Erst- und Zweiterwerb der Vormerkung
Erwerb der Vormerkung; gutgläubiger Erst- bzw. Zweiterwerb der Vormerkung

Dieses Schema befasst sich sowohl mit dem Erst-, als auch dem Zweiterwerb der Vormerkung. Ein besonderes Augenmerk sollte dabei auf den jeweiligen gutgläubigen Erwerb gelegt werden, welcher bei Erst- und Zweiterwerb unterschiedlich gehandhabt und begründet wird.
Zunächst ist festzuhalten, dass die Vormerkung i.S.d. §§ 883 ff. BGB ein Sicherungsrecht darstellt, welches den Erwerber eines Grundstückes vor Erwerbshindernissen schützen soll. Die Notwendigkeit eines solchen Sicherungsrechtes besteht darin, dass grade bei Grundstückskäufen die Zeiträume zwischen Einigung und Eintragung sehr lang sein können, und somit die Gefahr für den Erwerber steigt, dass der Veräußerer das Grundstück in dieser Zeitspanne an einen Dritten veräußert oder anders darüber verfügt.
Besitzt der Erwerber dann ein Sicherungsrecht in Form einer Vormerkung, so stehen ihm verschiedene Ansprüche gegen die Beteiligten, wie z.B. § 888 BGB (Anspruch auf Zustimmung zur Grundbuchänderung) gegen den Dritten oder aber auch § 433 I BGB gegen den Veräußerer zu (zu beachten ist nämlich, dass, steht dem Erwerber eine Vormerkung zu, diese die Unmöglichkeit nach § 275 BGB ausschließt!)
Im Immobiliarsachenrecht ist die Vormerkung also ein wichtiges Instrument, welches teilweise die Tür für einen Anspruch öffnet und auch für den Erhalt gewisser Ansprüche sorgt.
Der Erwerb einer Vormerkung sollte daher gut beherrscht und stets sauber geprüft werden. Im Folgenden wird der Aufbau des Ersterwerbes der Vormerkung erläutert (dies ist der Fall, wenn die Vormerkung erstmalig eingetragen wird) und anschließend der Zweiterwerb (dieser ist gegeben, wenn die bereits eingetragene Vormerkung auf jemand anderes übertragen werden soll).
I. Ersterwerb der Vormerkung: Kurzes Schema
Der Ersterwerb der Vormerkung hat 6 Voraussetzungen:
1. Bestehen einer zu sichernden Forderung
2. Bewilligung
3. Eintragung in das Grundbuch
4. Einigsein zur Zeit der Eintragung
5. Berechtigung
6. Ggf. Überwindung der Nichtberechtigung
II. Ersterwerb der Vormerkung: Schema mit Erläuterungen
1. Bestehen einer zu sichernden Forderung
Die Vormerkung ist ein streng akzessorisches Sicherungsrecht und setzt daher immer zwingend einen zu besichernden Anspruch voraus (z.B. § 433 I 1 BGB). Die Vormerkung kann auch künftige oder bedingte Ansprüche sichern (§ 883 I 2 BGB). Hierbei muss allerdings bereits erkennbar sein, wie der künftige Anspruch, der besichert werden soll, beschaffen sein wird („der Rechtsboden muss bereits gelegt sein“).
Beachtet werden sollte, dass im Falle eines zunächst formunwirksamen, dann aber gemäß § 311b I 2 BGB geheilten Grundstückskaufvertrages der Schutz der Vormerkung zeitlich nicht zurückwirkt.
Bsp.: V verkauft sein Grundstück an K und bewilligt diesem eine Auflassungsvormerkung. Bei dem Notar haben V und K, um Grunderwerbssteuern zu sparen, einen geringeren als eigentlich vereinbarten Kaufpreis angegeben (= Scheingeschäft i.S.d. § 117 I BGB). Der wahre, verdeckte Vertrag mit dem höheren Kaufpreis ist formunwirksam, da der Notar diesen nicht beurkundet hat (§§ 117 II, 311b I 1 BGB). Erst mit Eintragung in das Grundbuch wird der Formfehler gemäß § 311b I 2 BGB geheilt.
Hat der V nun in der Zwischenzeit anders verfügt (etwa eine Grundschuld für den X auf das Grundstück eintragen lassen), schützt die Vormerkung den K nach h.M. nicht!
2. Bewilligung
Eine Besonderheit der Vormerkung liegt darin, dass hierbei keine Einigung (bestehend aus zwei übereinstimmenden Willenserklärungen) zwischen den Parteien vorliegen muss, sondern lediglich eine Bewilligung der Vormerkung seitens des Berechtigten (= eine Willenserklärung); vgl. § 885 BGB.
3. Eintragung (in das Grundbuch)
4. Einigsein zur Zeit der Eintragung
5. Berechtigung
Ferner muss derjenige, der die Vormerkung einräumt dazu auch berechtigt sein. Dies ist der Fall, wenn er entweder Eigentümer des Grundstücks ist, oder er gemäß § 185 BGB ermächtigt wurde.
6. Überwindung der Nichtberechtigung
Ist keine, wie oben genannte Berechtigung gegeben, könnte dies durch den gutgläubigen Ersterwerb vom Nichtberechtigten überwunden werden.
Bsp.: S ist versehentlich im Grundbuch als Eigentümer eines Grundstücks eingetragen. In Wahrheit ist E Eigentümer des Grundstückes. Verkauft S nun das Grundstück an den K und räumt diesem eine Auflassungsvormerkung gemäß § 883 BGB ein, so kann K bei Vorliegen der Voraussetzungen des gutgläubigen Erwerbs die Vormerkung gutgläubig von S erwerben.
Dies hat unter anderem den Vorteil, dass K auch vor einer späteren, heißt noch vor Vollendung des Grundstückserwerbs, eintretenden Bösgläubigkeit geschützt wird, denn die Vormerkung schützt vor allen Erwerbshindernissen.
Dass der gutgläubige Ersterwerb der Vormerkung möglich ist, ist praktisch unstrittig und wird allgemein vertreten. Umstritten ist allerdings die dogmatische Herleitung des gutgläubigen Ersterwerbes:
- 1. Ansicht: Nach einer Meinung wird der gutgläubige Ersterwerb der Vormerkung direkt auf § 892 BGB gestützt.
Dies wird aber mit der Begründung abgelehnt, dass die Vormerkung keine Verfügung über ein Recht darstellt.
- 2. Ansicht: Die herrschende Meinung begründet den gutgläubigen Ersterwerb der Vormerkung über §§ 892, 893 BGB analog, da der Vormerkung eine verfügungsähnliche Wirkung zukommt.
Immerhin schützt sie den Vormerkungsberechtigten gegenüber jedem Dritten, welcher in der Zwischenzeit ein Recht an dem Grundstück erwerben will.
In der Klausur sollte daher immer nach der Feststellung der Nichtberechtigung des Einräumenden die dogmatische Herleitung des gutgläubigen Ersterwerbes folgen. Anschließend werden die Voraussetzungen des gutgläubigen Erwerbs geprüft.
Diese sind:
(1) Rechtsgeschäft im Sinne eines Verkehrsgeschäfts
(2) Unrichtiges Grundbuch, das den Veräußerer legitimiert
(3) Guter Glaube
Hierbei zu beachten ist, dass der gute Glaube (wie immer) bis zur letzten Erwerbsvoraussetzung der Vormerkung gegeben sein muss. Dies wird allerdings kompliziert, wenn ein zukünftiger bzw. bedingter Anspruch gesichert werden soll (§ 883 I 2 BGB).
Nach der herrschenden Meinung muss der gute Glaube dann auch noch zum Zeitpunkt der Anspruchsentstehung vorliegen. Auch § 892 II BGB kann hierbei nicht aushelfen, da er nur greift, wenn die letzte fehlende Voraussetzung die Eintragung in das Grundbuch ist.
(4) Kein Widerspruch gegen die Richtigkeit des Grundbuches darf eingetragen sein
III. Zweiterwerb der Vormerkung: kurzes Schema
1. Abtretungsvertrag
2. Ausschluss der Abtretung
3. Berechtigung bzgl. der Forderung und der Vormerkung
4. Ggf. Überwindung der Nichtberechtigung
IV. Zweiterwerb der Vormerkung: Schema mit Erläuterungen
1. Abtretungsvertrag
Die Übertragung der Vormerkung von einer Person auf eine andere erfolgt gemäß § 401 BGB analog. Wie bereits beim Ersterwerb der Vormerkung erläutert, handelt es sich bei der Vormerkung um ein streng akzessorisches Sicherungsmittel. Somit geht die Vormerkung bei einer wirksamen Abtretung des zugrundeliegenden Anspruchs (§§ 398, 145, 147 BGB) auf den neuen Inhaber über.
Bsp.: K hat gegen V einen vormerkungsgesicherten Anspruch auf Übertragung eines Grundstückes aus einem Kaufvertrag (§ 433 I 1 BGB). Diesen Anspruch tritt er gemäß § 398 BGB an den B ab. Die Vormerkung folgt automatisch dem Anspruch gemäß § 401 BGB analog und steht somit dem B zu.
2. Kein Ausschluss der Abtretung (z.B. § 399 BGB)
3. Berechtigung bzgl. der Forderung und der Vormerkung
Anders als bei dem Ersterwerb der Vormerkung besteht eine solche beim Zweiterwerb bereits. Deshalb muss der Abtretende beim Zweiterwerb der Vormerkung eine Berechtigung hinsichtlich der Forderung und der Vormerkung haben.
4. Ggf. Überwindung der Nichtberechtigung
Ist eine solche Berechtigung nicht gegeben, muss auch hier geprüft werden, ob eine solche gegebenenfalls überwunden werden kann. Wie bereits erläutert ist der gutgläubige Ersterwerb der Vormerkung einhellig anerkannt. Ob jedoch ein gutgläubiger Zweiterwerb der Vormerkung möglich ist, ist höchst umstritten:
ACHTUNG: Der gutgläubige Zweiterwerb der Vormerkung ist auf jeden Fall dann ausgeschlossen, wenn die Vormerkung aus dem Grunde nicht entstanden ist, weil die zugrundeliegende Forderung nicht existiert. Wie bereits erwähnt ist die Vormerkung streng akzessorisch und von der Forderung abhängig. Einen gutgläubigen Forderungserwerb sieht das Gesetzt jedoch nicht vor!!!
Bsp.: V hat an K ein Grundstück verkauft und dessen vermeintlichen Anspruch auf Übereignung des Grundstückes gemäß § 433 I 1 BGB durch eine Vormerkung sichern lassen. Später stellt sich heraus, dass V unerkannt geisteskrank ist, so dass ein Anspruch gem. §§ 104, 105 BGB nicht zustande gekommen ist. Auch wenn K den vormerkungsgesicherten Anspruch an den gutgläubigen D übertragen hat, erwirbt dieser keine Vormerkung, da es an dem zugrundeliegenden Anspruch fehlt.
In diesem Fall ist ein gutgläubiger Zweiterwerb also definitiv und einhellig ausgeschlossen. Existiert die zu besichernde Forderung ist der gutgläubige Zweiterwerb aber umstritten:
- 1. Ansicht: Nach einer Auffassung soll der gutgläubige Zweiterwerb der Vormerkung nicht möglich sein.
Dies wird damit begründet, dass der gutgläubige Erwerb immer ein „Rechtsgeschäft im Sinne eines Verkehrsgeschäfts“ voraussetzt. Die Vormerkung geht aber gerade nicht aufgrund eines Rechtsgeschäftes, sondern durch Gesetzt (§ 401 BGB analog) als Folge der Abtretung des zugrundliegenden Anspruchs über. Weiter wird hier angeführt, dass sich die Übertragung der Vormerkung wegen § 401 BGB außerhalb des Grundbuches vollzieht und es schon an einem Rechtsscheintatbestand fehlt.
- 2. Ansicht: Die herrschende Meinung lässt den gutgläubigen Zweiterwerb der Vormerkung zu.
Sie hält der Gegenansicht entgegen, dass die Vormerkung zwar durch Gesetzt, aber aufgrund eines Rechtsgeschäftes – der Abtretung des zugrundeliegenden Anspruchs – erfolgt. Ein weiterer Grund für die herrschende Meinung liegt auch in der Effizienz der Vormerkung. Würde man den gutgläubigen Zweiterwerb der Vormerkung nicht zulassen, müsste sich der Erwerber jedes Mal eine neue Vormerkung auf den Anspruch eintragen lassen. Dies würde die Übertragung von Anspruch und Vormerkung in hohem Maße verkomplizieren. Das Argument des fehlenden Rechtsscheintatbestandes entkräftet diese Ansicht damit, dass schon die erste Eintragung der Vormerkung einen Rechtsschein setzt.
Demnach ist der herrschenden Meinung zu folgen und der gutgläubige Zweiterwerb der Vormerkung ist gemäß §§ 892, 893 BGB analog zu bejahen.
Beim gutgläubigen Zweiterwerb der Vormerkung muss also nach der Feststellung, dass der Einräumende nicht berechtigt ist zunächst geklärt werden, ob ein gutgläubiger Zweiterwerb überhaupt möglich ist. Anders als beim gutgläubigen Ersterwerb, wo die Möglichkeit einhellig anerkannt, die dogmatische Herleitung aber umstritten ist.

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siehe auch: Klausurfall Auflassungsvormerkung; Vormerkungsklausur
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