Der Herrenreiter-Fall und § 823 I BGB

Allgemeines Persönlichkeitsrecht Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG; Herrenreiterfall, Caroline von Monaco; Aufbauschema § 823 I BGB; VSP; Rahmenrechte

Datum
Rechtsgebiet Zivilrecht
Ø Lesezeit 8 Minuten
Foto: Rolf Dannenberg/Shutterstock.com

Auf Wunsch eines Facebook Users im Rahmen unserer „Wünsch dir was“-Woche folgt nun eine Artikelreihe, die sich mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht als Rahmenrecht des § 823 I BGB beschäftigt. Gewünscht war explizit die Caroline-von-Monaco-Rechtsprechung zu beleuchten. Dies haben wir zum Anlass genommen, den Hergang und die Entwicklung des allgemeinen Persönlichkeitsrecht als Rahmenrecht des § 823 I BGB einmal ausführlich darzustellen:

Der Fall der Caroline von Monaco interessiert typischerweise die geneigte Leserschaft der yellow press. Der gewöhnliche Jurist gibt sich da eher als eine Spezies, deren Interessen grundsätzlich diametral entgegengesetzt sind von denen Interessen der klatschsüchtigen desperate housewives mit Bunte-Abo.

Beim Namen Caroline von Monaco wissen ausnahmsweise yellow press victims und aufmerksame Jurastudenten gleichermaßen etwas zu berichten – wenn auch aus unterschiedlichen Gesichtspunkten:

Der Fall Caroline von Monaco reiht sich ein in eine Rechtsprechungsentwicklung, die im Herrenreiter-Fall Ende der 1960er Jahre ihre Anfänge nahm, im ersten Beschluss über die Prinzessin von Monaco weiter gedieh (Caroline I genannt) mit dem Urteil im Fall Ezra (BVerfGE 119, 1) erneut ins Feld geführt wurde. Nach dem Grundsatzurteil, das landläufig unter Caroline-von-Monaco-II Urteil bekannt wurde, findet dieser Streitgegenstand vorläufig seinen Höhepunkt durch das Urteil des EGMR, der sich mit der Frage zu beschäftigen hatte, wann eine Verletzung des Rechts am eigenen Bilde – als einer anerkannten Untergruppe des aPR – angenommen werden kann.

Vorliegend soll die Entwicklung der deutschen höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgezeigt und der aktuelle Stand zum Thema Recht am eigenen Bild und Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 1 I i.V.m Art. 2 I GG dargestellt werden.

A. Der Herrenreiter-Fall, Urteil v. 14. Feb. 1958, I ZR 151/56 (BGHZ 26, 349)

Stellen Sie sich vor, Sie (männlich) sind ein nach außen hin vor Kraft strotzender gut aussehender Freizeitreiter. Irgendwann finden Sie eine Werbeanzeige von sich, die, von einem Pharmakonzern, für ein Potenzmittel wirbt.

Weil das falsche Schlüsse über Ihr eigenes Unvermögen initiieren könnte, möchten Sie sich dagegen natürlich wehren. Und verlangen Schadensersatz. Diesen nachvollziehbaren Wunsch wird nun der geschulte Jurastudent, dem Sie diesen Wunsch antragen, versuchen nachzukommen.

Er stellt sich daher die Frage, ob Sie einen Anspruch auf Schadensersatz haben.

Zunächst einmal möchte ich klarstellen, dass die Vorschriften aus dem KUG grundsätzlichen dem § 823 I BGB vorgehen. Zu denken ist hier immer an einen SchEA aus §§ 823 II BGB i.V.m. 22 KUG. Warum ein solcher Anspruch auch leichter durchzusetzen ist, soll vorliegend verdeutlicht werden:

I. Anspruch auf Schadensersatz gem. § 823 I BGB

Der H müsste wegen der Verletzung seines Rechts am eigenen Bilde einen Anspruch aus § 823 I BGB haben.

1. Haftungsbegründender Tatbestand

a) Verletztes Rechtsgut

Dazu müsste eines der in § 823 I BGB abschließend genannten Rechtsgüter verletzt worden sein.

aa) Eigentum

In Betracht kommt das Eigentum als verletztes Rechtsgut. Aus der Eigentümerstellung ergeben sich die Rechte aus § 903 BGB.

Allerdings wurde hier nicht ein Foto des H gestohlen, an dem man grundsätzlich wirksam Eigentum erlangen kann. Vielmehr wurde der Schnappschuss von einem im Konzern arbeitenden Mitarbeiter aufgenommen.

Eine Eigentumsverletzung ist daher nicht ersichtlich.

bb) Vermögen

Weiterhin könnte das Vermögen dadurch beschädigt worden sein, dass dem H die Gelegenheit genommen wurde, das von ihm aufgenommene Bild selbst zu veräußern.

Nun ist das Vermögen kein absolutes Rechtsgut und wird ausdrücklich nicht von der Zentralnorm des Deliktsrechts, dem § 823 I BGB erfasst. Eine Subsumtion des Vermögens unter ein sonstiges Recht wäre ein schwerer Fehler, den bisweilen sogar Examenskandidaten machen.

cc) Das allgemeine Persönlichkeitsrecht als sonstiges Recht i.S.d. § 823 I BGB

Als das stärkste Recht gilt das Eigentum. Denn es gilt absolut gegen Jedermann. Das heißt, dass das Eigentum dem Inhaber dieser Rechtsposition eine Ausschluss- und eine Nutzungsfunktion ermöglicht, vgl. § 903 BGB. Daneben gibt es weitere absolute Rechte, die der § 823 I BGB ebenfalls aufzeigt. Neben den absoluten Rechten des § 823 BGB erwähnt Abs. 1 zudem die sonstigen Rechte. Auch diese Rechte müssen einen absoluten Charakter aufweisen, der dem Eigentum entspricht.

cc) Waren aa) und bb) eher fernliegende Untersuchungen, die nur der Illustration des folgenden Problems dienen sollten, so kommt jetzt ein Detail, das jeder im Zusammenhang mit § 823 I BGB kennen sollte:

Denn neben den absoluten Rechten, die im § 823 I BGB ausdrücklich erwähnt werden, fallen unter die sonstigen Rechte unter anderem sog. Rahmenrechte. Dazu gehört nach st. Rspr. zum einen das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (kurz: ReaG) und zum anderen das allgemeine Persönlichkeitsrecht gem. Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG. Beide Rechtsgüter erscheinen zunächst sehr weit in ihrem Anwendungsbereich. Zur Vermeidung dass unter diese beiden Begriffe alles subsumiert werden kann und die Deliktsnorm zu einem großangelegten Schadensersatzanspruch über die Hintertür führt, gibt es eine sehr feinsinnige Judikatur. Diese wurde auch am sog. Herrenreiter-Fall entwickelt.

Fraglich ist also, ob in den Schutzbereich des aPR eingegriffen wurde (diese Terminologie dürfte jedem aus dem Verfassungsrecht geläufig sein. Und in der Tat ist das aPR ja auch ein aus zwei Grundrechten zusammengesetztes Recht. Eine weitere terminologische Genauigkeit ist es, hier nicht von RechtsgutsVERLETZUNG zu sprechen, sondern den Begriff eins-zu-eins aus dem Verfassungsrecht zu übernehmen und hier von einem Eingriff zu sprechen. Denn aus dem Verfassungsrecht dürfte ebenfalls bekannt sein, dass nicht jeder Eingriff auch gleich eine Verletzung darstellt! Jetzt wird auch deutlich, warum ein Anspruch aus dem KUG einfacher durchzuprüfen ist. Hier sind die TB-Merkmale wesentlich schneller zu bejahen.)

Zur Prüfung: Durch die unbefugte Verwendung des Bildes zu Werbezwecken durch den Konzern wurde in das aPR des H eingegriffen.

Zu den Fallgruppen des aPR gehört nach st. RSpr. das Recht am eigenen Bilde.

b)Verletzungshandlung

Der Konzern K hat das Bildnis des des H unbefugt genutzt.

c) Haftungsbegründende Kausalität (Kausalität zwischen Verletzungshandlung und Verletzungserfolg)

Durch das Nutzbarmachen zu Werbezwecken hat K äquivalent kausal in den Schutzbereich des aPR des H eingegriffen.

d) Rechtswidrigkeit

Bei den sog. Rahmenrechten muss, genau wie bei der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten, die Rechtswidrigkeit positiv festgestellt werden. Es muss daher anhand einer vollumfänglichen Abwägung der widerstreitenden Interessen festgestellt werden, dass das Verhalten rechtswidrig war.

aa) Interesse des H

Auf Seiten des H ist wohl anzuführen, dass es einen empfindlichen Eingriff in seine Intimsphäre darstellt, wenn er mit einem Potenz fördernden Mittel in Verbindung gebracht würde. Nach der Drei-Sphären-Theorie des BVerfG stellt insbesondere jeder Eingriff in die Intimsphäre eine Verletzung dar. Diese ist unantastbar und abwägungsfest. Zwar wurde das Foto auf einer öffentlichen Veranstaltung geschossen, weshalb auch von der dritten Sphäre, also der sozialen Sphäre ausgegangen werden könnte. M.E. ist der Kontext, der bei dem Werbeplakat zwangsläufig zu Bewusstsein gelangt, allerdings im Bereich der Intimsphäre anzusiedeln.

bb) Interessen des Konzerns K

Für den Konzern kann allenfalls ins Feld geführt werden, dass er wirtschaftliche Zwecke verfolgte und mit dem Werbeplakat monetäre Aspekte verfolgte.

cc) Abwägung der Interessen

Nach Berücksichtigung des oben Gesagten überragen die Interessen des H denen des K.

Die Rechtswidrigkeit ist gegeben.

e) Verschulden, § 276 BGB

Der K müsste die Verletzung ferner zu verschulden haben. Der K handelte vorsätzlich als er das Foto für seine Werbekampagne verwendete. Mithin handelte er schuldhaft.

Der haftungsbegründende Tatbestand ist erfüllt.

2. Haftungsausfüllender Tatbestand

a) Schaden

Der H müsste einen Schaden erlitten haben. Dieser Punkt gestaltet sich nun recht schwierig. Es ist nicht auf den ersten Blick einzusehen, was genau der zu ersetzende Schaden ist.

Bei genauer Betrachtung ist der Schaden eher ein immaterieller. Denn die Schmach, auf einem Plakat zu erscheinen, das impliziert, man hätte irgendwie geartete Potenzschwierigkeiten ist hier vordergründig.

Für einen entgangenen Gewinn i.S.d. § 252 BGB ist nichts ersichtlich. Es ist nicht anzunehmen, dass der H seinerseits durch monetäre Anreize dieses Bild in diesem Zusammenhang verkaufen wollte.

Bei einem immateriellen Schaden ist nur unter den Voraussetzungen der §§ 249, 250 BGB, ausnahmsweise nach § 253 BGB ein ersatzfähiger Schaden anzunehmen. Ausnahmsweise kann nach § 251 BGB Ersatz in Geld gezahlt werden.

→ Nun kommt die Besonderheit: Im Fall einer Verletzung des aPR bestimmt die Rechtsprechung, dass der Ersatzanspruch sich nicht aus den §§ 249 ff. BGB ergibt, sondern aus der Verfassung selbst. Die Höhe liegt dann wiederum im Ermessen des Gerichts, vgl. § 287 ZPO. Es muss daher nicht auf die §§ 249 ff. BGB rekurriert werden, sondern der Anspruch leitet sich bei einer schwerwiegenden Beeinträchtigung eben aus der Verfassung selbst ab. Dies stellt eine krasse Abweichung zu dem Regelfall § 253 BGB dar.

b) Haftungsausfüllende Kausalität

Im Rahmen des § 823 I BGB gibt es neben der Haftungsbegründenden Kausalität auch die sog. haftungsausfüllende Kausalität, das ergibt sich aus der Formulierung in § 823 I BBG: Verpflichtung zum „Ersatz des daraus entstandenen Schadens“. Hier wird nun die Kausalität zwischen der Rechtsgutsverletzung und dem Schadensposten untersucht.

Die haftungsausfüllende Kausalität ist hier demnach äquivalent kausal gegeben.

Somit liegt auch der haftungsausfüllende Tatbestand vor. Der H hat einen kausalen Schaden, dessen Höhe vom Gericht bestimmt wird.

Der § 823 I BGB ist einschlägig; H kann Schadensersatz nach dieser Norm geltend machen.

In einem weiteren Artikel setzen wir uns quasi als Fortsetzung und Abrundung mit der Caroline-von-Monaco-Rechtsprechung auseinander.

Viel Spaß und maximalen Erkenntnisgewinn.

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Anmerkungen

Und wie immer gilt: Wenn ihr Fragen oder Anregungen habt, könnt ihr uns jederzeit kontaktieren.

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siehe auch: Caroline von Monaco I und Caroline von Monaco II

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