Anspruchskonkurrenz BGB – Herausgabeanspruch

Anspruchskonkurrenz des allgemeinen Herausgabeanspruches, des Anspruchs auf Herausgabe des Erlöses und der Nutzungen aus Vertrag, Gesetz, Sachenrecht.

Datum
Rechtsgebiet Gesetzliche Schuldverhältnisse
Ø Lesezeit 16 Minuten
Foto: OneStockPhoto/Shutterstock.com

Dieser Aufsatz soll zeigen, in welchem Verhältnis die Herausgabeansprüche aus Vertrag, Gesetz und Sachenrecht zueinander stehen. Dabei wird auch auf das Verhältnis der einzelnen Ansprüche auf die Herausgabe des Erlöses sowie der Nutzungsherausgabe eingegangen.

Die für eine Herausgabe in Betracht kommenden Ansprüche sind:

Aus Vertrag:

  • Pflicht zur Rückgabe nach Vertragsbeendigung
  • Pflicht zur Rückgabe nach erfolgter Rückabwicklung (§ 346 I ggf. i.V.m. § 355 ff. BGB)
  • Herausgabe des Surrogats nach § 285 BGB
  •  § 280 I i.V.m. § 249 I BGB (Naturalrestitution)

Vertragsähnliche Herausgabeansprüche:

Sachenrechtliche Herausgabeansprüche:

  • § 985 BGB/Verweisungen (aus Eigentum/andere dinglich Berechtigte)
  • §§ 861 I, 1007 I und II BGB (aus früherem Besitz)

Aus ungerechtfertigter Bereicherung:

Aus deliktischer Handlung:

A. Vertragliche Herausgabeansprüche

I. Nach Vertragsbeendigung

Ansprüche auf Herausgabe der Sache aus Vertrag entstehen, wenn das auf Zeit zum Besitz berechtigende Vertragsverhältnis endet. Entsprechende Ansprüche enthalten z.B. § 604 (Leihe), § 546 (Miete), § 695 (Verwahrung) und § 667 (Auftrag) BGB.

Fraglich ist in diesen Fällen das Verhältnis zu dem Anspruch des Eigentümers aus § 985 BGB. Nach der früher vertretenen Lehre vom Vorrang des Vertragsverhältnisses sollte der Anspruch aus § 985 BGB durch die vertraglichen oder gesetzlichen Herausgabeansprüche verdrängt werden. Nach heute absolut herrschender Meinung sind die Ansprüche jedoch nebeneinander anwendbar. Die vertraglichen Ansprüche haben nämlich ihren Sinn und Zweck darin, dass auch Personen Herausgabe verlangen können, die nicht Eigentümer der Sache sind. Des Weiteren würde dem Anspruch aus § 985 BGB ansonsten fast nur bei abhanden gekommenen Sachen Bedeutung zukommen.

Es besteht Anspruchskonkurrenz, wenn der Anspruchsinhaber zugleich Eigentümer ist. Probleme entstehen, wenn der Vermieter, Verleiher o.ä. nicht der Eigentümer der Sache ist. Wer kann von dem besitzenden Dritten nun Herausgabe der Sache verlangen? Hier ist danach zu differenzieren, ob der Inhaber des vertraglichen Anspruchs (also dem aus §§ 604, 546 BGB etc.) gegenüber dem Eigentümer ein Recht zum Besitz hatte und ob er zudem zur Weitergabe der Sache befugt war. Trifft beides zu, steht dem Besitzer ein abgeleitetes Besitzrecht nach § 986 I 1 Alt. 2 BGB zu und der Anspruch aus § 985 BGB des Eigentümers entfällt von vornherein. Hat der Anspruchsinhaber zwar ein Besitzrecht, durfte die Sache aber nicht an den Dritten weitergeben, kann er Herausgabe an sich nach einem der o.g. Ansprüche fordern. Der Eigentümer kann gem. § 986 I 2 BGB ebenfalls nur Herausgabe an den mittelbaren Besitzer verlangen. Steht dem mittelbaren Besitzer allerdings kein Recht zum Besitz zu ist fraglich, an wen der Besitzer die Sache herauszugeben hat. Nach einer Ansicht kann er die Herausgabe an seinen Vertragspartner nach § 242 BGB verweigern, da er sich andernfalls gegenüber dem Eigentümer nach §§ 989, 990 BGB schadensersatzpflichtig machen würde und der nicht berechtigte mittelbare Besitzer die Sache ohnehin sofort an den Eigentümer herauszugeben hätte. Nach h.M. kann er mangels Kenntnis vom Innenverhältnis zwischen Eigentümer und mittelbarem Besitzer die Sache an seinen Vertragspartner zurückgeben, ohne einem Anspruch nach §§ 989, 990 BGB ausgesetzt zu sein. Die Einrede nach § 242 BGB steht ihm deshalb nicht zu.

II. Nach Rückabwicklung des Vertrags infolge Rücktritts/Widerruf

Nach § 346 I BGB hat der Rückgewährschuldner nach erfolgtem Rücktritt die empfangenen Leistungen (v.a. Eigentum, Besitz) zurückzugeben oder bei Unmöglichkeit der Herausgabe ggf. nach § 346 II BGB Wertersatz zu leisten. In Betracht kommen gesetzliche (§§ 323, 324, 326 V ggf. i.V.m. §§ 437 Nr. 2, 440 oder §§ 634 Nr. 3, 636 BGB) und vertragliche Rücktrittsrechte. Zudem gibt es zahlreiche Verweisungen auf die §§ 346 ff. BGB (z.B. §§ 281 V, 326 IV, 441 IV BGB). Auch im Fall des Verbraucherwiderrufs verweist § 357 BGB für die Rückabwicklung auf die §§ 346 ff. BGB. Wie bereits dargestellt verdrängen die §§ 346 ff. BGB nicht den Anspruch aus § 985 BGB (so nach der Lehre vom Vorrang des Vertragsverhältnisses). Ausführlich zu den Rechtsfolgen des Rücktritts siehe auch den Aufsatz „Die Rechtsfolgen des Rücktritts nach § 346 BGB„.

III. § 285 BGB

§ 285 BGB gewährt einen Anspruch auf das stellvertretende commodum, d.h. den Ersatzgegenstand, den der Schuldner infolge der Unmöglichkeit der eigentlich geschuldeten Leistung erhalten hat. Von der Herausgabepflicht wird nicht nur das unmittelbare Surrogat erfasst (z.B. Versicherungssumme, sog. commodum ex re), sondern auch das rechtsgeschäftliche Surrogat (z.B. Veräußerungserlös, sog. commodum ex negotiatone).

Besondere Probleme ergeben sich im Hinblick auf das Verhältnis zu § 985 BGB, wenn dem Besitzer infolge der Veräußerung der geschuldeten Sache die Herausgabe unmöglich geworden ist. Nach absolut h.M. ist § 285 BGB in den genannten Konstellationen nicht neben § 985 BGB anwendbar. Hierfür sprechen folgende Argumente: Im Fall einer Anspruchskonkurrenz käme es zu einer Anspruchshäufung beim Eigentümer. Dieser könnte gegen den früheren Besitzer nach § 285 BGB und gegen den neuen Besitzer nach § 985 BGB  vorgehen, da dieser infolge des Abhandenkommens kein Eigentum erwerben konnte. Nur § 816 BGB sieht nach erfolgter Weiterveräußerung einen Anspruch auf Herausgabe des Veräußerungserlöses vor, da hier die Veräußerung gerade wirksam ist (dazu unten genauer). Zudem bilden die §§ 989, 990 BGB abschließende Sonderregelungen zugunsten des Eigentümers, falls die Herausgabe der Sache unmöglich geworden ist. Vor allen Dingen scheitert der § 285 BGB schon an den Anspruchsvoraussetzungen. Denn obwohl die Herausgabepflicht auch rechtsgeschäftliche Surrogate erfasst, muss zwischen der unmöglich gewordenen Verpflichtung und dem rechtsgeschäftlichen Erlös wirtschaftliche Identität gegeben sein. Denn im Fall der Weiterveräußerung schuldete der frühere Besitzer dem Eigentümer die Herausgabe des Besitzes. Der spätere Besitzer zahlt den Kaufpreis, also den Erlös, hingegen zwecks Erlangung des Eigentums. Demzufolge muss die Erlösherausgabe nach den §§ 985, 285 BGB ausscheiden.

IV. §§ 280 I, 249 BGB

Letztlich kommt bei einer vertraglichen Pflichtverletzung stets ein Anspruch aus § 280 BGB in Betracht, der in Verbindung mit § 249 I BGB (Naturalrestitution) auf die Herausgabe des Erlangten gerichtet sein kann.

B. Vertragsähnliche Herausgabeansprüche

I. C.i.c. (§§ 280 I, 241 II, 311 II iVm § 249 I BGB)

Auch bei einer vorvertraglichen Pflichtverletzung kommt wegen § 249 I BGB als Rechtsfolge die Herausgabe in Frage.

II. Geschäftsführung ohne Auftrag

Wegen einer unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag kann ebenfalls Herausgabe geschuldet sein. Hier ist nach Art der GoA zu differenzieren.

1. Echte GoA

Im Rahmen der echten GoA ist zwischen der berechtigten und der unberechtigten GoA zu unterscheiden. Die Voraussetzungen der GoA sind: Führen eines fremden Geschäfts, mit Fremdgeschäftsführungswillen, ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung sowie das Handeln im Interesse oder mit dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn.

Handelt es sich um eine berechtigte GoA, ist der Geschäftsführer wie der Beauftragte nach §§ 681 S. 2, 667 BGB zur Herausgabe verpflichtet. Hiervon wird auch die Herausgabe eines eventuell erzielten Erlöses erfasst.

Die berechtigte GoA stellt einen Rechtsgrund im Rahmen der bereicherungsrechtlichen Ansprüche sowie einen Rechtsfertigungsgrund innerhalb des Deliktsrechts dar. Derartige Ansprüche sind folglich bei Vorliegen der Voraussetzungen der GoA ausgeschlossen. Demnach ist die GoA in der Klausur stets zuerst zu prüfen.

Umstritten ist die Anwendbarkeit der GoA bei nichtigen oder beendeten Verträgen. Nach Ansicht der Rechtsprechung ist die GoA anwendbar. Der Fremdgeschäftsführungswille wird hiernach vermutet. Grund für die Anwendbarkeit der GoA ist, dass derjenige, der aufgrund eines nichtigen oder beendeten Vertrags tätig wird, nicht schlechter stehen soll als derjenige, der ohne jegliche Verpflichtung handelt. Nach Auffassung der Literatur sind die §§ 812 ff. BGB in diesen Fällen spezieller und verdrängen die GoA. Hierfür spricht, dass das Bereicherungsrecht gerade für die Rückabwicklung nichtiger Verträge konzipiert wurde und ansonsten auch die Einschränkungen nach den §§ 814, 817 S. 2 und 818 III BGB umgangen würden.

Im Fall der unberechtigten GoA hat der Geschäftsführer gegenüber dem Geschäftsherrn nach § 684 S. 1 BGB einen Anspruch auf Herausgabe des durch die Geschäftsführung Erlangten. Hierbei handelt es sich um eine Rechtsfolgenverweisung auf das Bereicherungsrecht, also die §§ 818 ff. BGB. Welche Ansprüche dagegen dem Geschäftsherrn zustehen, ist umstritten. Nach einer Ansicht soll dem Geschäftsherrn wie bei der berechtigten GoA ein Anspruch nach §§ 681 S. 2, 667 BGB zustehen. Dies wird damit begründet, dass der Geschäftsführer im Rahmen der unberechtigten GoA nicht besser stehen dürfe als der berechtigte. Nach anderer Ansicht soll der Geschäftsführer nicht dem Anspruch aus §§ 681 S. 2, 667 BGB ausgesetzt sein. Wolle der Geschäftsherr diesen geltend machen, müsse er eben die Geschäftsführung gem. § 684 S. 2 BGB genehmigen. Die Vertreter dieser Auffassung führen an, dass der Genehmigungsmöglichkeit ansonsten keine relevante Bedeutung zukäme.

2. Unechte GoA

Die unechte GoA umfasst sowohl die irrtümliche, als auch die angemaßte Eigengeschäftsführung. Erkennt der Geschäftsführer die objektive Fremdheit des Geschäfts nicht und geht irrtümlich davon aus, ein eigenes Geschäft zu besorgen, finden die §§ 677 bis 686 BGB nach § 687 I BGB keine Anwendung. Es gelten mithin die allgemeinen Vorschriften (z.B. Bereicherungsrecht, Delikt). Führt der Geschäftsführer dagegen wissentlich ein objektiv fremdes Geschäft als sein eigenes aus, kann der Geschäftsherr gem. § 687 II BGB nach §§ 681 S. 2, 667 BGB Herausgabe verlangen. Macht er diesen Anspruch geltend, so ist der Geschäftsherr nach §§ 687 II 2, 684 S. 1 BGB ebenfalls gegenüber dem Geschäftsführer zur Herausgabe des Erlangten verpflichtet. Diese etwas widersprüchliche Verweisung meint jedoch, dass der Geschäftsherr im Fall der Geltendmachung dem Geschäftsführer die getätigten Aufwendungen nach Bereicherungsrecht zu ersetzten hat. § 687 II BGB ist insoweit abschließend hinsichtlich der dem Geschäftsführer zustehenden Ansprüche, die §§ 812 ff. BGB finden daneben keine Anwendung mehr. Des Weiteren sind die Verweisungen auf die Vorschriften der GoA zu beachten, besonders die Vorschrift des § 994 II BGB im EBV.

C. Sachenrechtliche Herausgabeansprüche

I. Herausgabeanspruch des Eigentümers gem. § 985 BGB/Verweisungen

Der wichtigste sachenrechtliche Anspruch ist der des Eigentümers gem. § 985 BGB. Des Weiteren wird für andere dinglich Berechtigte auf diese Vorschrift verwiesen, wie z.B. in § 1065 BGB (Nießbrauch) oder in § 1227 BGB (Pfandrecht). Anspruchsinhalt ist die Übertragung des Besitzes in seiner jeweiligen Form (streitig bei Vorgehen gegen den unmittelbaren Besitzer). Im Fall von Geld kommt regelmäßig nur noch der Rechtsfortwirkungsanspruch aus §§ 951, 812 ff. BGB in Betracht. Voraussetzung ist das Vorliegen eines Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses. Der Anspruchsinhaber muss Eigentümer der Sache sein, der Anspruchsgegner dagegen Besitzer und er darf ferner kein Recht zum Besitz i.S.d. § 986 BGB haben. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 993 I HS. 2 BGB entfaltet das EBV Sperrwirkung gegenüber anderen Ansprüchen. Dies gilt jedoch nur für Ansprüche auf Nutzungen und Schadensersatz. Herausgabeansprüche, wie beispielsweise aus Delikt oder Bereicherungsrecht, werden hiervon nicht verdrängt. Zu beachten ist aber, dass bei Vorliegen eines Anspruchs nach den §§ 823 ff i.V.m. § 249 I BGB der Übergang auf eine Entschädigung in Geld nach § 250 BGB nur möglich ist, wenn der Schädiger bösgläubig oder verklagt ist, da ansonsten die Wertungen des EBV umgangen würden. Probleme bereitet dagegen die Anwendbarkeit der Vorschriften des allgemeinen Schuldrechts auf den § 985 BGB, da es sich um einen dinglichen Anspruch handelt. Wie bereits dargestellt, ist § 285 BGB unanwendbar. Streitig ist dagegen die Anwendbarkeit der §§ 286, 281 und 283 BGB.

II. Herausgabeansprüche aus früherem Besitz gem. §§ 861 I, 1007 I, II BGB

Sehr relevant sind weiterhin der possessorische Besitzherausgabeanspruch aus § 861 I BGB sowie der petitorische Besitzherausgabeanspruch nach § 1007 I und II BGB. Diese stehen zu § 985 BGB in Anspruchskonkurrenz und sollten in jeder Herausgabeklausur zumindest kurz angesprochen werden. Die Ansprüche sind auf die Verschaffung des unmittelbaren Besitzes gerichtet, es sei denn der Anspruchsinhaber ist lediglich mittelbarer Besitzer (dann § 896 S. 2 BGB analog).

D. Herausgabeansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung

Im Rahmen des Bereicherungsrechts kommen zahlreiche Anspruchsgrundlagen in Frage, die grundsätzlich auf die Herausgabe des Erlangten gerichtet sind. Diese sind: §§ 812 I 1 Var. 1, 812 I 2 Var. 1, 812 I 2 Var. 2, 817 S. 1 und 813 I 1 (Leistungskondiktionen) sowie §§ 812 I 1 Var. 2, 816 I 1, 816 I 2, 816 II und 822 BGB (Nichtleistungskondiktionen). Das erlangte Etwas kann jeder vermögenswerte Vorteil sein. Anspruchsinhalt kann zunächst die Herausgabe des Eigentums sein, sofern der Anspruch aus § 985 BGB  infolge des Eigentumsübergangs nicht mehr besteht. Ein Vorgehen nach § 812 I 1 Var. 2 BGB (Eingriffskondiktion) ist jedoch im Fall des gutgläubigen Erwerbs nicht möglich, da dieser kondiktionsfest bleiben muss und zudem einen Rechtsgrund für den Erwerb darstellt. Des Weiteren kann im Zuge der Leistungskondiktion auch nur der Besitz herausverlangt werden. Dies gilt jedoch nicht für die Eingriffskondiktion. Hier kann nur der rechtmäßige Besitz herausverlangt werden, da ansonsten die spezielleren §§ 861 ff. BGB umgangen würden. Darüber hinaus können auch alle anderen vermögensrechtlichen Vorteile, wie z.B. Grundbuchpositionen oder Schuldanerkenntnisse  Anspruchsinhalt sein. Ob der Anspruch aus § 816 I 1 BGB auch den Veräußerungserlös oder nur den objektiven Wert erfasst, ist umstritten (dazu unten).

E. Deliktische Herausgabeansprüche

Letztlich kommen noch als deliktische Ansprüche die §§ 823 ff. BGB in Frage. Wie die vertraglichen Ansprüche können sie in Verbindung mit § 249 I BGB auf Herausgabe gerichtet sein (Naturalrestitution). Zu beachten ist, dass sie neben der berechtigten GoA ausgeschlossen sind. Zu sämtlichen vertraglichen, vertragsähnlichen, sachenrechtlichen und bereicherungsrechtlichen Ansprüchen herrscht Anspruchskonkurrenz. Streitig ist, inwiefern der Besitz im Rahmen des § 823 I BGB geschützt ist. Vergleicht man ihn mit den anderen in § 823 I BGB genannten Rechtsgütern fällt auf, dass diese sämtlich absolute Rechte darstellen. Demnach kann nur der berechtigte Besitz geschützt sein, da ihm im Gegensatz zum unberechtigten Besitz neben der Ausschluss- auch eine Nutzungsfunktion zukommt. Auch aus der Verübung verbotener Eigenmacht kann sich eine Herausgabepflicht ergeben, da § 858 BGB nach herrschender Ansicht ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 II BGB darstellt.

F. Erlösherausgabe

Besonderheiten ergeben sich auch, wenn explizit nach der Herausgabe des Veräußerungserlöses gefragt ist. Hier ist vor allem an diese Ansprüche zu denken:

  • § 285 BGB
  • GoA (§§ 681 S. 2, 667 BGB)
  • § 816 BGB

Nach herrschender Meinung erfasst § 285 BGB über seinen Wortlaut hinaus auch das sog. commodum ex negotiatione, also auch das rechtsgeschäftliche Surrogat wie den Veräußerungserlös.

Im Rahmen der echten GoA erfasst die Herausgabepflicht des Geschäftsführers nach §§ 681 S. 2, 667 BGB auch einen eventuell erzielten Gewinn. Ob dieser Anspruch neben der berechtigten auch bei der unberechtigten GoA anzuwenden ist, ist umstritten (s.o. zur GoA).

Sehr relevant ist auch der Anspruch aufgrund der entgeltlichen Verfügung eines Nichtberechtigten gem. § 816 I 1 BGB. Der vormals Berechtigte, der sein Eigentum aufgrund des gutgläubigen Erwerbs des Dritten verloren hat, kann von dem veräußernden Nichtberechtigten das erlangte Etwas herausverlangen. Eine analoge Anwendung auf Vermietung oder Verpachtung scheidet nach herrschender Ansicht aus. Streitig ist aber, worauf der Anspruch aus § 816 I 1 BGB gerichtet ist. Nach einer Ansicht ist nur der objektive Wert herauszugeben. Begründet wird dies damit, dass der Verfügende infolge der Verfügung lediglich die Befreiung von seiner vertraglichen Verbindlichkeit erlangt hat. Da diese Befreiung ihrer Natur nach nicht herausgegeben werden kann, ist nach § 818 II BGB Wertersatz zu leisten. Hierbei gilt anerkanntermaßen ein objektiver Maßstab. Des Weiteren dürfe dem ehemaligen Eigentümer das Verhandlungsgeschick des Veräußernden nicht zugutekommen. Nach herrschender Meinung ist dagegen das tatsächlich Erlangte, also auch ein etwaig erzielter Veräußerungserlös herauszugeben. Hierfür spricht, dass der Berechtigte auch das Risiko einer Veräußerung unter Wert trägt, da er dann in jedem Fall nur das tatsächlich Erlangte herausverlangen kann. Des Weiteren entspricht es der bereicherungsrechtlichen Systematik jede vorhandene Bereicherung abzuschöpfen.

Klausurtechnik Buchcover
Neu

Klausurtechnik

Eine Anleitung zur erfolgreichen Lösung juristischer Klausuren

In Jura ist die Frage, wo man etwas in der Klausur anbringt, mindestens so wichtig wie die abgefragten Rechtskenntnisse. Dieses Buch ist eine Anleitung, wie du juristische Klausuren erfolgreich löst.

Bei Amazon kaufen

G. Nutzungsherausgabe

Besonderheiten bestehen ebenfalls hinsichtlich der Herausgabe von Nutzungen. Gem. § 100 BGB sind unter Nutzungen Früchte einer Sache oder eines Rechts (vgl. § 99 BGB) und Gebrauchsvorteile zu verstehen. Die Herausgabepflicht kann sich teilweise aus den oben dargestellten allgemeinen Herausgabeansprüchen ergeben, aber auch speziellen Vorschriften, die auf die Herausgabe von Nutzungen gerichtet sind. Bestehen die Nutzungen in einer Sache, kann sowohl die Übereignung als auch die reine Besitzverschaffung geschuldet sein. Handelt es sich dagegen um Gebrauchsvorteile, kommt nach der Natur der Sache nur eine Wertersatzpflicht in Betracht.

Die möglichen Ansprüche sind:

Nach erfolgtem Rücktritt:

  • § 346 I BGB
  • § 347 I BGB

Aus EBV:

  • §§ 987 ff. BGB

Aus Bereicherungsrecht:

  • §§ 812 ff. i.V.m. § 818 I bzw. II BGB

I. Nutzungsherausgabe nach erfolgtem Rücktritt

Gem. § 346 I BGB hat der Rückgewährschuldner die gezogenen Nutzungen herauszugeben. Darüber hinaus ist hinsichtlich der erlangten Gebrauchsvorteile nach § 346 II Nr. 1 BGB Wertersatz zu leisten. Nicht gezogene Nutzungen müssen nach § 347 I BGB nur erstattet werden, wenn sie nach den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft hätten gezogen werden müssen. Ausnahmen von der Wertersatzpflicht sehen die §§ 346 III 1 Nr. 3 und 347 I 2 BGB bei Beachtung der eigenüblichen Sorgfalt im Fall des gesetzlichen Rücktrittsrechts vor.

II. Nutzungsherausgabe im EBV

Besteht eine Vindikationslage können die Nutzungen nach den §§ 987 ff. BGB herausverlangt werden. Es ist danach zu differenzieren, ob der Besitzer redlich und unverklagt ist oder nicht. Es ergeben sich folgende Ansprüche:

  • Nach § 993 I HS. 2 BGB grds. kein Anspruch gegen den redlichen, unverklagten Besitzer
  • § 988 BGB ggü. dem unentgeltlichen Besitzer
  • § 987 BGB gegen den verklagten Besitzer
  • §§ 990 I, 987 BGB ggü. dem bösgläubigen Besitzer
  • §§ 992, 823 BGB gegen den deliktischen Besitzer

Der gutgläubige und unverklagte Besitzer ist privilegiert und soll nach § 993 I HS. 2 BGB grundsätzlich keinen Ansprüchen auf Nutzungsherausgabe ausgesetzt sein. Deliktische oder bereicherungsrechtliche Ansprüche scheiden also aufgrund der Sperrwirkung des EBV aus. Allerdings hat er nach § 993 I HS. 1 BGB die Übermaßfrüchte nach Bereicherungsrecht herauszugeben.

Der redliche und unverklagte Besitzer muss die Nutzungen allerdings herausgeben, sofern er den Besitz unentgeltlich erlangt hat. § 988 BGB enthält eine Rechtsfolgenverweisung auf das Bereicherungsrecht, nach § 818 I BGB umfasst die Herausgabepflicht auch die gezogenen Nutzungen. Einer der klassischen Streitstände im EBV ist die Frage, ob der rechtsgrundlose Besitzer einem unentgeltlichen Besitzer gleichzustellen ist. Ursache dieses Streits ist der Wertungswiderspruch zwischen wirksamer und unwirksamer Übereignung im Fall des gescheiterten Kaufs. Ist sie wirksam, besteht ein Anspruch auf Nutzungsersatz nach § 818 I BGB. Ist die Übereignung allerdings gescheitert, würde grundsätzlich die Sperrwirkung des EBV mit der Privilegierung des redlichen, unverklagten Besitzers greifen. Bejaht man die Gleichstellung, könnte der Eigentümer nach §§ 988, 818 I BGB gegen den rechtsgrundlosen Erwerber vorgehen. Nach Ansicht der Rechtsprechung ist § 988 BGB analog anzuwenden, da der rechtgrundlose Besitzer wie der unentgeltliche Besitzer keine Gegenleistung erbringen muss. Nach Ansicht der Literatur ist dagegen eine Ausnahme von der Sperrwirkung des EBV zu machen und die § 812 ff. BGB, genauer die Leistungskondiktion, finden Anwendung. Beide Ansichten sind gut vertretbar. Unterschiede ergeben sich nur im Dreipersonenverhältnis. Wendet man § 988 BGB analog an, kann der Eigentümer direkt gegen den Dritten vorgehen, dieser kann diesem gegenüber keinerlei Einreden geltend machen. Folgt man der Literatur erfolgt die Rückabwicklung wie im Bereicherungsrecht üblich in den jeweiligen Leistungsbeziehungen, also übers Eck. Eventuell bestehende Einreden bleiben dem Dritten erhalten.

Der bösgläubige oder verklagte Besitzer haftet nach §§ 987 I, 990 I BGB in vollem Umfang. Zudem muss er nach § 987 II BGB auch die schuldhaft nicht gezogenen Nutzungen ersetzen. Eine Ausnahme hierzu bildet § 991 I BGB.

Letztlich haftet der deliktische Besitzer gem. § 992 BGB zugleich nach Delikt. Die Sperrwirkung des EBV greift hier nicht. Im Fall der leicht fahrlässig verursachten verbotenen Eigenmacht kann sogar eine deliktische Haftung des redlichen Besitzers in Frage kommen. Geschuldet ist nach § 249 I BGB Naturalrestitution, gegebenenfalls Wertersatz nach § 251 I BGB.

III. Nutzungsherausgabe nach Bereicherungsrecht

Stellt das erlangte Etwas im Rahmen des § 812 BGB eine Nutzung dar, so ist diese unmittelbar herauszugeben. Wurden aus dem Erlangten darüber hinaus Nutzungen gezogen, sind diese nach § 818 I BGB ebenfalls von der Herausgabepflicht erfasst. Dies gilt jedoch nur, sofern diese tatsächlich gezogen wurden.

Seal

All unsere Beiträge werden von Hand geschrieben und von einer Richterin regelmäßig überprüft. Wir setzen keine künstliche Intelligenz bei der Erstellung unserer Inhalte ein, da wir nur so die gewohnt hohe Qualität gewährleisten können.

Benötigst du Hilfe? In unserem Einzelunterricht gehen wir auf all deine Fragen ein und bereiten dich effektiv auf anstehende Prüfungen vor. Schreib uns bei WhatsApp und erfahre mehr.