Anspruchsgrundlagen im EBV

Wichtige Anspruchsgrundlagen für die BGB-Klausur mit Schwerpunkt EBV. Von Schadensersatz über notwendige u. nützliche Verwendungen zu Nutzungsersatz.

Datum
Rechtsgebiet Sachenrecht
Ø Lesezeit 11 Minuten
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Das EBV zeichnet sich genauso wie das Leistungsstörungsrecht im Schuldrecht AT oder das Gewährleistungsrecht beim Kaufvertrag durch eine Vielzahl unterschiedlicher Anspruchsgrundlagen aus. Ziel dieses Artikels ist die systematische Zusammenfassung der wichtigsten Anspruchsgrundlagen im EBV. Zu den Schwerpunkten einer EBV-Klausur siehe den Artikel: „Die EBV-Klausur“.

Vorliegen eines Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses (EBV)

Das Vorliegen eines EBV hängt immer von einer Vindikationslage ab. Die Voraussetzungen einer Vindikationslage prüft man als ersten Prüfpunkt in jeder Anspruchsgrundlage des EBV. Diese ist quasi die „Eintrittskarte“ in die weitere Prüfung eines jeden Anspruches aus dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis. Für das Vorliegen einer Vindikationslage muss bezüglich des streitbefangenen Gegenstandes eine Partei Eigentümer sein. Die andere Partei muss Besitzer der Sache sein und darf kein Recht zum Besitz an dieser Sache haben. Dies ergibt sich aus § 986 I BGB. Ein Recht zum Besitz kann sich im Regelfall aus einem Verpflichtungsgeschäft wie zB. einem Kaufvertrag oder aus Miete, Leihe, Verwahrung etc. ergeben. Indes ist ein Zurückbehaltungsrecht etwa nach § 273 I BGB oder § 1000 BGB nach h.M. nicht als Recht zum Besitz iSd. § 986 I BGB einzuordnen. Ein Zurückbehaltungsrecht gibt dem Inhaber der Sache nur ein Druckmittel zur Leistungserbringung der Gegenseite an die Hand. Im übrigen muss der Inhaber der Sache jederzeit leistungsbereit sein. Damit fehlt es dem aus einem Zurückbehaltungsrecht Berechtigten gerade an einem umfassenderen Nutzungsrecht an der Sache, wie es die Verpflichtungsgeschäfte dem Berechtigten regelmäßig in unterschiedlichem Umfang einräumen.

Zulässiger Anspruchsteller und zulässiger Anspruchsgegner

Als Anspruchsteller und Anspruchsgegner kommen jeweils Eigentümer und Besitzer in Betracht. Wie oben festgestellt darf der Besitzer kein Recht zum Besitz haben, um ein Eigentümer-Besitzer-Verhältnis bejahen zu können. Demnach ist der Besitzer im EBV ein unrechtmäßiger Besitzer. Bei dem Besitzer muss zwischen dem gutgläubigen Besitzer ohne Besitzrecht und dem bösgläubigen Besitzer ohne Besitzrecht unterschieden werden. Die Unterscheidung ist wichtig, da für beide Typen von Besitzern unterschiedliche Anspruchsgrundlagen einschlägig sind.

Ansprüche des Eigentümers

Die Ansprüche des Eigentümers differenzieren sich in den Anspruch auf Herausgabe der Sache, die Ansprüche auf Schadensersatz bei Unmöglichkeit der Herausgabe oder Verschlechterung der herauszugebenden  Sache und den Anspruch auf Ersatz der Nutzungen.

Anspruch auf Herausgabe

aus § 985 BGB

Der Eigentümer hat bei Vorliegen einer Vindikationslage in erster Linie einen Anspruch auf Herausgabe gegenüber dem Besitzer aus § 985 BGB. Der herauszugebende Gegenstand kann sowohl eine bewegliche als auch eine unbewegliche Sache sein, wie z.B. Grundstücke.

Einordnung des Anspruches

Der Anspruch auf Herausgabe der Sache ist ein dinglicher Anspruch, er wirkt somit gegenüber jedermann. Nach h.M. kann der Herausgabeanspruch aus dem Eigentum nicht unabhängig vom Eigentum abgetreten werden. Der Herausgabeanspruch kann der allgemeinen Verjährungsfrist von drei Jahren nach § 195 BGB unterliegen. Eine Abspaltung des Herausgabeanspruches vom Eigentum hätte demnach zur Folge, dass bei einem verjährten Herausgabeanspruch der Eigentümer sein Eigentum nicht mehr mit einem durchsetzbaren Herausgabeanspruch zurückverlangen kann. Dies würde das absolute Eigentumsrecht „leerlaufen“ lassen, womit die Möglichkeit einer Abspaltung des Herausgabeanspruches vom Eigentum abzulehnen ist.

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Abgrenzung zu Ansprüchen aus dem „eigentlichen“ EBV

Wenn die Sache dem Eigentümer nicht mehr herausgegeben werden kann, greifen die Regelungen des „eigentlichen“ EBV´s ein. An Stelle des Herausgabeanspruches tritt dann nämlich ein gesetzliches Schuldverhältnis, welches die Rechte zwischen dem Eigentümer und dem Besitzer regelt. Dieses gesetzliche Schuldverhältnis sowie die aus diesem Schuldverhältnis erwachsenden Ansprüche nennt man „das EBV“. Bei Unmöglichkeit der Herausgabe der Sache entsteht zwischen dem Eigentümer und dem Besitzer ein von Gesetzes wegen angeordnetes Schuldverhältnis, welches „Eigentümer-Besitzer-Verhältnis“ genannt wird. Aus diesem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis erwachsen dem Eigentümer Ansprüche auf Schadensersatz und auf Nutzungsersatz gegenüber dem unberechtigten Besitzer. Ebenfalls gewährt dieses gesetzliche Schuldverhältnis auch dem unrechtmäßigen Besitzer bestimmte Ansprüche gegen den Eigentümer. Davon wird weiter unten die Rede sein. Festzuhalten bleibt, dass man bei den Ansprüchen des Eigentümers zwischen dem dinglichen, gegenüber jederman wirkenden Herausgabeanspruch und den schuldrechtlichen, nur gegenüber dem unrechtmäßigen Besitzer wirkenden Ansprüchen auf Schadensersatz und Nutzungsherausgabe unterscheiden muss.

Ansprüche auf Schadensersatz

aus §§ 989,990 I BGB

Unter den Voraussetzungen des  §§ 989, 990 I BGB kann der Eigentümer vom Besitzer Schadensersatz verlangen. Dies setzt das Vorliegen einer Vindikationslage zwischen ihm und dem Besitzer voraus. Weiterhin muss der Besitzer bösgläubig sein. Der Besitzer ist bösgläubig, wenn er weiß, dass er kein Recht zum Besitz gegenüber dem Eigentümer hat. Weiterhin muss der Eigentümer einen Schaden nachweisen, welchen der Besitzer rechtswidrig und schuldhaft verursacht hat.

aus § 989 BGB

Ein Anspruch auf Schadensersatz nach § 989 BGB setzt Rechtshängigkeit voraus. Dem Anspruch aus § 989 BGB geht demnach die Einreichung einer Klage des Eigentümers auf Herausgabe seines -vermeintlichen- Eigentums voraus. Die Klageschrift wird dem verklagten Besitzer als Klagegegner zugestellt. Ab diesem Zeitpunkt muss der Besitzer damit rechnen, dass der Kläger tatsächlich der wahre Eigentümer ist und ihm damit ein Anspruch auf Herausgabe der Sache zusteht. Ab dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit entsteht damit zum Schutze des Eigentümers zwischen Eigentümer und Besitzer genauso ein gesetzliches Schuldverhältnis wie zwischen dem Eigentümer und dem bösgläubigen Besitzer nach §§ 989, 990 I BGB. Aufgrund dieses durch § 989 BGB angeordneten gesetzlichen Schuldverhältnisses findet der § 276 BGB Anwendung und der unrechtmäßige Besitzer muss damit für schuldhafte Verschlechterungen an der streitbefangenen Sache oder deren schuldhaften Untergang Schadensersatz leisten. Die vollständigen Anspruchsvoraussetzungen wären: Vorliegen einer Vindikationslage, also Kläger muss Eigentümer sein, Klagegegner Besitzer, welcher kein Recht zum Besitz haben darf, und an die Stelle der Bösgläubigkeit des Besitzers, wie es der §§ 989, 990 I BGB fordert, tritt die Rechtshängigkeit einer Herausgabeklage des Eigentümers. Daran schließen sich die Prüfpunkte Schaden an der Sache des Eigentümers sowie rechtswidrige und schuldhafte Verursachung dieses Schadens durch den unrechtmäßigen Besitzer an. In der gängigen EBV-Klausur überwiegen indes die Fälle, in denen es auf die Bösgläubigkeit des Besitzers und damit mehr auf die Anspruchsgrundlage des §§ 989, 990 I BGB ankommt.

aus §§ 992, 823 I BGB

Einen weiteren Schadensersatzanspruch kann der Eigentümer gegen den Besitzer unter den Voraussetzungen der §§ 992, 823 I BGB geltend machen. Einstiegsvoraussetzung ist auch hier wieder die Vindikationslage, d.h. der Anspruchssteller muss Eigentümer und der Anspruchsgegner muss unrechtmäßiger Besitzer sein. Als weitere Voraussetzung muss der Besitzer den Besitz durch eine verbotene Eigenmacht i.S.d. § 858 BGB oder durch eine Straftat erlangt haben. Erst nach Bejahung dieser Voraussetzung können die Tatbestandsmerkmale des § 823 I BGB geprüft werden. Der unrechtmäßige Besitzer muss demnach ein Rechtsgut verletzt haben durch eine zurechenbare Handlung. Weiterhin muss durch die Rechtsgutverletzung ein Schaden adäquat kausal verursacht worden sein. Der Schaden muss vom Besitzer weiterhin rechtswidrig und schuldhaft verursacht werden.  An den in § 992 BGB normierten Einstiegsvoraussetzungen für eine Prüfung des § 823 I BGB wird die grundsätzlich abschließende Regelung des EBV deutlich.

aus §§ 990 II, 280 I, II, 286 I BGB

Der Eigentümer hat ebenfalls einen Anspruch gegen den unrechtmäßigen und bösgläubigen Besitzer auf Ersatz des Verzögerungsschadens bei verspäteter Herausgabe der im Eigentum des Anspruchstellers stehenden Sache. Macht der Eigentümer demnach seinen Anspruch aus § 985 BGB gegenüber dem Besitzer geltend, so entsteht mit diesem Herausgabeverlangen ebenfalls ein gesetzliches Schuldverhältnis. Aufgrund dieses gesetzlichen Schuldverhältnisses kann der Eigentümer den unrechtmäßigen und bösgläubigen Besitzer auf Schadensersatz in Anspruch nehmen, wenn sich dieser gegenüber dem Herausgabeverlangen des Eigentümers  im Schuldnerverzug befindet und dem Eigentümer dadurch ein Schaden entstanden ist.

Ansprüche auf Ersatz der Nutzungen

aus §§ 987 I, 990 I BGB

Nutzungen kann der Eigentümer unter den Voraussetzungen der §§ 987, 990 BGB verlangen. Nach Feststellung einer Vindikationslage muss die Bösgläubigkeit des Besitzers festgestellt werden. Schließlich muss der Besitzer Nutzungen i.S.d. §§ 99, 100 BGB gezogen haben. Der Eigentümer bekommt die Nutzungen nach §§ 987, 990 BGB nur ersetzt, wenn der Besitzer die Nutzungen nach Eintritt der Bösgläubigkeit gezogen hat.

aus § 988 BGB

Nach § 988 BGB kann der Eigentümer vom Besitzer die von diesem aus der Sache gezogenen Nutzungen herausverlangen, wenn eine Vindikationslage vorliegt und der Besitzer, welcher die Nutzungen gezogen hat, zum Zeitpunkt der Ziehung der Nutzungen gutgläubig war. Die dem Eigentümer gehörende Sache muss der gutgläubige unrechtmäßige Besitzer entweder unentgeltlich oder rechtsgrundlos erlangt haben. Zwar spricht der § 988 BGB nur von der unentgeltlichen Besitzerlangung, die Rechtsprechung stellt indes den rechtsgrundlos erlangten Besitz dem unentgeltlich erlangten Besitz gleich.

Ansprüche des gutgläubigen Besitzers

auf Ersatz seiner notwendigen Verwendungen

aus  § 994 I BGB

Der gutgläubige Besitzer kann im Gegensatz zum bösgläubigen Besitzer Ersatz sowohl für notwendige wie auch für nützliche Verwendungen, welche er auf die dem Eigentümer herauszugebende Sache gemacht hat, verlangen. Nach h.M. sind Verwendungen alle vom Besitzer getroffenen Maßnahmen, welche der Sache selbst zugute kommen.  Notwendige Verwendungen sind Maßnahmen, welche dem Erhalt der Sache selbst zu dienen bestimmt sind. Diese notwendigen Verwendungen kann der Besitzer unter den Voraussetzungen des § 994 I BGB ersetzt verlangen. Dazu muss eine Vindikationslage vorliegen. Weiterhin muss der Besitzer gutgläubig sein, d.h. er muss bei Vornahme der Verwendungen irrigerweise davon ausgegangen sein, dass er ein Recht zum Besitz habe. Schließlich müssen die vom unrechtmäßigen und gutgläubigen Besitzer getroffenen Maßnahmen als notwendige Verwendungen einzuordnen sein. Bei Bejahung aller Anspruchsvoraussetzungen besteht ein Anspruch des unrechtmäßigen, gutgläubigen Besitzers gegen den Eigentümer auf Ersatz der vom Besitzer gemachten notwendigen Verwendungen auf die Sache des Eigentümers.

auf Ersatz seiner nützlichen Verwendungen

aus § 996 BGB

Weiterhin kann der gutgläubige, unrechtmäßige Besitzer einen Anspruch auf Ersatz der auf die Sache gemachten nützlichen Verwendungen haben. Die Anspruchsvoraussetzungen sind die gleichen wie bei § 994 I BGB. Die nützlichen Verwendungen sind indes außer von den notwendigen noch von den Luxusverwendungen abzugrenzen, für welche kein Ersatz gewährt wird. Unter Luxusverwendungen versteht man solche, auf die Sache gemachten Verwendungen, welche nicht zu einer objektiven Wertsteigerung der Sache führen. Als Luxusverwendungen sind mithin solche Maßnahmen zu bezeichnen, welche lediglich zu einer subjektiven Wertsteigerung der Sache für denjenigen führen, welcher die Verwendungen vorgenommen hat. Haben die vorgenommenen Verwendungen aber keinen objektiven Marktwert, so sind sie nicht als nützliche Verwendungen und damit auch nicht als ersatzfähige Verwendungen einzustufen.

Ansprüche des bösgläubigen Besitzers

auf Ersatz seiner notwendigen Verwendungen

aus §§ 994 II, 683, 677, 670 BGB

Der bösgläubige Besitzer, d.h. also der Besitzer, welcher weiß, dass er kein Recht zum Besitz hat, kann grundsätzlich nur die auf die Sache gemachten notwendigen Verwendungen unter erschwerten Voraussetzungen vom Eigentümer ersetzt verlangen. Die Voraussetzungen, unter denen der bösgläubige Besitzer die von ihm gemachten notwendigen Verwendungen ersetzt verlangen kann, sind folgende: Es muss eine Vindikationslage vorliegen. Weiterhin muss der Besitzer hinsichtlich seines Besitzrechtes bösgläubig sein. Schließlich müssen die Voraussetzungen einer berechtigten GoA vorliegen, mit Ausnahme des Fremdgeschäftsführungswillens. Mithin sind folgende weitere Voraussetzungen zu prüfen: Der bösgläubige Besitzer muss mit Vornahme der Verwendungen auf die Sache ein fremdes Geschäft geführt haben. Weiterhin wird auf das Erfordernis des Fremdgeschäftsführungswilles verzichtet. Als nächstes Tatbestandselement wird damit gefordert, dass die Geschäftsführung im Interesse des Geschäftsherrn liegt und mit dessen Willen erfolgte. Schließlich muss es sich bei den vom Besitzer vorgenommenen Maßnahmen um notwendige Verwendungen handeln, d.h. um solche, welche dem Erhalt der Sache zu dienen bestimmt sind.

Anmerkung

Zu dem Thema dieses Artikels kann ein vertiefender Crashkurs gebucht werden oder ein Coaching im Repetitorium stattfinden.

Zu den gesetzlichen Schuldverhältnissen siehe auch die Artikel „Die EBV-Klausur“, „Anspruchsgrundlagen der GoA-Klausur“ sowie „Anspruchsgrundlagen im Bereicherungsrecht“ und „Anspruchsgrundlagen Delikt“. Für eine Übersicht aller Beiträge und Klausurfälle siehe unter „Artikel“. Für eine Übersicht weiterer Anspruchsgrundlagen aus dem BGB siehe „Anspruchsgrundlagen BGB“.

Näheres zur verfassungsrechtlichen Bedeutung des Eigentums: „Das Eigentum Art. 14 I 1 GG

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