Begehungsformen der Teilnahme II: Beihilfe

Begehungsformen der Teilnahme: hier Beihilfe, Problemdarstellung und Lösungsansätze sowie der aktuelle Meinungsstand der Literatur und Rechtsprechung

Datum
Rechtsgebiet Strafrecht
Ø Lesezeit 1 Minute
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A. Einleitung

Dieser Artikel beschäftigt sich mit den in den §§ 26, 27 StGB niedergelegten Begehungsformen der Teilnahme, die von der Täterschaft abzugrenzen ist. Sowohl für die Anstiftung als auch für die Beihilfe gilt dabei der wichtige Grundsatz, dass das Vorliegen einer Haupttat zuerst untersucht werden muss. Dies folgt aus der sogenannten Akzessorietät, womit die Abhängigkeit der Teilnahme von der Haupttat beschrieben wird.

Denkbar ist es darüber hinaus, dass Abgrenzungsschwierigkeiten festzustellen sind, wobei bei der Anstiftung häufig zur mittelbaren Täterschaft, bei der Beihilfe hingegen zur Mittäterschaft abgegrenzt werden muss. Die dazugehörigen Streitfragen sollten vorrangig – und nicht erst im Kontext der Teilnahme – dargestellt werden.

Beispiel

bekommt einen niedrigen Anteil an der Beute, war in die Planung nicht involviert und hat auch sonst keinerlei Beiträge erbracht. Wenn wir also nun davon ausgehen, dass C als Gehilfe einzuordnen ist, wäre die Reihenfolge in der Prüfung folgendermaßen: Bei A und B kämen in solchen Konstellationen häufig Raub bzw. räuberische Erpressung in Betracht. Es wäre eine diesbezügliche Mittäterschaft zu untersuchen, wobei bereits an dieser Stelle der Beitrag des C geprüft wird. Sollte dies nicht für eine Täterschaft ausreichen, würde man mit der Prüfung von A und B fortfahren und die Strafbarkeit von C zunächst verneinen. Erst im Anschluss geht man auf eine etwaige Teilnahme des C ein. Wichtig ist also, dass die Frage nach der Täterschaft schon zuvor negiert wurde, um eine inzidente Prüfung zu vermeiden.

B. Die Tatbestandsvoraussetzungen der Beihilfe

I. Vorsätzliche und rechtswidrige Haupttat

Diesbezüglich sind keine Besonderheiten zu verzeichnen. Es wird auf die Ausführungen zur Anstiftung verwiesen.

II. Teilnehmerbeitrag

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1.) Hilfeleistung

Der Begriff des Gehilfen sowie der Wortlaut des § 27 StGB implizieren es bereits. Es bedarf einer Hilfeleistung.  Darunter ist jede Handlung zu verstehen, welche die Herbeiführung des Taterfolges durch den Haupttäter objektiv fördert oder erleichtert. Dabei kommt es nicht darauf an, ob dieses Verhalten für den Haupttäter erkennbar ist oder nicht, sodass auch die heimliche Beihilfe die Voraussetzungen erfüllt. Denkbar ist etwa die Konstellation, in der B zufällig vor einer Bank steht, die gerade ausgeraubt wird. Sofern nun ein Polizist vorbeikommt und B die Sicht auf das Geschehen verdeckt, um den „Kapitalismusschweinen“ eins auszuwischen, kommt es nicht darauf an, ob der Täter dies erfahren hat oder nicht. Wenn der Polizist nun fortschreitet und der Raub oder die räuberische Erpressung hierdurch erleichtert oder gar erst ermöglicht wird, läge eine vollendete Beihilfe vor.

Fraglich ist, ob auch Unterstützungshandlungen im Vorbereitungsstadium erfasst sind. Sollte etwa der A einen Schlüssel aushändigen, um dem Dieb Zutritt zu der Wohnung des verhassten Nachbarns zu verschaffen, wäre zu diesem Zeitpunkt die Versuchsschwelle bzgl. der Haupttat noch gar nicht überschritten. Gleichwohl wäre eine Beihilfe dann gegeben, wenn dieser Beitrag bis zur Vollendung fortwirkt. Mit anderen Worten genügt eine solche Hilfestellung nicht, die sich in der Vorbereitung erschöpft, es muss ihr Einfluss auf die Tatvollendung selbst erkennbar sein. Wenn in unserem Beispielsfall der ausgehändigte Schlüssel zum Einsatz kommt, wäre das unproblematisch zu bejahen. Kniffliger sind die Fälle, in denen der Beitrag gegenstandslos wird, weil zum Beispiel die betreffende Tür bloß angelehnt war und es keines Schlüssels bedurfte. Hierfür muss man sich merken, dass die oben umschriebene Hilfeleistung nicht zwingend physischer Natur sein muss. Es genügt gerade auch eine psychische Beihilfe. Wenn also die Tür offen stand, hat der Nachbar vielleicht keine bis zur Vollendung fortwirkende physische Beihilfe geleistet. Aber falls es dem Sachverhalt entnommen werden kann, dass der Haupttäter erst durch diese nicht benötigte Hilfe die mentale Hemmschwelle überschreiten konnte, wurde die Tat letztendlich doch ermöglicht.

Merke: Die Beihilfe ist sowohl in physischer als auch in psychischer Form denkbar. Während die erste Alternative eine körperliche Unterstützung meint, präsentiert sich die psychische Beihilfe vielfältiger. Sowohl Ratschläge als auch die Bestärkung eines bereits vorhandenen Tatentschlusses (sonst Anstiftung!) fallen hierunter. Man muss indes vorsichtig die Grenzen zur Straflosigkeit ziehen; die bloße Anwesenheit am Tatort kann nicht ohne Weiteres als Bestärkung des Tatentschlusses angesehen werden (etwa wenn jemand bei einer Schlägerei zuschaut).

2.) Kausalität

Es stellt sich die Frage, ob ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Gehilfenbeitrag sowie der (gelungenen) Tat gegeben sein muss. Klar ist, dass es einerseits nicht genügt, wenn die Handlung des „Gehilfen“ und die Haupttat überhaupt nicht in Verbindung zueinander stehen. Andererseits ist man sich in der Literatur und Rechtsprechung weitgehend darüber einig, dass hier weder Äquivalenz- noch Adäquanztheorie Geltung beanspruchen können. Vorzugswürdigerweise sollte man sich für eine Klausur den Begriff der Verstärkerkausalität einprägen. Das bedeutet, dass die Anforderungen nicht zu hoch sein sollten. Wie sollten typische Fälle der Beihilfe – etwa das „Schmiere stehen“ – geahndet werden, wenn nun niemand am Tatort vorbeikommt. Eine Straflosigkeit, die dann vom Zufall abhängen würde, wäre unerträglich, zumal eine versuchte Beihilfe nicht existiert. Es genügt also eine kausale Steigerung der Erfolgschancen, mithin muss die Wahrscheinlichkeit erhöht werden, dass durch diese Hilfeleistung die Tat tatsächlich gelingt. Ob der Beitrag letztendlich hierfür verantwortlich war oder nicht, spielt keine Rolle, wenn er denn bis zur Vollendung fortwirkte. Dies mag auf den ersten Blick verwirrend erscheinen, inwiefern ein nutzloser Beitrag doch noch fortwirken kann. Es ist aber ein Unterschied, ob sich ein Verhalten nur im Vorfeld der Tat abspielt und für die Tat als solche gänzlich bedeutungslos ist (keine Beihilfe) oder ob der Teilnehmer bis zum Schluss – mindestens bis zur Überschreitung der Versuchsschwelle – beteiligt ist, sein Beitrag aber tatsächlich nicht erforderlich war (grundsätzlich Beihilfe denkbar). Denn im zweiten Fall hat der Teilnehmer wenigstens die Chancen einer erfolgreichen Begehung steigern können!

Klausurtipp: Sollte im Einzelfall die Abgrenzung komplex sein, kann man auch wie folgt vorgehen: Man spricht die physische Beihilfe an, hinterfragt die Kausalität und lässt sie offen. Sodann geht man auf die psychische Beihilfe ein und gelangt ggf. zu dem Resultat, dass jedenfalls der Tatentschluss des Haupttäters bestärkt worden ist und diese Bestärkung bis zur Vollendung fortwirkte. Man sollte sich also merken, dass ein Erfolg des Gehilfen nicht nötig ist. Entscheidend ist die Erhöhung der Erfolgschancen!

III. Doppelvorsatz

Wie bereits bei der Anstiftung erläutert, muss sich der Vorsatz des Teilnehmers sowohl auf die vorsätzliche und rechtswidrige Haupttat als solche als auch auf den eigenen Teilnehmerbeitrag beziehen. Im Kontext der Anstiftung wurden bereits auch die Probleme hinsichtlich der Bestimmtheit dargestellt. Dazu muss man sich gut einprägen, dass die Anforderungen bei der Beihilfe grundsätzlich niedriger sind. Zum einen differieren die Strukturen. Der Anstifter weckt überhaupt erst den Tatentschluss des Haupttäters und greift das geschützte Rechtsgut eigenständig an; es ist folglich logisch, wenn er ein genaueres und vollständigeres Bild von der Tat im Kopf hat als der Gehilfe, der die die Tat bloß fördert. Zum anderen ist das Strafmaß des § 27 StGB niedriger, da eine obligatorische Strafmilderung vorgesehen ist.

Merke: Der Anstifter hat eine bestimmte Tat vor Augen, der Gehilfe hingegen hat den Tatentschluss nicht hervorgerufen. Er unterstützt bloß ein fremdes Geschehen mit untergeordnetem Beitrag. Daraus folgt, dass der Bezugspunkt bei § 26 StGB ein konkret- individualisiertes Geschehen darstellen muss. Für § 27 StGB genügt es dagegen, wenn der Gehilfe die Vornahme der Haupttat als hinreichend wahrscheinlich einstuft, sodass er etwaige Einzelheiten vom Ablauf nicht kennen muss. Das bei der Anstiftung erwähnte Beispiel, wonach dem Täter geraten wird, eine „Tankstelle zu machen“, genügt somit zwar nicht für die Anstiftung, wohl aber für die Beihilfe.

IV. Rechtswidrigkeit und Schuld

Hier sind die auch sonst bekannten und einschlägigen Rechtfertigungs– und Entschuldigungsgründe zu untersuchen.

C. Sonderfall: Berufstypische Handlungen

I. Problemdarstellung

Vielfältige Alltagssituationen könnten hier aufgelistet werden, die ohne weiteres die Voraussetzungen der Beihilfe erfüllen würden. Bloß exemplarisch soll auf einige wenige eingegangen werden:

  • Fahrt eines Taxifahrers, der einen Dieb zum Tatort befördert
  • Verkauf von Werkzeugen, die später für Körperverletzungs- und Tötungsdelikte eingesetzt werden
  • Der Wirt, der Alkohol ausschenkt, wodurch sich der Täter Mut für die Tatbegehung antrinken kann.

Da der dolus eventualis an sich genügen würde, wäre es in den vorgenannten Fällen bereits ausreichend, wenn der Berufstätige die Vornahme einer Straftat als möglich ansieht und diese billigend in Kauf nimmt. Fraglich ist, wie man dieses Dilemma lösen sollte. Bevor auf den Meinungsstand eingegangen wird, muss man sich überlegen, an welcher Stelle man diesen überhaupt platzieren sollte. M. E. nach ist es vorzugswürdig, diesem Problem einen eigenständigen Prüfungspunkt nach dem Gehilfenvorsatz, aber vor der Rechtswidrigkeit zu widmen. Man könnte ihn sodann mit „Restriktion aus verfassungsrechtlichen Gründen“ betiteln.

II. Meinungsstand

1.) Keine Einschränkung geboten

Nach einer Ansicht dürfe für derartige Fälle keine Einschränkung erfolgen, d. h. das Ergebnis würde nicht korrigiert werden. Dafür spreche, dass § 27 StGB seinem Wortlaut nach keine Ausnahme vorsehe, die Vorschrift mithin keine Privilegierung für Berufstätige zulasse.

2.) Einschränkung aus verfassungsrechtlichen Gründen

Die herrschende Meinung widerspricht dieser Ansicht. Obgleich die dogmatischen Anknüpfungspunkte vielfältig sind, sind die Argumente weitestgehend identisch. Der Berufstätige übe eine legale und verfassungsrechtlich nach Art. 12 GG geschützte Tätigkeit aus. Es würde seine wirtschaftliche Handlungsfreiheit zu sehr einschränken, wenn er jedes Mal dazu verpflichtet wäre, den Verwendungszweck des von ihm verkauften Produktes zu hinterfragen.

a) Objektiver Ansatz

Nach einem objektiven Ansatz ist mit dem Kriterium der objektiven Zurechnung zu operieren. Es stellt sich die Frage, ob tatsächlich eine rechtlich missbilligte Gefahr geschaffen worden ist, die sich im Erfolg realisierte. In der Regel wird dies zu verneinen sein, da sich der Berufstätige meist sozialadäquat verhalten wird (sog. professionelle Adäquanz). Es handelt sich also um eine Abgrenzung nach Verantwortungsbereichen. Daraus resultiert aber keine generelle Straflosigkeit. Sollte der Berufstätige daher ein anderes Wissen haben, d. h. Kenntnis von einer geplanten Straftat, läge der Fall anders.

b) Subjektiver Ansatz

Als Pendant wird auch ein subjektiver Ansatz bemüht. Diese Ansicht verlangt einen deliktischen Sinnbezug der Hilfeleistung. Das bloße Möglichhalten einer Straftat genügt also auch hier nicht. Die Handlung verliert aber ihre „Unschuld“ – also ihren Alltagscharakter – dann, wenn nicht nur dolus eventualis vorliegt, sondern Wissentlichkeit im Sinne des dolus directus 2. Grades. Weiß der Unterstützer sicher, dass ein strafbarer Kontext gegeben ist, kann er sich nicht mehr auf seine ansonsten legale Tätigkeit berufen.

Der Streitstand muss dergestalt erörtert werden, dass man sich zwischen der ersten und der zweiten Meinung entscheiden muss (das „ob“ der Einschränkung). Die dogmatische Bewerkstelligung hingegen im Sinne eines objektiven oder subjektiven Ansatzes sollte beschrieben und zugunsten des subjektiven Ansatzes entschieden werden, da dies der Ansatz des BGHist. Der BGH führt hierzu aus (Beschl. v. 21.12.2016 − 1 StR 112/16 (LG Koblenz):

„Als Hilfeleistung im Sinne des § 27 StGB ist grundsätzlich jede Handlung anzusehen, welche die Herbeiführung des Taterfolgs des Haupttäters objektiv fördert, ohne dass sie für den Erfolg selbst ursächlich sein muss. Die Hilfeleistung muss auch nicht zur Ausführung der Tat selbst geleistet werden, es genügt schon die Unterstützung bei einer vorbereitenden Handlung. Das kann grundsätzlich auch durch äußerlich neutrale Handlungen geschehen.

Berufstypische Handlungen, wie etwa Beratungs- oder Unterstützungshandlungen von Rechtsanwälten, können eine strafbare Beihilfe darstellen. Weder Alltagshandlungen noch berufstypische Handlungen sind in jedem Fall neutral; denn nahezu jede Handlung kann in einen strafbaren Kontext gestellt werden.

Für die Strafbarkeit berufstypischer „neutraler“ Handlungen als Beihilfe zu einer Straftat kommt es darauf an, ob der Hilfeleistende weiß, dass der Haupttäter seinen Beitrag für eine Straftat nutzen wird. Weiß der Hilfeleistende dagegen nicht, wie der von ihm geleistete Beitrag vom Haupttäter verwendet wird, hält er es lediglich für möglich, dass sein Tun zur Begehung einer Straftat genutzt wird, so ist sein Handeln regelmäßig noch nicht als strafbare Beihilfehandlung zu beurteilen, es sei denn, das von ihm erkannte Risiko strafbaren Verhaltens des von ihm Unterstützten war derart hoch, dass er sich mit seiner Hilfeleistung die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein ließ.“

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