Schadensersatz gemäß § 823 I BGB

Schadensersatz gem. § 823 I BGB; Verkehrssicherungspflichten; allgemeines Persönlichkeitsrecht; Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb

Datum
Rechtsgebiet Gesetzliche Schuldverhältnisse
Ø Lesezeit 15 Minuten
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Dieses Schema behandelt vorwiegend § 823 I BGB in seiner Grundform, geht aber aufgrund der Wichtigkeit und Relevanz in Klausuren auch auf § 823 I BGB im Zusammenhang mit der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht, dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht sowie dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ein.

§ 823 I BGB ist dem Recht der unerlaubten Handlungen (Deliktsrecht) zuzuordnen und regelt den Ausgleich für Schäden, die eine Person einer anderen widerrechtlich zufügt.

Häufig kommen hinsichtlich ein und derselben Handlung sowohl vertragliche als auch deliktische Schadensersatzansprüche in Betracht. Diese bestehen zwar parallel nebeneinander, jedoch wirken sich die Modalitäten der vertraglichen Haftung oft auf das Deliktsrecht aus. So kann z.B. eine vertragliche Haftungsmilderung (z.B. § 599 BGB) auch auf einen konkurrierenden Deliktsanspruch durchschlagen.

Kommt in der Klausur ein deliktischer Anspruch in Betracht, ist es wichtig, zumindest gedanklich neben § 823 I BGB immer auch die §§ 823 II und 826 BGB zu prüfen. Die letzteren beiden werden häufig im Eifer des Gefechts vergessen.

A.  § 823 I BGB Grundform

I. Voraussetzungen (haftungsbegründender Tatbestand)

1. Tatbestand

a) Rechtsgutsverletzung eines anderen

Ein Anspruch aus § 823 I BGB kommt nur in Betracht, wenn eines der dort aufgeführten Rechte oder Rechtsgüter verletzt wurde.

Bei den aufgeführten Schutzgütern Leben, Körper, Gesundheit und Freiheit spricht man von Rechtsgütern, bei dem Eigentum und den „sonstigen Rechten“ dagegen von einem Recht.

aa) Geschützte Rechtsgüter
  • Ausdrücklich genannte:

In der Klausur sollten die einzelnen Rechtsgüter klar definiert und unter Umständen abgegrenzt werden. Die Definitionen sollten daher beherrscht und das (möglicherweise) verletzte Rechtsgut sauber subsumiert und herausgearbeitet werden. Hier gilt allerdings wie immer in juristischen Klausuren: Keine Probleme kreieren, sondern nur problematisieren, wenn die Situation nicht eindeutig ist.

  • Leben: Unter der Verletzung des Lebens ist die Vernichtung der physischen Existenz zu verstehen.
  • Gesundheit und Körper: Eine Verletzung der Gesundheit bzw. des Körpers ist gegeben bei einer Störung der inneren Lebensvorgänge bzw. bei einem Eingriff in die körperliche Unversehrtheit.

An dieser Stelle umstritten ist, ob bei einem ärztlichen Heileingriff eine Rechtsgutverletzung vorliegt. Problematisch daran ist, dass der Eingriff von vorneherein nur zu Heilzwecken erfolgt. Die h.M. bejaht hier tatbestandlich eine Körperverletzung gemäß § 823 I BGB, welche aber durch die Einwilligung des Patienten gerechtfertigt ist (natürlich reicht die Einwilligung des Patienten nur so weit, wie er vor dem Eingriff über diesen aufgeklärt wurde). Somit unterfällt ein ärztlicher Kunstfehler, welcher nicht von einer Einwilligung gedeckt ist, dem Schadensersatzanspruch gemäß § 823 I BGB.

Auch das werdende Leben im Mutterleib (sog. Nasciturus= noch nicht Geborener) ist nach h.M. durch § 823 I BGB geschützt.

Bsp.: Der Arzt A verschreibt der Schwangeren S ein Medikament, durch welches das Ungeborene mit einer Behinderung zur Welt kommt. A haftet dem Kind hierbei auf Schadensersatz. Allerdings greift der Schadensersatzanspruch des Kindes erst mit Vollendung der Geburt, da erst dann die Rechtsfähigkeit des Kindes gegeben ist (vgl. § 1 BGB).

  • Freiheit: Unter Freiheit im Sinne von § 823 I BGB versteht man nur die körperliche Fortbewegungsfreiheit, nicht die psychische Freiheit von Druck (z.B. Nötigung).
  • Eigentum: Der Begriff des Eigentums gemäß § 823 I BGB entspricht dem des Sachenrechts.

Es kann beeinträchtigt werden durch Sachentziehung (z.B. Diebstahl, aber auch unberechtigte Weiterveräußerung). Auch die Beschädigung oder Zerstörung einer Sache löst grundsätzlich einen Schadensersatzanspruch gemäß § 823 I BGB aus.

Problematisch ist der Fall, in dem die Lieferung einer mangelhaften Sache zu Schäden führt.

Bsp.: V verkauft dem Unternehmer U, welcher sich mit der Herstellung von Gasflaschen beschäftigt, eine fehlerhafte Maschine. Diese explodiert alsbald während eines Produktionsvorganges und zerstört dabei noch drei weitere Maschinen des U.

V haftet hier unproblematisch für die Zerstörung der drei weiteren Maschinen, da er das Eigentum des V zerstört hat, jedoch nicht für die von ihm ursprünglich gelieferte Maschine, denn bezogen auf die von V gelieferte Maschine hat U nie mangelfreies Eigentum erworben.

 Eine Ausnahme von diesem Grundsatz macht die Rechtsprechung nur für die Fälle des sogenannten „weiterfressenden Mangels“.

Bsp.: K kauft von V einen Porsche im Wert von 80.000 Euro. Dabei ist der Bremszug des Porsches defekt, was V bei ordnungsgemäßer Untersuchung auch hätte erkennen können. Bei einer Fahrt auf der Autobahn reißt der Bremszug, der Porsche knallt in die Leitplanken und erleidet einen Totalschaden.

In diesem Fall kommt einen Schadensersatzanspruch des K gemäß § 823 I BGB in Betracht, denn anders als im vorher genannten Fall war nicht die Sache komplett, sondern nur ein funktional abgrenzbares Teil der Sache mangelhaft (Bremszug), das dann die restliche Sache zerstört hat.

Im „Weiterfresserfall“ ist der Mangel also zunächst funktional begrenzt und einfach behebbar. Die Eigentumsverletzung tritt erst später ein, indem sich der Mangel so auswirkt, dass er die ganze Sache zerstört.

Die Voraussetzungen für den Weiterfresserschaden sind:

  •   Das schadhafte Teil muss funktional abgrenzbar sein.
  •   Der Fehler muss für einen Fachmann leicht erkennbar und behebbar sein.
  •   Die Sache muss auch ohne das schadhafte Teil einen gewissen Wert haben.

Die dogmatische Begründung dafür, dass in den Fällen des Weiterfressermangels auch Schäden an der Sache selbst zu ersetzen sind, liegt darin, dass in diesem Fall nicht nur – wie bei einem normalen Kauf einer mangelhaften Sache – das Äquivalenzinteresse gestört ist (also das Interesse eine Sache zu bekommen, die den Kaufpreis wert ist, Mangel und Schaden sind in diesem Falle stoffgleich). Es liegt vielmehr auch eine Verletzung des Integritätsinteresses vor, d.h. des Interesses, nicht in anderen Rechtsgütern geschädigt zu werden.

Die Rechtsprechung zu den Weiterfresserschäden ist allerdings umstritten. Ihr wird entgegengehalten, dass sie zu einer Aushöhlung der Gewährleistungsrechte führt (z.B. kein Vorrang der Nacherfüllung oder Anwendung der allgemeinen Verjährungsvorschriften bei § 823 I BGB). Teilweise wird diese Rechtsprechung daher ganz abgelehnt oder zumindest gefordert, dass dann die Verjährungsfristen des § 438 BGB auf den § 823 I BGB Anwendung finden sollten.

Eine Eigentumsverletzung im Sinne von § 823 I BGB kann aber auch in der Beeinträchtigung des Sachgebrauchs liegen.

Zu beachten ist dabei aber, dass nur dann eine Eigentumsverletzung zu bejahen ist, wenn die Gebrauchsfähigkeit völlig aufgehoben und nicht nur in bestimmter Hinsicht ausgeschlossen ist.

  • Sonstige Rechte:

Sonstige Rechte im Sinne dieser Vorschrift können nur absolute Rechte sein, d.h. solche, die gegenüber jedermann wirken. Absolute Rechte sind z.B. alle dinglichen Rechte des Sachenrechts. Ein Gegenbeispiel und damit kein absolutes, sondern ein relatives Recht sind Forderung. Diese gelten nur gegenüber einer Person und damit nicht gegenüber jedermann und sind daher kein „sonstiges Recht“ im Sinne von § 823 BGB.

Die beiden wichtigsten „sonstigen Rechte“ im Sinne von § 823 I BGB sind das allgemeine Persönlichkeitsrecht  und das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (siehe hierzu weiter unten).

bb) „Eines anderen“

Das verletzte Rechtsgut muss auch das „eines anderen“ sein, dies bedeutet, dass der Geschädigte der Rechtsträger des verletzten Rechtsgutes sein muss.

cc) Verletzung

Einer Verletzung im Sinne der Norm steht es nicht gleich, wenn lediglich eine geringe Beeinträchtigung vorliegt.

b) Handlung des Anspruchsgegners selbst oder eines Organs bei juristischen Personen (§ 31 BGB)

Unter der Handlung im Sinne von § 823 I BGB ist normalerweise positives Tun zu verstehen. Eine Handlung kann jedoch auch in der Form des Unterlassens gegeben sein. Dies ist aber nur der Fall, wenn der Schädiger eine Garantenstellung innehat.

c) Adäquat kausal und zurechenbar verursacht

Die Handlung muss ferner kausal für die Rechtsgutsverletzung sein. Hierfür ist die conditio sine qua non Formel ein notwendiges, allein aber nicht ausreichendes Kriterium der Schadenszurechnung.

Zunächst wird sie daher durch die Adäquanztheorie ergänzt.

Def. Adäquanztheorie: Die Möglichkeit des Schadenseintritts darf nicht so weit entfernt sein, dass sie nach der Erfahrung des Lebens vernünftigerweise nicht in Betracht gezogen werden kann.

Die Adäquanztheorie allein vermag es aber nicht, die Schadensfolgen zurechenbar zu begrenzen. Insoweit wird sie ergänzt durch den Schutzzweck der Norm.

Nach dem Schutzzweck der Norm besteht eine Schadensersatzpflicht nur dann, wenn der geltend gemachte Schaden nach Art und Entstehungsweise unter den Schutzbereich der verletzten Norm fällt.

Bsp.: § 3 III Nr. 1 StVO: Die Höchstgeschwindigkeitsbegrenzungen sollen Schäden vermeiden, die entstehen, weil der Fahrer nicht schnell genug reagieren kann, nicht aber davor schützen, dass der Fahrer bei der Einhaltung der Geschwindigkeit erst zu einem späteren Zeitpunkt an eine bestimmte Stelle gelangt und daher ein Unfall unterblieben wäre.

Weitere Eingrenzungskriterien im Bereich der Zurechenbarkeit sind:

  • Das allgemeine Lebensrisiko
  • Rechtmäßiges Alternativverhalten
  • Seelische Reaktionen

2. Rechtswidrigkeit

Die Tatbestandsmäßigkeit des § 823 I BGB indiziert die Rechtswidrigkeit. Die Rechtswidrigkeit entfällt nach der herrschenden Meinung beim Eingreifen von Rechtfertigungsgründen (Lehre vom Erfolgsunrecht). Zu beachten ist, dass der Schädiger die Darlegungs- und Beweislast für die Rechtfertigungsgründe trägt. Objektiv sorgfältiges Verhalten wird nach der Lehre des Erfolgsunrechts nicht als Rechtfertigungsgrund angesehen (so aber die Lehre vom Handlungsunrecht), sondern beim Verschulden geprüft.

3. Verschulden

Beim Verschulden muss zunächst die Deliktsfähigkeit gegeben sein. Hierbei zu beachten sind die §§ 827, 828 BGB, welche die Verantwortlichkeit des Schädigers ausschließen.

Das Verschulden als solches ist dann nach § 276 BGB zu prüfen. Danach haftet der Schädiger für Vorsatz (Wissen und Wollen von Tatbestand und Rechtswidrigkeit!) und Fahrlässigkeit.

II. Rechtsfolge (haftungsausfüllender Tatbestand) §§ 249 ff. BGB

1. Festlegung des zu ersetzenden Schadens nach der Differenzmethode

Es sind alle durch die Rechtsgutsverletzung adäquat kausalen und zurechenbaren Schäden zu ersetzen.

2. Art des Schadensausgleichs

  • Grundsätzlich: Naturalrestitution gemäß §§ 249 I, 249 II BGB
  • Ausnahmen: Schadenskompensation §§ 251, 252 BGB und Ersatz von Nichtvermögensschäden gemäß § 253 II BGB

III. Keine Einwendungen des Schädigers

1. Mitverschulden § 254 BGB

  • Mitverschulden des Geschädigten: Entweder durch positives Tun gemäß § 254 I 1 BGB oder durch negatives Unterlassen gemäß § 254 II 1 BGB.
  • Zurechnung fremden Mitverschuldens § 254 II 2 i.V.m. § 278 BGB: Hierbei zu beachten ist, dass § 254 II 2 BGB nach h.M. als 3. Absatz zu lesen ist, so dass er sich auch auf § 254 I BGB bezieht. Es handelt sich hierbei nach h.M. um einen Rechtsgrundverweis, so dass für die Zurechnung eine Sonderverbindung erforderlich ist.

2. Ausschluss der Haftung des Schädigers

  • Vertraglicher Haftungsausschluss, der ausnahmsweise auch den Anspruch aus § 823 I BGB umfasst.
  • Gesetzlicher Haftungsausschluss: § 104 SGB VII (Ausschluss der Haftung des Unternehmers); § 105 SGB VII (Ausschluss der Haftung des Betriebsangehörigen)
  • Ausschluss oder Minderung der Haftung nach den Grundsätzen des gestörten Gesamtschuldnerausgleichs.

IV. Keine Einrede der Verjährung, §§ 214 I, 195, 199 BGB

Beachte: Nach der Verjährung kann unter den Voraussetzungen des § 852 BGB ein verbliebener Vorteil beim Schädiger über Bereicherungsrecht abgeschöpft werden.

B. § 823 I BGB bei Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht (VSP)

I. Haftungsbegründender Tatbestand

1. Rechtsgutsverletzung des Anspruchsstellers (s.o.)

2. Verhalten des Anspruchsgegners

Als Verhalten des Anspruchsgegners kommt ein Unterlassen oder eine mittelbar schädigende Handlung in Betracht. Beide sind nur schwer zu unterscheiden und daher rechtlich gleich zu behandeln.

3. Zurechenbarkeit

a) Verletzung einer privatrechtlichen Verkehrssicherungspflicht

Sowohl beim Unterlassen als auch bei einer mittelbar schädigenden Handlung des Anspruchsgegners ist die Rechtsgutsverletzung diesem nur zuzurechnen, wenn er eine deliktische VSP verletzt hat (= Verletzung der äußeren – im Verkehr erforderlichen – Sorgfalt). VSP werden grundsätzlich als privatrechtlich qualifiziert und entsprechen vertraglichen Schutzpflichten.

b) Die Voraussetzungen der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht sind:
  • Eine VSP muss überhaupt bestehen

VSP sind durch Richterrecht geschaffene deliktische Verhaltenspflichten, wonach derjenige, der eine Gefahrenlage – gleich welcher Art – schafft oder andauern lässt, dazu verpflichtet ist, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Wichtige Fallgruppen sind:

  • Schaffung einer Gefahr: Ingerenz-Prinzip
  • Beherrschung einer Gefahr, z.B. Maschinen
  • Berufsbezogene VSP, z.B. Arzthaftung

 

  • Inhalt

Die Intensität der Pflicht hängt von folgenden Kriterien ab:

  • Grad der Gefahr
  • Erkennbarkeit der Gefahren für Dritte (z.B. Hinweisschilder)
  • Angemessenheit des Aufwandes
  • Der Anspruchsgegner muss Träger der Pflicht sein
  • Der Anspruchssteller muss durch die VSP geschützt sein

Grundsätzlich sind nur diejenigen Personen geschützt, die befugtermaßen mit der Gefahrenquelle in Berührung kommen. Eine Ausnahme hierzu stellen Kinder dar, sofern für diese die Gefahrenlage nicht erkennbar war.

  • Verletzung

Die VSP kann sowohl durch negatives Unterlassen als auch durch positives Tun verletzt werden, denn die VSP gebieten nicht nur ein bestimmtes Handeln, sondern verbieten zugleich ein gefährliches Handeln.

c) Kausalität zwischen der Verletzung der VSP und der Rechtsgutsverletzung (s.o.)

4. Rechtswidrigkeit (s.o.)

5. Verschulden

  • Inhalt: Bei Fahrlässigkeit ist lediglich die innere Sorgfaltswidrigkeit festzustellen. Diese ist zu bejahen, wenn der Anspruchsgegner die entsprechende Pflicht hätte erkennen können.
  • Bezugspunkt: Bezugspunkt für das Verschulden ist nur die Pflichtwidrigkeit, nicht jedoch die Erkennbarkeit der Rechtsgutsverletzung. Insofern besteht eine Parallele zu § 823 II BGB, der Schutzgesetzverletzung.
  • Beweislast: Die Verletzung der äußeren Sorgfalt indiziert die Verletzung der inneren Sorgfalt.

II. Rechtsfolge: Schadensersatz gemäß §§ 249 ff. BGB (s.o.)

C. § 823 I BGB bei Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts

I. Anwendbarkeit des § 823 I BGB

Das Recht aus Achtung und Entfaltung der eigenen Persönlichkeit genießt als „sonstiges Recht“ i.S.d. § 823 I BGB den Schutz der absoluten Rechte. Es wird zwar aus den Art. 1, 2 GG abgeleitet, ist aber mit diesen Grundrechten und ihrer Schutzwirkung nicht gleichzusetzen.

II. Anspruchsvoraussetzungen

1. Träger des allgemeinen Persönlichkeitsrechts

  • Natürliche Personen, auch die Leibesfrucht, wobei hier wie bereits erwähnt zu beachten ist, dass erst mit Vollendung der Geburt des Schadensersatzanspruch des Kindes entsteht (§ 1 BGB).
  • Verstorbene Personen, wahrgenommen durch die Angehörigen (bzgl. der ideellen Interessen) bzw. die Erben (bzgl. der vermögenwerten Aspekte). Dabei zu beachten ist aber, dass das postmortale Persönlichkeitsrecht mit zunehmendem Abstand zu dem Todeszeitpunkt Einschränkungen erfährt, welche aber nicht auf bestimmte Zeiträume festzulegen sind (an dieser Stelle muss eine Abwägung erfolgen).
  • Gesellschaften und Parteien, wobei der Umfang des Persönlichkeitsschutzes durch ihr Wesen als Zweckschöpfung des Rechts, ihre satzungsmäßige Funktion und ihre soziale Wertgeltung mit ihrem Aufgabenbereich beschränkt ist.

2. Inhalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts

Bei natürlichen Personen schützt das allgemeine Persönlichkeitsrecht in doppelter Hinsicht: Zum einen in statischer Hinsicht das Recht, in Ruhe gelassen zu werden und zum anderen in dynamischer Hinsicht das Recht auf eine freie Entfaltungsmöglichkeit und aktive Handlungsfreiheit. Auch personenbezogene Daten im Computer werden geschützt.

Geschützte Sphären sind:

  • Individualsphäre: Das Selbstbestimmungsrecht und die persönliche Eigenart des Menschen zur Umwelt, insbesondere seinem öffentlichen und beruflichen Wirken.
  • Privatsphäre: Es wird das Leben in häuslichen, familiären und sonstigen privaten Bereichen zur Abgeschiedenheit von der Wahrnehmung durch die Öffentlichkeit geschützt, auch bei Personen des aktuellen Zeitgeschehens.
  • Intimsphäre: Es wird die innere Gedanken- und Gefühlswelt mit ihren äußeren Erscheinungsformen und ihrem Anspruch auf Geheimhaltung geschützt (z.B. Tagebücher und Gesundheitszustand).

Bei Gesellschaften und Parteien umfasst das allgemeine Persönlichkeitsrecht die allgemeine Handlungsfreiheit als Teil ihrer wirtschaftlichen oder sozialen Betätigung.

III. Kausale Verletzungshandlung

1. Verletzungshandlung

Sie liegt in der Beeinträchtigung einer der vorgenannten Sphären, die nicht notwendigerweise vermögenrechtlicher Art sein muss. Dabei kann der Eingriff unmittelbarer oder mittelbarer Natur (z.B. durch eine Information an die Presse) sein.

2. Haftungsbegründende Kausalität (s.o.)

IV. Widerrechtlichkeit/ Rechtswidrigkeit

Im Gegensatz zu der „Grundform“ des § 823 I BGB, bei welcher die Rechtswidrigkeit indiziert wird, muss diese bei der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts positiv festgestellt werden.

1. Keine Rechtfertigungsgründe

Die Widerrechtlichkeit der Verletzungshandlung ist jedenfalls dann ausgeschlossen, soweit ein Rechtfertigungsgrund vorliegt (z.B. Einwilligung).

2. Positive Feststellung der Widerrechtlichkeit

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht stellt einen sog. offenen Tatbestand dar, sodass in jedem Einzelfall unter Würdigung aller Umstände, insbesondere des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, festgestellt werden muss, ob der Eingriff befugt war oder nicht. Es muss eine umfassende Güter- und Interessenabwägung anhand folgender Kriterien erfolgen:

  • Die Intimsphäre genießt absoluten Schutz; die Individualsphäre den schwächsten Schutz.
  • Art, Schwere und Folgen des Eingriffs
  • Eigenes Verhalten des Verletzten
  • Auf der Seite des Eingreifenden ist der mit der Beeinträchtigung beabsichtigte Zweck zu berücksichtigen (z.B. die Freiheit der Meinung, Presse, Kunst).
  • Bildveröffentlichungen von zeitgeschichtlichen Personen im privaten Alltag sind bei berechtigtem Interesse zulässig.

V. Verschulden des Schädigers (s.o.)

VI. Rechtsfolge:  Schadensersatz, §§ 249 ff. BGB

Bei der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts kommen als Rechtsfolge in Betracht Ansprüche auf:

  • Unterlassung, Beseitigung und Gegendarstellung
  • Geldentschädigung für immaterielle Schäden
  • Schadensersatz bei Beeinträchtigung vermögenswerter Interessen

D. § 823 I BGB bei Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb

I. Anwendbarkeit des § 823 I BGB

Das Recht am Gewerbebetrieb ist von der Rechtsprechung zu dem Zweck entwickelt worden, eine Lücke im gewerblichen Rechtsschutz zu schließen.

Zu beachten ist aber, dass der Schutz gegenüber den in § 823 I BGB genannten Rechtsgütern (insbesondere Eigentum), § 823 II BGB, § 824 BGB und den wettbewerbsrechtlichen Sondervorschriften (UWG, GWB, MarkenG und GeschmacksmusterG) subsidiär ist.

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II. Anspruchsvoraussetzungen

1. Beeinträchtigung des Rechts am Gewerbebetrieb

Def. Gewerbebetrieb: Gewerbebetrieb ist jeder auf Dauer angelegte und auf Gewinnerzielung gerichtete Betrieb. Darüber hinaus werden aber auch die freiberuflichen Tätigkeiten geschützt.

Def. Beeinträchtigung: Dies ist jeder unmittelbare Eingriff in den Bestand des Gewerbebetriebs und seine einzelnen Erscheinungsformen (Kunde, Geschäftsverbindungen, Bestand, Tätigkeitskreis etc.).

2. Eingriff betriebsbezogen

Der Eingriff muss sich spezifisch gegen den Betrieb als solchen richten, also die Organisation oder die unternehmerische Freiheit. Typische Fälle hierfür sind:

  • Eingriff in die Kundenbeziehungen, z.B. kundenschädigende Äußerungen
  • illegaler Streik
  • Betriebsblockade, Boykott

III. Rechtswidrigkeit

Auch hier muss die Rechtswidrigkeit festgestellt werden.

  • Es dürfen keine besonderen Rechtfertigungsgründe vorliegen.
  • Es muss auch hier eine umfassende Güter- und Interessenabwägung vorgenommen werden.

IV. Verschulden (s.o.)

V. Rechtsfolge: Schadensersatz nach §§ 249 ff. BGB

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