Vormerkungsklausur

Rechtliche Funktion und Struktur der Vormerkung. Umfang und Voraussetzungen des gutgläubigen Erwerbs. Abgrenzung zu Hypothek und Grundschuld.

Datum
Rechtsgebiet Sachenrecht
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Gutgläubiger Erwerb der Vormerkung

Bei der Vormerkungsklausur eröffnet sich zum einen das Problem, ob eine Vormerkung gutgläubig erworben werden kann. Schließlich ist die Vormerkung selbst kein dingliches Recht, sondern dient nur der Sicherung eines schuldrechtlichen Anspruches. Der gutgläubige Erwerb der Vormerkung ist immer dann zu prüfen, wenn der Bewilligende nicht Eigentümer des mit der Vormerkung zu belegenden Grundstücks ist. Eben weil die Vormerkung nur einen schuldrechtlichen Anspruch sichern will, stellt sie kein Recht an einem Grundstück dar und kann nicht nach § 892 BGB gutgläubig erworben werden. Die Vormerkung kann aber als Verfügung über ein Recht angesehen werden, womit ein gutgläubiger Erwerb nach § 893 BGB in Frage kommt. Damit entfällt dann auch die Notwendigkeit eines gutgläubigen Erwerbs der Vormerkung in analoger Anwendung des § 892 BGB.

Kein gutgläubiger Erwerb bei fehlender schuldrechtlicher Forderung

Es gilt aber darauf zu achten, dass ein gutgläubiger Erwerb der Vormerkung bereits dann ausgeschlossen ist, wenn die zu sichernde schuldrechtliche Forderung nicht existiert. Dies kann in der Klausur dazu führen, dass beispielsweise die Wirksamkeit des Grundstückskaufvertrages im Rahmen des gutgläubigen Erwerbs der Vormerkung zu prüfen ist. Der gutgläubige Erwerb einer Vormerkung bei fehlendem schuldrechtlichem Anspruch ist deswegen nicht möglich, weil Forderungen keinen Rechtsscheinträger besitzen, an welchem der gute Glaube entstehen kann. Im weitesten Sinne kann man sich unter einem Rechtsscheinträger einen greifbaren Gegenstand, wie etwa eine Urkunde, ein Register oder den Besitz, vorstellen.  So ergibt sich die Stellung des Eigentümers an dem Grundstück aus dem Grundbuch. Damit stellt das Grundbuch den Rechtsscheinträger dar und der Vormerkungsberechtigte darf auf die Richtigkeit der im Grundbuch vorgenommenen Eintragung vertrauen. Danach darf der Vormerkungsberechtigte davon ausgehen, dass der im Grundbuch eingetragene Eigentümer der tatsächliche Eigentümer ist und dieser somit zu Recht die Eintragung einer Vormerkung bewilligt hat. Im Gegensatz dazu ist die Forderung eine geistige Konstruktion, welche für die Bestellung einer Vormerkung nicht in das Grundbuch eingetragen werden muss. Aus diesem Grund fehlt der Forderung aus dem Kaufvertrag auf Eigentumsübertragung ein für den gutgläubigen Erwerb notwendiger Rechtsscheinträger. Im Ergebnis ist somit ein gutgläubiger Erwerb einer Vormerkung nicht möglich, wenn die zu sichernde Forderung nicht besteht.

Umfang der Vormerkungswirkung nach § 883 II BGB

Ein weiteres Problem liegt in der Ermittlung des Umfangs der Wirkungen einer entstandenen Vormerkung. In manchen Klausuren ist zu prüfen, ob nur Eigentumsübertragungen an Grundstücken oder auch die Bestellung von Hypotheken und Grundschulden sowie die Eintragung von Widersprüchen in das Grundbuch dem Vormerkungsberechtigen gegenüber unwirksam sind. Dazu ist zu sagen, dass nach § 883 II BGB Verfügungen unwirksam sind, welche nach Eintragung einer Vormerkung vorgenommen werden, soweit sie den gesicherten Anspruch vereiteln oder beeinträchtigen würden. Da unter einer Verfügung auch die Belastung eines Rechtes verstanden wird, ist die Bestellung einer Hypothek oder Grundschuld in jedem Fall eine Verfügung über das Eigentum am Grundstück und damit nach § 883 II BGB unwirksam. Die Eintragung eines Widerspruchs stellt demgegenüber keine Übertragung oder Belastung des Eigetums am Grundstück und damit auch keine Verfügung dar. Der Widerspruch nach § 899 BGB soll lediglich den gutgläubigen Eigentumserwerb verhindern. Letzlich verhindert der einmal eingetragene Widerspruch aber auch den gutgläubigen Erwerb einer Vormerkung nach §§ 892, 893 BGB. Insoweit kann der Widerspruch also auch die Belange des Vormerkungsberechtigten berühren. Im Interesse eines umfassenden Schutzes des durch die Vormerkung gesicherten Gläubigers muss vom Sinn und Zweck des § 883 II BGB her die Vormerkungswirkung auch für Handlungen gelten, welche keine Verfügung darstellen. Ausschlaggebend muss sein, ob durch die vorgenommene Handlung die durch die Vormerkung gesicherte Position des Berechtigten beeinträchtigt werden kann. Insoweit kann der einmal eingetragene Widerspruch den gutgläubigen Erwerb der Vormerkung durch den Berechtigten verhindern. Aus diesem Grund erstreckt sich die Wirkung des § 883 II BGB auch auf die Eintragung eines Widerspruchs.

Anspruch auf Zustimmung nach § 888 BGB

Wenn die Verfügung des Eigentümers wegen § 883 II BGB unwirksam ist, dann kann der durch die Vormerkung gesicherte Anspruch des Vormerkungsberechtigten meistens nur dadurch realisiert werden, dass der Dritte, an den der Eigentümer verfügt hat, zustimmt. Dies ergibt sich daraus, dass Eintragungen in das Grundbuch vom Grundbuchbeamten, dem Rechtspfleger, nur vorgenommen werden, wenn derjenige zustimmt, dessen Recht von der Eintragung betroffen ist. Steht jetzt also ein Dritter als Eingetümer im Grundbuch, weil der Vertragspartner abredewidrig das Eigentum am Grundstück dem Dritten übertragen hat, so stellt sich die Situation in der Klausur folgendermaßen dar: Von seinem Vertragspartner kann der Vormerkungsberechtigte nach § 433 I 1 BGB weiterhin Übertragung des Eigentums an dem Grundstück verlangen, da die Eigentumsübertragung an den Dritten wegen § 883 II BGB unwirksam ist und damit der Anspruch des Vormerkungsberechtigten nicht nach § 275 I BGB untergegangen ist. Der Verkäufer kann zwar das Eigentum an dem Grundstück wegen § 883 II BGB weiterhin nach §§ 925, 873 BGB an den Käufer übertragen. Die Eintragung des Käufers als neuer Eigentümer erfolgt durch den Grundbuchbeamten aber nur, wenn derjenige zustimmt, der als Eigentümer im Grundbuch steht. Im Grundbuch steht nun aber nicht mehr der Verkäufer, sondern der Dritte, an welchen der Verkäufer zwischenzeitlich das Eigentum übertragen hat. Aus diesem Grunde muss der Käufer einen zweiten Anspruch aus § 888 BGB gegen den Dritten auf Zustimmung zur Löschung seiner Eigentümerposition geltend machen. Der Dritte ist nämlich materiell-rechtlich zumindest gegenüber dem durch die Vormerkung gesicherten Käufer nicht nach §§ 925, 875 BGB Eigentümer geworden, da nach § 883 II BGB die Eigentumsübertragung ihm gegenüber unwirksam ist. Aus diesem Grund steht der Dritte ohne materiell-rechtliche Berechtigung als Eigentümer im Grundbuch. Damit hat der durch die Vormerkung gesicherte Käufer einen Anspruch gegen den Dritten auf Zustimmung zur Löschung dieser Eigentümerstellung aus dem Grundbuch. Erst danach kann der ursprüngliche Käufer als neuer Eigentümer in das Grundbuch eingetragen werden. Aus diesem Grund muss zur vollständigen Erlangung einer Eigentümerstellung neben dem Anspruch nach § 433 I 1  BGB gegen den Verkäufer auch ein Anspruch nach § 888 BGB auf Löschung der Eigentümerstellung des Dritten gegen diesen geltend gemacht werden.

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Anmerkung

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Der Artikel beschäftigt sich mit den im Blog-Beitrag „Vorstellung der Vormerkungsklausur“ aufgezeigten Themenbereichen. Weitere Artikel über   Immobiliarsachenrecht sind der Aufsatz über die „Grundschuldklausur„, über die „Hypothekenklausur“ und der „Klausurfall zur Auflassungsvormerkung„. Eine Übersicht aller Beiträge und Klausurfälle gibt es unter „Artikel„.

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