Die Regelungstaktik der §§ 214 ff. BauGB

Überblick über die §§ 214 BauGB und deren Auswirkung auf die Wirksamkeit von Bebauungsplan/ Flächennutzungsplan sowie Prüfschemata für die Klausur.

Datum
Rechtsgebiet Baurecht
Ø Lesezeit 7 Minuten
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Die §§ 214 ff. BauGB befassen sich mit der Beachtlichkeit von Verstößen gegen das Baugesetzbuch. In der Regel spielen diese in der Klausur vor allem bei der Prüfung von Bebauungsplan oder dem Flächennutzungsplan eine Rolle. Der folgende Artikel soll einen Überblick über die Inhalte von §§ 214 ff. BauGB verschaffen. Dabei wird vor allem dargestellt, wie sich die Vorschriften auf die Wirksamkeit von Bebauungs- und Flächennutzungsplänen auswirken. Abschließend folgt ein kurzes Prüfungsschema für die Klausurbearbeitung.

A. Allgemeines

§§ 214 f. BauGB erfassen die Beachtlichkeit von Rechstverstößen nach dem Inkrafttreten von städtebaulichen Satzungen (also Bebauungsplan und Flächennutzungsplan).

In der Klausur sollte man sich daher immer zunächst darüber klar werden, in welchem Verfahrensstadium sich der Bebauungsplan oder der Flächennutzungsplan gerade befindet.

a) Bebauungsplan / Flächennutzungsplan ist noch nicht genehmigt:

Befinden sich die Pläne noch im Genehmigungsverfahren nach §§ 6 Abs. 1 und 10 Abs. 2 BauGB, so richtet sich die Bewertung von etwaigen Fehlern nur nach § 216 BauGB. Dann ist also grundsätzlich jeder formelle und materielle Fehler beachtlich und kann zur Versagung der Genehmigung des Bebauungsplanes/Flächennutzungsplanes führen, vgl. § 216 BauGB.

b) Bebauungsplan / Flächennutzungsplan ist bereits genehmigt:

Sind die Pläne jedoch bereits genehmigt und in Kraft getreten, so bestimmt sich die Relevanz des etwaigen Fehlers allein nach §§ 214 f. BauGB. § 216 BauGB findet also keine Anwendung! Denn § 216 BauGB und §§ 214 f. BauGB schließen sich gegenseitig aus!

In der Klausur oder im Examen ist die unter b) dargestellte Variante der Regelfall.

Jura- Individuell-Tipp: Um die §§ 214 ff. BauGB verstehen zu können, ist eine saubere Unterscheidung von formellen und materiellen Voraussetzungen der Bauleitplanung erforderlich. Um dies noch einmal genauer nachzuarbeiten, eignet sich unser Artikel zur „Wirksamkeit eines Bebauungsplanes“.

B) Die Systematik der §§ 214 ff. BauGB

Im Folgenden wird die Systematik der § 214 ff. BauGB näher dargestellt. Die Regelungen mögen auf den ersten Blick für manchen Studenten oder Examenskandidaten vielleicht etwas verwirrend wirken. Macht man sich jedoch einmal die Logik klar, die der Gesetzgeber hinter diese Normen gestellt hat, so merkt man, dass das Gesetz eigentlich sehr systematisch und logisch ist. Denn im Grunde wird nur zwischen Verfahrens- und Formfehlern, materiellen Fehlern sowie Abwägungsfehlern unterschieden.

a) Die Relevanz von Verfahrensfehlern nach § 214 Abs. 1 BauGB

aa) Verfahrens- und Formfehler nach § 214 Abs. 1 BauGB

§ 214 Abs. 1 BauGB befasst sich in abschließender Form mit Verfahrens- und Formfehlern nach dem BauGB. Dabei wird abschließend aufgezählt, welche Verfahrens- und Formvorschriften für die Wirksamkeit eines Bebauungsplans, eines Flächennutzungsplans oder einer sonstigen städtebaulichen Satzung beachtlich sind.

Jura-Individuell-Tipp: Lesen Sie die Vorschrift genau! So spricht § 214 Abs. 1 BauGB von Verfahrens- und Formfehler nach diesem Gesetz, also dem BauGB. Landesrechtliche Vorschriften sind davon demnach nicht erfasst. Dies bedeutet also, dass Verfahrens- und Formfehler nach Landesrecht (z.B. BayBO, HBO) nicht gemäß § 214 Abs. 1 BauGB zu prüfen sind. § 214 Abs. 1 BauGB findet hier folglich keine Anwendung, d.h. Fehler nach einer landesrechtlichen Vorschrift sind grds. beachtlich!

Nur die in § 214 Abs. 1 BauGB genannten Fälle sind beachtliche Fehler. Dagegen sind Fehler gemäß BauGB in Bereichen, die nicht in § 214 Abs. 1 BauGB aufgeführt sind, also grundsätzlich für die Wirksamkeit des Bebauungsplans bzw. des Flächennutzungsplans unbeachtlich.

Beispiel: Bei der Überprüfung des Bebauungsplanes wurde vergessen die Öffentlichkeit nach § 3 Abs. 1 BauGB frühzeitig zu beteiligen. Der Bebauungsplan ist deshalb aber nicht nichtig, da § 3 Abs. 1 BauGB nicht explizit in § 214 Abs. 1 BauGB als beachtlicher Verfahrens-/Formfehler genannt wird ( 3 § Abs. 2 BauGB hingegen ja, s. weiter untern!). Der Fehler ist also unbeachtlich. Wurde hingegen aber vergessen, die Bauleitpläne nach § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB bei Vorliegen eines wichtigen Grundes entsprechend der Vorschrift nach § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB auszulegen, so wäre dieser Fehler, da er in § 214 Abs.1 BauGB ausdrücklich genannt ist, beachtlich.

Man sollte sich folglich an diesem Prüfungspunkt stets die Frage stellen, ob der festgestellte Fehler in § 214 Abs. 1 BauGB genannt und evtl. unbeachtlich ist!

aaa) Ermittlungs- und Bewertungsfehler nach § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB

Nach dieser Vorschrift liegt ein grundsätzlich zu beachtender Fehler vor, wenn entgegen § 2 Abs. 3 BauGB von der Planung berührte Belange in wesentlichen Punkten nicht zutreffend ermittelt oder bewertet worden sind. Dabei müssen diese Belange der Gemeinde bekannt gewesen sein oder sie hätten ihr zumindest bekannt sein müssen. Die Gemeinde hat die zu berücksichtigen Belange folglich gar nicht oder nur unzutreffend ermittelt, obwohl dies hätte erfolgen müssen. Darüber hinaus muss nach Abs. 1 Nr. 1 HS 2 der nicht berücksichtige Mangel offensichtlich auf das Ergebnis Einfluss gehabt haben. Dies ist nach der Rechtsprechung dann der Fall, wenn nach den Umständen des Einzelfalls die konkrete Möglichkeit besteht, dass die Planung anders ausgefallen wäre (vgl. BVerwG, 21.08.1981 – 4 C 57.80). Es wäre also die gleiche Entscheidung auch bei Vermeidung des Fehlers gefallen.

bbb) Fehler bei der Beteiligung der Öffentlichkeit und Behörden nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB

Nach Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 sind Fehler hinsichtlich der aufgezählten Normen, die in Bezug auf die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung erfolgt sind, grundsätzlich beachtlich. Anders ist dies nur, wenn einer der in § 214 Abs. 1 Nr 2 a –g BaugGB festgeschriebenen Ausnahmetatbestände vorliegt. Unterbleibt die notwendige Öffentlichkeits- oder Behördenbeteiligung jedoch vollständig, so liegt nach Ansicht der Rechtsprechung ein beachtlicher Fehler vor (vgl. BVerwG, 11.12.2002 – 4 BN 16.02).

ccc) Fehler bzgl. der Begründung des Flächennutzungsplans, der Satzungen und ihrer Entwürfe nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB

Fehler, die sich hinsichtlich der erforderlichen Begründungen nach den aufgezählten Normen ereignet haben, sind grundsätzlich beachtlich. § 214 Abs. 1 Nr.3 HS 2 BauGB beinhaltet jedoch eine interne Unbeachtlichkeitsklausel: Danach ist es unbeachtlich, wenn die Begründung hinsichtlich des Flächennutzungsplans oder der Satzung bzw. deren Entwürfe nur unvollständig ist. Die Begründung muss vielmehr ganz fehlen. Nach der Rechtsprechung ist ein Begründungsmangel beispielsweise dann unbeachtlich, wenn entweder zu einer für die Planung bedeutenden Regelung nicht alle tragenden Gesichtspunkte behandelt wurden oder wenn zu einzelnen, bedeutenden Regelungen eine Begründung fehlt (vgl. BVerwG, 21.02.1986 – 4 N 1.85). Eine Ausnahme von der internen Unbeachtlichkeitsklausel ist allerdings hinsichtlich des Umweltberichtes nach § 2a BauGB zu beachten: So darf dieser nur in unwesentlichen Punkten unvollständig sein. Ansonsten liegt also ein beachtlicher Fehler nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HS. 1 BauGB vor.

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bb) Materielle Fehler nach § 214 Abs. 2 BauGB

§ 214 Abs. 2 BauGB regelt die Beachtlichkeit von materiellen Fehler. Im Gegensatz zu Abs. 1 ist § 214 Abs. 2 BauGB so aufgebaut, dass grundsätzlich alle materiellen Fehler beachtlich sind. § 214 Abs. 2 BauGB legt demnach fest, welche Fehler ausnahmsweise unbeachtlich sind.

cc) Abwägungsfehler nach § 214 Abs. 1 Nr. 1 BauGB

§ 214 Abs. 1 Nr. 1 BauGB normiert die Beachtlichkeit von Abwägungsmängeln, die für die Rechtswirksamkeit des Flächennutzungsplans und des Bebbauungsplans beachtlich sind. Voraussetzung ist dabei, dass bei der Aufstellung des Flächennutzungsplans bzw. des Bebauungsplans die von der Planung berührten Belange in wesentlichen Punkten nicht zutreffend ermittelt oder bewertet worden sind. Ferner muss dieser Mangel offensichtlich und für das Abwägungsergebnis auschlaggebend gewesen sein. Dabei müssen die berührten Belange der Gemeinde bekannt gewesen sein. Nach § 2 Abs. 3 BauGB hätten diese Belange berücksichtigt werden müssen.

c) Prüfschema für die Klausur

Für die Klausurbearbeitung bietet sich folgendes Prüfschema an:

  1. Ist der im Sachverhalt aufgeworfene Fehler von § 214 BauGB umfasst (Vorschrift lesen!)
  2. Ist dieser Fehler bereits nach § 214 BauGB unbeachtlich?
  3. Wenn der Fehler nach § 214 BauGB beachtlich ist, ist er unter Umständen nach § 215 BauGB unbeachtlich (Vorschrift lesen!)?
  4. Sollte der Fehler nach beiden Vorschriften (§§ 214 und 215 BauGB) beachtlich sein, ist er in einem ergänzenden Verfahren nach § 214 Abs. IV BauGB behebbar?

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