Der gutgläubige Erwerb im Handelsrecht, § 366 I HGB

Bevor man sich dem gutgläubigen Erwerb im Handelsrecht widmet, sollte man sich bereits mit dem gutgläubigen Eigentumserwerb nach den §§ 929 S.1, 932 I 1 BGB beschäftigt haben und die sachenrechtlichen Grundlagen beherrschen. Auf diese Weise können bestehende Parallelen sowie Unterschiede am besten verinnerlicht werden.

Datum
Rechtsgebiet Handelsrecht
Ø Lesezeit 4 Minuten
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Wird in einer Klausur die Norm des § 366 I HGB thematisiert, werden sachenrechtliche mit handelsrechtlichen Problematiken miteinander verbunden. Der gutgläubige Erwerb im Handelsrecht wird meist im Rahmen von schuldrechtlichen oder sachenrechtlichen Ansprüchen Anwendung finden.

A. Veräußerung oder Verpfändung einer beweglichen Sache (§ 929 S.1 BGB)

Die Norm des § 366 I HGB verlangt, dass die Veräußerung oder Verpfändung einer beweglichen Sache stattgefunden hat. Es muss also eine dingliche Einigung über den Eigentumsübergang, die Übergabe einer beweglichen Sache sowie das Einigsein im Zeitpunkt der Übergabe nach § 929 S.1 BGB vorliegen.

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Zu problematisieren ist im Rahmen des § 929 S.1 BGB im weiteren Verlauf der Prüfung standardgemäß die Berechtigung des Verkäufers. Der Verkäufer wird regelmäßig weder Eigentümer noch verfügungsberechtigt sein. Bevor man jedoch voreilig § 366 I HGB prüft, sollte man immer zunächst an den gutgläubigen Erwerb des Eigentums nach § 932 I 1 BGB denken. Erst wenn dieser ausgeschlossen werden kann – weil der Empfänger nicht gutgläubig gegenüber der Eigentümerstellung des Verkäufers ist – sollte an die handelsrechtliche Regelung des § 366 I HGB gedacht werden.

B. Kein Abhandenkommen der Sache, § 935 BGB

Die Sache, die veräußert wird, darf außerdem nicht abhanden gekommen sein. Ein Abhandenkommen liegt dann vor, wenn ein Eigentümer den unmittelbaren Besitz an einer Sache unfreiwillig verloren hat. Abhanden gekommen ist die Sache nach § 935 I BGB beispielsweise dann, wenn sie dem Eigentümer gestohlen, verloren gegangen oder auf andere Weise abhanden gekommen ist. Der Eigentümer soll auf diese Weise geschützt werden.

C. Kaufmannseigenschaft des Veräußerers

Der gutgläubige Erwerb nach § 366 I HGB findet nur dann Anwendung, wenn der Veräußerer die Kaufmannseigenschaft nach den §§ 1 – 6 HGB inne hat.

D. Im Betrieb eines Handelsgewerbes (§§ 343, 344 HGB)

Die Veräußerung muss im Betrieb des Handelsgewerbes erfolgen. Der gute Glaube daran, es handele sich um ein Handelsgeschäft des Veräußerers, genügt nicht. Es muss sich vielmehr tatsächlich um ein Handelsgeschäft handeln. Handelsgeschäfte sind alle Geschäfte eines Kaufmannes, die zum Betrieb seines Handelsgewerbes gehören.

E. Guter Glaube des Erwerbers (§ 932 II BGB analog)

Da der Verkäufer regelmäßig nicht Eigentümer ist und dem Käufer dies auch bekannt sein wird, ist § 932 II BGB zumindest nicht direkt anwendbar. § 932 II BGB schützt nämlich nur den guten Glauben an das Eigentum des Veräußerers, nicht aber den guten Glauben an die Verfügungsbefugnis (§ 185 I BGB). Im Rahmen des § 366 I HGB kommt jedoch eine analoge Anwendung des § 932 II BGB und damit ein gutgläubiger Erwerb dann in Betracht, wenn der Käufer an die bestehende Verfügungsbefugnis des Kaufmannes glaubt. Der gutgläubige Erwerb im Handelsrecht gem. § 366 I HGB macht also gewissermaßen dann eine Ausnahme, wenn ein Kaufmann im Betrieb seines Handelsgewerbes eine ihm nicht gehörende Sache veräußert und der Käufer dies auch weiß. Nach dieser Vorschrift genügt es für die Annahme eines gutgläubigen Erwerbs, dass der gute Glaube des Erwerbers die Befugnis des Veräußerers betrifft, über die Sache des Eigentümers zu verfügen. § 366 I HGB schützt also den guten Glauben an die Verfügungsbefugnis des Veräußerers und erweitert somit den guten Glauben des BGB im Handelsverkehr.

Fraglich ist des Weiteren, ob § 366 I HGB auch bei einer fehlenden Vertretungsmacht anwendbar ist. Dem Wortlaut nach geht die Norm erst einmal nur von einer fehlenden Verfügungsbefugnis aus. Der Fall, dass jemand in fremdem Namen handelt, ohne Vertretungsmacht zu haben, der Erwerber jedoch gutgläubig hinsichtlich der Existenz der Vertretungsmacht ist, ist somit nicht umfasst. Dennoch wendet die herrschende Meinung in diesem Fall § 366 I HGB analog an, da es Sinn und Zweck der Norm ist, im Interesse der Sicherheit des Handelsverkehrs einen verstärkten Schutz des gutgläubigen Erwerbers zu gewährleisten. Zu beachten ist jedoch, dass bei fehlender Vertretungsmacht das zugrunde liegende Verpflichtungsgeschäft nach § 177 I BGB schwebend unwirksam ist. Willigt der bisherige Eigentümer also nicht ein, hat er gegen den Erwerber einen Anspruch auf Rückübereignung oder Wertersatz nach § 812 I 1, 1. Alt. BGB.

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