Mietrecht – Klausur

Umfangreiche Examensklausur zum Schuldrecht; mit Mietrecht, allgemeinem Schuldrecht und BGB-AT zur Vorbereitung auf das Examen im Zivilrecht.

Datum
Rechtsgebiet Schuldrecht BT
Ø Lesezeit 11 Minuten
Foto: Aleks Ka/Shutterstock.com

Bearbeitungszeit: 5 Stunden

Themen: Mietrecht, Mängel der Mietsache, allgemeines Schuldrecht und Leistungsstörungsrecht

Sachverhalt

Matthias wohnt zur Miete bei Viktor in dessen Wohnung. Im Januar fällt ein Holzbalken von der Decke des Hauses herunter und trifft Matthias am Fuß, sodass dieser für 300€ Behandlungskosten aufwenden muss.

Der lockere Holzbalken war auf einen Konstruktionsfehler zurückzuführen, welcher schon bestand lange bevor Matthias bei Viktor eingezogen ist. Der Mietwert der Wohnung lag zur Zeit des Mangels bei 300 € statt 600 €. Erzürnt über dieses Ereignis erklärt er Ende Januar gegenüber Viktor, dem er die Miete für Januar bereits überwiesen hatte, er mindere die – 600 € betragende – Februarmiete um hundert Prozent für den Fall, dass dies gesetzlich zulässig sei. Noch vor dem 01.02. hatte der fürsorgliche Viktor den Mangel bereits behoben.

Noch am selben Tag beschließt Matthias, sich von dem Schrecken zu erholen und Urlaub im Schwarzwald zu machen. Er entdeckt die Ferienwohnung des Dieter, welche die Wohnung Erholungsuchenden zu einem angemessenen Preis von 500€ pro Woche zur Verfügung stellt. Sogleich bucht er einen Aufenthalt wirksam bei Dieter. Bei Vertragsschluss erwähnte Matthias gegenüber Dieter, dass dies der einzig mögliche Zeitpunkt eines Urlaubs für ihn darstellt, da er in nächster Zeit beruflich besonders viel zu tun habe. Als er zum vereinbarten Zeitpunkt zur Schlüsselübergabe im Schwarzwald erscheint, kann er Dieter nirgendwo finden. Aus Versehen hat Dieter in der Zeit selbst einen Urlaub in Thailand gebucht und den Termin mit Matthias verschwitzt. Als Matthias den Dieter weder auffindet noch irgendwie anders erreichen kann, sieht er eine Lösung für sein Problem. Ein Fenster der im Erdgeschoss gelegenen Wohnung ist leicht gekippt. Mit einem geschickten Handgriff öffnet Matthias das Fenster komplett, steigt in die Wohnung ein und verbringt dort seinen wohlverdienten Urlaub. Nachdem er abgereist ist erfährt Dieter, dass Matthias in der Wohnung gewohnt hat und verlangt die Miete von Matthias. Dieser weigert sich zu bezahlen, da schließlich Dieter den Termin verschwitzt habe und froh sein könne, dass es so glimpflich gelaufen sei.

Frage 1: Kann Viktor die Miete für Februar von Matthias verlangen?

Frage 2: Welche Ansprüche hat Dieter gegen Matthias wegen seines Aufenthaltes in der Wohnung im Schwarzwald?

Bearbeitervermerk: In einem Gutachten, welches – ggf. hilfsgutachterlich – auf alle aufgeworfenen Rechtsfragen eingeht sind die Fragen in der vorgegebenen Reihenfolge zu beantworten.

Lösung

Gutachten

Frage 1: Anspruch des Viktor (im Folgenden: V) gegen Matthias (im Folgenden: M) auf Zahlung der Februarmiete in Höhe von 600 €.

A. V könnte gegen M einen Anspruch auf die Februarmiete in Höhe von 600 € aus Mietvertrag gemäß § 535 II BGB haben. Dazu müsste der Anspruch entstanden (I.) nicht wieder erloschen (II.) und durchsetzbar (III.) sein.

I. Aus dem Sachverhalt ergibt sich, dass zwischen M und V ein wirksamer Mietvertrag besteht, da M bei V „zur Miete wohnt“. Rechtshindernde Einwendungen sind nicht ersichtlich.

II. Der Anspruch dürfte nicht erloschen sein.

  1. Die Monatsmiete für Februar wurde noch nicht beglichen, sodass § 362 I BGB, sog. Erfüllung, nicht vorliegt.
  2. In Betracht kommt die ipso iure eintretende Minderung gemäß § 536 I 1 BGB. Dazu müsste die Mietsache von Anfang an mangelhaft i.S.v. § 536 I BGB gewesen sein. Jedoch wurde der Mangel inzwischen behoben. Somit fehlt es an einem Mangel im Februar. Die Minderung nach § 536 I 1 BGB scheidet aus.
  3. Es könnte sein, dass der Anspruch gemäß §389 BGB durch Aufrechnung erloschen ist. Dazu bedarf es einer Aufrechnungslage (a)) und einer Aufrechnungserklärung (b)).

a) Fraglich ist, ob eine Aufrechnungslage besteht.

aa) Es müsste die Gegenseitigkeit vorliegen, § 387 BGB.

(1) Die sog. Hauptforderung, also die Forderung des V, besteht (s.o.).

(2) Es müsste eine Gegenforderung bestehen. In Betracht kommen ein Anspruch aus § 812 I 1 BGB hinsichtlich der für Januar zu viel gezahlten Miete und ein Schadensersatzanspruch für die Behandlungskosten.

(a) Gemäß § 536 I 1 BGB minderte sich die Miete für Januar um 300€. Damit erfolgte die Leistung dieser Miete rechtsgrundlos. Ein Anspruch gemäß § 812 I 1 Alt 1 BGB besteht.

(b) Fraglich ist, ob ein Schadensersatzanspruch für die Behandlungskosten besteht. In Betracht kommt § 536a I Var. 1 BGB, sog. Garantiehaftung. Ein anfänglicher Mangel bestand in dem lockeren Balken. Ein Vertretenmüssen des V ist nach dem Wortlaut nicht erforderlich. Der Schaden bestimmt sich nach der Differenzhypothese des § 249 I BGB. Vorliegend greift § 249 II 1 BGB als Ausnahme zur Naturalrestitution. Fraglich ist jedoch, ob unter diese verschuldensunabhängige Haftung auch die entstandenen Körperschäden fallen. Es ließe sich einwenden, dass die Weite des Tatbestandes auf der Rechtsfolgenseite (§§ 249 ff BGB) einschränkungsbedürftig ist. Indes umfasst die Minderung nach § 536 I 1 BGB wirtschaftlich betrachtet bereits den Mangelschaden. Daher geht § 536a I Var. 1 BGB nur dann über § 536 I 1 BGB hinaus, wenn dieser den Mangelfolgeschaden ebenfalls umfasst. Ferner differenziert § 536a I Var. 1 BGB dem Wortlaut nach nicht zwischen Mangel- und Mangelfolgeschäden. Etwaige Differenzierungen, die vormals auch nur im Werkvertragsrecht galten, wurden mit der Schuldrechtsreform aufgegeben. Hinzu kommt, dass der Vermieter in der Lage ist mögliche Schäden zu versichern, oder die Haftung aus § 536a I Var. 1 BGB auszuschließen. Schließlich lässt sich für die Totalreparation generell anführen, dass dem Schadensersatzschuldner der Ausweg in die Restschuldbefreiung nach §286 InsO zusteht. Damit stellt der Ersatz von Mangelfolgeschäden keine unbillige Härte dar. Damit fällt der vorliegende Mangelfolgeschaden unter § 536a I Var. 1 BGB, sodass eine zweite Forderung in Höhe von 300€ besteht. Damit stehen M Gegenforderungen in Höhe von 600 € zu.

Zwischenergebnis: Gegenseitige Forderungen bestehen.

bb) Die Forderungen müssten gleichartig sein, § 387 BGB. Bei dem Mietzins handelt es sich um eine Geldsummenschuld, hingegen bei dem Schadensersatz um eine Geldwertschuld. Hält man in diesem Fall die Gleichartigkeit für nicht gegeben, so sind die Schulden im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung zumindest fix und damit gleichartig.

cc) Die Hauptforderung ist erfüllbar, §§ 387, 271 I Alt. 2 BGB.

dd) Die Gegenforderungen sind fällig, § 271 I Alt 1 BGB, und einredefrei, § 390 BGB.

ee) Ein Ausschluss der Aufrechnung besteht nicht. Insbesondere lässt sich dem Sachverhalt nicht entnehmen, dass im Mietvertrag individualrechtlich oder klauselmäßig ein Ausschluss der Aufrechnung vereinbart wurde, sodass § 556 b Abs. 2 BGB keine Anwendung findet.

ff) Eine Aufrechnungslage besteht.

b) Die Aufrechnung müsste wirksam erklärt worden sein, § 388 S. 1 BGB.

M erklärte die Minderung der Miete. Nach dem objektiven Empfängerhorizont, §§ 133 i.V.m. 157 BGB, ist dies als Aufrechnungserklärung auszulegen. Diese ist gemäß § 388 S. 2 BGB bedingungsfeindlich, um den Aufrechnungsgegner vor einer unzumutbaren Schwebelage zu bewahren.

Hier erklärte M die Aufrechnung für den Fall, dass diese rechtlich zulässig sei. Der Sache nach wird die Wirksamkeit Aufrechnung von der Rechtslage abhängig gemacht. Darin könnte eine Bedingung im Sinne eines künftigen und ungewissen Ereignisses liegen, von dessen Eintritt die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts abhängt, sog. aufschiebende Bedingung gemäß § 158 I BGB. Indes macht M die Aufrechnung von der Rechtslage abhängig, welche gegenwärtig und gewiss, ihm allenfalls unbekannt ist. Damit stellt die sog. Rechtsbedingung bereits technisch betrachtet keine Bedingung im Rechtssinne dar.

Auch erkennt der Gesetzgeber in § 45 III GKG die hilfsweise innerprozessuale Aufrechnung an. Folglich muss eine außerprozessuale, hilfsweise Aufrechnung erst Recht zulässig sein.

Die Aufrechnung wurde wirksam erklärt.

  1. Der Anspruch ist damit erloschen.

B. V hat gegen M keinen Anspruch auf die Februarmiete in Höhe von 600 €.

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Frage 2: Ansprüche des Dieter (im Folgenden: D) gegen M wegen des Aufenthaltes in der Wohnung im Schwarzwald.

A. Vertraglich: Anspruch aus Mietvertrag gemäß § 535 II BGB

D könnte gegen M einen Anspruch auf Zahlung von 500 € aus Mietvertrag gemäß § 535 II BGB haben. Dazu müsste der Anspruch entstanden (I.) nicht wieder erloschen (II. /III.) und durchsetzbar sein.

I. M und D haben gemäß Sachverhalt einen Mietvertrag geschlossen, der einen Anspruch in Höhe von 500 € entstehen ließ.

II. Der Anspruch ist nicht wegen Erfüllung, § 362 I BGB erloschen.

III. Der Anspruch könnte gemäß § 326 I 1 BGB erloschen sein. Dazu müsste ein synallagmatischer Vertrag vorliegen (1.), von dessen Hauptleistungspflicht D gemäß § 275 BGB befreit wurde (2.). Auch dürfte keine anspruchserhaltende Gegennorm für D bestehen (3.).

  1. Aus der Systematik des § 326 BGB folgt, dass es eines gegenseitigen Vertrages bedarf, was bei einem Mietverhältnis gegeben ist.
  2. Die Pflicht des D, dem M die Mietsache zu überlassen, könnte unmöglich geworden sein. Unmöglichkeit im Sinne von § 275 I BGB meint ein dauerndes Leistungshindernis, das auch durch eine spätere Nacherfüllung nicht behoben werden kann. In Betracht kommt vorliegend zeitliche Unmöglichkeit. Diese setzt voraus, dass der Schuldner eines zeitgebundenen Dauerschuldverhältnisses seine Pflicht nicht erfüllt.

a) Die Miete von einer Ferienwohnung ist ein zeitgebundenes Dauerschuldverhältnis. Der Fixschuldcharakter wird im vorliegenden Fall dadurch unterstrichen, dass M dem D mitteilte, er habe nur zu dem betreffenden Zeitraum Urlaub. Eine Nachholung war daher nicht möglich.

b) D dürfte seine vertragliche Pflicht nicht erfüllt haben. Geschuldet war vorliegend die Überlassung der Mietsache, § 535 I 2 Alt. 1 BGB, und die Gewährung des Gebrauchs, § 535 I 1 BGB. Hier hat sich M selbst in den Besitz der Mietsache gesetzt. Fraglich ist, ob hierin eine Überlassung im Sinne von § 535 I 2 Alt. 1 BGB gesehen werden kann.

aa) Dafür spricht, dass M die Wohnung tatsächlich nutzen konnte, sodass für ihn wirtschaftlich keine Einbuße vorlag. Auch entstünde ein Wertungswiderspruch, wenn man denjenigen begünstigt, der den Besitz an einer Sache durch verbotene Eigenmacht, § 858 I BGB, erhält.

bb) Gegen das Argument der Wertung des § 858 I BGB spricht jedoch das Trennungsprinzip. Schuldrechtliche und sachenrechtliche Wertungen sind strikt zu trennen. Ferner ist zu bedenken, dass im vorliegenden Fall M lediglich durch einen glücklichen Zufall Zutritt zur Wohnung erhielt. Er trug also das Risiko, die Wohnung nicht nutzen zu können.

cc) Auch der allgemeine Sprachgebrauch spricht dafür, zwischen einer „Überlassung“ – im Sinne eines Gebens – und einer verbotenen Eigenmacht – im Sinne eines Nehmens – zu trennen. Im konkreten Fall kommt hinzu, dass explizit wie Schlüsselübergabe vereinbart wurde. Die Parteien bestätigen damit privatautonom die gesetzgeberische Entscheidung, zwischen Geben und Nehmen zu unterscheide. Schließlich spricht auch der Gedanke des § 254 II 1 BGB, sog. Schadensminderungsobliegenheit, für M. Dieser hat durch sein Verhalten einen Schaden – etwa durch Bezug eines Hotelzimmers – vermieden.

dd) Die besseren Gründe sprechen daher dafür eine Überlassung abzulehnen und folglich keine Erfüllung anzunehmen. Die Pflicht ist nicht gemäß § 362 I BGB erloschen. D erbrachte seine somit die Hauptleistung nicht. Es liegt ein Fall der Unmöglichkeit vor.

  1. Es dürfte für D keine anspruchserhaltende Gegennorm greifen. Eine solche ist vorliegend nicht ersichtlich. Insbesondere greift §537 I 1 BGB nicht ein, da M Ferienwohnung gar nicht nutzen konnte.
  2. Der Anspruch ist erloschen.

IV. D hat gegen M keinen Anspruch gemäß § 535 II BGB.

B. Ein Anspruch könnte aus §§ 687 II 1, 681 S. 2, 667 BGB, sog. angemaßte Eigengeschäftsführung, folgen. Jedoch liegt im vorliegenden Fall allenfalls ein sog. „auch-fremdes-Geschäft“ vor. Diese Rechtsfigur ist eng auszulegen, um das Vertrags- und Bereicherungsrecht nicht zu umgehen, sodass im Fall des § 687 II 1 BGB das „auch-fremdes-Geschäft“ nicht anzuwenden ist. Ein Anspruch scheidet aus.

C. D könnte gegen M einen Anspruch gemäß §§ 987 I, 990 I BGB auf Nutzungsersatz haben. Dazu müsste ein Eigentümer-Besitzer-Verhältnis (im Folgenden: EBV) vorliegen. Zwar war D Eigentümer der Wohnung und M Besitzer. Jedoch stellt der Mietvertrag ein obligatorisches Recht zum Besitz dar, § 986 I 1 BGB. In diesem Fall besteht die Besonderheit, dass sich M durch verbotene Eigenmacht in den Besitz der Wohnung gesetzt hatte. Damit hat er sein Besitzrecht überschritten. Nach der Lehre des „Nicht-So-Berechtigten-Besitzers“ entsteht bei Überschreitung des obligatorischen Besitzrechts ein EBV. Dies ist jedoch abzulehnen, da hinsichtlich der Pflichtverletzungen das Vertragsrecht vorrangig ist. Daher scheidet der Anspruch aus.

D. §§ 823 ff BGB Mangels Schaden scheiden die §§823ff BGB aus.

E. § 812 I 1 Alt. 1 BGB Mangels Leistung im Sinne einer bewussten und zweckgerichteten Mehrung fremden Vermögens scheidet ein Anspruch aus Leistungskondiktion aus.

F. § 812 I 1 Alt. 2 BGB D könnte gegen M einen Anspruch gemäß §812 I 1 Alt 2 BGB auf 600 € haben, sog. Nichtleistungskondiktion. Die Nutzungsmöglichkeit der Wohnung war ein Vermögensvorteil. Diesen erlangte M nicht durch Leistung. Die Nutzung stellte auch einen Eingriff in den wirtschaftlichen Zuweisungsgehalt des D dar. Jedoch besteht mit dem Mietvertrag ein Rechtsgrund. Somit scheidet auch § 812 I 1 Alt 2 BGB aus.

G. Ergebnis D hat gegen M keinen Anspruch in Höhe von 600 €.

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