und gibt auf B einen tödlichen Schuss mit der Armbrust ab. B ist sofort tot.

In diesem Fall ist C´s Handlung kausal für den Erfolg.

III. Hypothetische Reserveursachen

Hierbei gilt es zu beachten, dass eine hypothetische Reserveursache zur Bestimmung von Kausalitätsfragen unbeachtlich bleibt. Was genau unter einer hypothetischen Reserveursache (auch hypothetische Kausalität genannt) zu verstehen ist, soll nun folgendes Beispiel verdeutlichen.

✱ Fallbeispiel

A möchte eine Kreuzfahrt unternehmen. Kurz bevor er auf das Schiff steigen möchte, kommt B um die Ecke und erschießt A. Das Schiff legt ab und geht später unter. Alle Passagiere sterben

Hier bleibt B´s Handlung kausal für A´s Tod. Dass A ohnehin später auf der Kreuzfahrt gestorben wäre (hypothetische Reserveursache), spielt keine Rolle.

IV. Alternative Kausalität

Bei der alternativen Kausalität verursachen zwei voneinander unabhängige Handlungen, gleichzeitig den Erfolg. Dabei muss jede einzelne Handlung für sich zur Erfolgsverursachung ausreichend sein! Bei solch einer Konstellation gelangt die Conditio-sine-qua-non-Formel zu keinem befriedigenden Ergebnis, sodass diese eine leichte Modifizierung erfahren muss.

✱ Fallbeispiel

A und B bringen unabhängig voneinander je eine tödliche Menge Sprengstoff an C ´ s Auto an. Sobald C die Tür öffnet, soll das Auto explodieren. C öffnet am nächsten Tag die Autotür und das Auto explodiert, C stirbt sofort.

Hier würde eine schlichte Anwendung der Conditio – sine – qua – non – Grundformel zu einem unbefriedigenden Ergebnis führen. Würde man nämlich entweder A´s oder B´s Handlung hinwegdenken, wäre C trotzdem tot – der Erfolg würde also nicht entfallen. Dies würde in der Konsequenz bedeuten, dass weder A noch B kausal für C´s Tod gewesen wären.

Um daher zu einem befriedigenden Ergebnis zu gelangen, erfährt die Conditio-sine-qua-non-Formel eine Modifikation: Von mehreren Bedingungen, die zwar alternativ, jedoch nicht kumulativ hinweggedacht werden können, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele, ist jede (Bedingung/Handlung) erfolgsursächlich. Dadurch sind A und B kasual für C´s Tod und man kommt zu einem sinnvollen Ergebnis.

V. Kumulative Kausalität

Bei der kumulativen Kausalität wird der Erfolg erst durch das Zusammenwirken zwei voneinander unabhängiger Handlungen herbeigeführt. Jede einzelne Handlung für sich betrachtet, würde den Erfolg also nicht herbeiführen.

✱ Fallbeispiel

Ehefrau A und Sohn B mischen unabhängig voneinander eine jeweils nicht tödliche Menge Gift in C´s Getränk, wobei allerdings die Gesamtmenge eine tödliche Wirkung erzielt. C trinkt und stirbt.

In diesem Fall führt schon die Anwendung der Conditio-sine-qua-non-Formel – ohne modifizierende Maßnahmen – zu einem sinnvollen Ergebnis. Würde man entweder A´s oder B´ s Handlung hinwegdenken, entfiele der Erfolg.

VI. Quasi-Kausalität

Die Quasi-Kausalität kommt bei Unterlassungsdelikten zum Einsatz. Auch hier bedarf es einer Modifizierung der ursprünglichen Conditio-sine-qua-non-Formel: Eine Kausalität ist sodann zu bejahen, wenn die nicht vorgenommene, rettende Handlung nicht hinzugedacht werden kann, ohne dass der konkrete Erfolg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht eingetreten wäre.

✱ Fallbeispiel

A befindet sich mit seinem Sohn S auf einem Schiff, welches bei stürmischer See im Inbegriff ist zu sinken. Ein Rettungsschiff eilt zur Hilfe herbei, kann jedoch den S aufgrund der schlechten Wetterbedingungen nur retten, wenn A den S zu den Rettungshelfern hinunterwirft. A tut dies nicht, aus Sorge S könnte sich dabei verletzen. S stirbt. Hätte A seinen Sohn S vom Schiff geworfen, wäre S wohl mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht gestorben.

A war hier also kausal für den Tod seines Sohnes S. Und der Wurf zu den Rettern hätte seinen Sohn laut Sachverhalt mit hoher Wahrscheinlichkeit gerettet.

VII. Generelle Kausalität

Hierbei geht der BGH davon aus, dass ein kausaler Zusammenhang zu bejahen sei, wenn zwar der konkret schadensbildende Umstand unerkannt bleibt, es allerdings klar ist, dass alle anderen möglichen Schadensursachen nicht einschlägig sein können.

✱ Fallbeispiel

A schlägt 20-mal mit dem Hammer auf B ein. B stirbt. Im Nachhinein lässt sich leider nicht mehr aufklären, welcher Schlag genau zum Tod des B geführt habt.

Hier lässt sich zwar nicht mehr aufklären, welcher Schlag genau zum Tode geführt hat. Hätte A allerdings nicht auf den B eingeschlagen, so wäre B nicht gestorben. Wenn also keine andere mögliche Ursache für den Tod von B in Betracht kommt, so ist A für den Erfolg kausal gewesen.

C. Wiederholungsfragen

Frage 1: Die Kausalität im Strafrecht bestimmt sich nach herrschender Meinung über die Adäquanztheorie. Richtig oder falsch ?

Frage 2: Für die Bestimmung einer Handlung greift die herrschende Meinung auf die finale Handlungslehre zurück. Richtig oder falsch?

Frage 3: Juristische Personen und rechtsfähige Personengesellschaften sind nicht handlungsfähig. Richtig oder falsch?

Frage 4: Hypothetische Reserveursachen sind zur Bestimmung der Kausalität zu berücksichtigen. Richtig oder falsch?

Frage 5: Eine Handlung kann nicht im Zustand der Bewusstlosigkeit-beispielsweise beim Schlafwandeln-vorgenommen werden.

D. Lösungen

Frage 1: Falsch. Die herrschende Meinung bestimmt die Kausalität über die Conditio-sine-qua-non-Formel.

Frage 2: Falsch. Die Handlungsqualität ist nach herrschender Meinung über die soziale Handlungslehre zu bestimmen.

Frage 3: Richtig. Weder juristische Personen noch rechtsfähige Personengesellschaften besitzen Handlungsfähigkeit.

Frage 4: Falsch. Hypothetische Reserveursachen sind zur Bestimmung der Kausalität nicht zu berücksichtigen.

Frage 5: Richtig. Im Zustand der Bewusstlosigkeit liegt gerade keine Handlung im Sinne der Conditio-sine-qua-non-Formel vor.

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Das Wichtigste im Überblick: Checkliste

  • Bestimmung der Kausalität über die Conditio-sine-qua-non-Formel = h.M.
  • In bestimmten Konstellationen muss die Conditio-Formel modifiziert werden
  • Adäquanztheorie findet im Strafrecht zur Kausalitätsbestimmung keine Anwendung
  • „Handlung“ im Sinne der Conditio-Formel wird über die soziale Handlungslehre (= H.M) bestimmt
  • Keine Handlungsfähigkeit bei juristischen Personen und rechtsfähigen Personengesellschaften
  • Handlung (-) bei Bewusstlosigkeit und Reflexbewegungen
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