Die Bürgschaft

„Den Bürgen soll man würgen“. Die Folgen einer Bürgschaft können gravierend sein. Welche das sind und welche Rechte ein Bürge hat, erfahren Sie hier.

Datum
Rechtsgebiet Schuldrecht BT
Ø Lesezeit 9 Minuten
Foto: sirtravelalot/Shutterstock.com

„Den Bürgen soll man würgen“ heißt es im Volksmund. Das bedeutet, wer eine Bürgschaft unterschreibt, wird in Anspruch genommen. Notfalls wird die Forderung auch zwangsweise durchgesetzt. Die Folgen einer Bürgschaft können allerdings gravierend sein. Und es wird keine Rücksicht auf die „edlen“ Motive genommen, also darauf, dass die Bürgschaft aus Gefälligkeit, Mitgefühl oder verwandtschaftlicher Verpflichtung heraus entstanden ist.

Allgemeines zur Bürgschaft

Die Bürgschaft ist ein Mittel der Kreditsicherung.

Der Gläubiger will sich durch die Bürgschaft für den Fall einer Zahlungsunfähigkeit seines Hauptschuldners absichern. Meistens handelt es sich bei dem Hauptschuldner (gemäß § 765 I BGB: Dritter) um einen Kreditnehmer und bei dem Gläubiger um ein Kreditinstitut, welches das Darlehen gewährt.

Wer Kredit gewährt, kann sich zum einen durch Rechte an Gegenständen seines Schuldner (sogenannte dingliche Sicherheiten) und zum anderen dadurch sichern, dass weitere Personen neben dem Hauptschuldner selbst mit ihrem Vermögen für die Verbindlichkeiten einstehen (sogenannte persönliche Sicherheiten).

Zu diesen persönlichen Sicherheiten gehört die Bürgschaft.

Zustandekommen der Bürgschaft

(a) Vertrag

Die Bürgschaft ist ein Vertrag, mit dem sich der Bürge (A) verpflichtet, die Verpflichtungen des Hauptschuldners (B) gegenüber dem Gläubiger (C) zu erfüllen, sofern der Hauptschuldner (B) sie nicht selbst erfüllt.

Die wichtigsten Voraussetzungen der Bürgschaft sind das Vorliegen einer Hauptverbindlichkeit zwischen Gläubiger und Hauptschuldner (also B und C) und ein wirksamer Bürgschaftsvertrag zwischen Gläubiger und Bürge, § 766 BGB.

(b) Akzessorietät

Hauptverbindlichkeiten sind in den meisten Fällen Darlehensschulden. Diese müssen bestehen, da die Bürgschaft und damit die Ansprüche aus § 765 I BGB erst mit Entstehen der gesicherten Forderung entstehen (Akzessorietät).

Zu beachten ist aber, dass gemäß § 765 II BGB eine Bürgschaft auch für künftige oder bedingte Verbindlichkeiten übernommen werden kann. Allerdings muss eine künftige Hauptverbindlichkeit bei Begründung der Bürgschaft bereits bestimmbar sein.

(c) Form

Das Gesetz will den Bürgen vor einer Überrumpelung schützen. Deswegen ist in § 766 I BGB die Schriftform normiert.

Das Bürgschaftsversprechen, aber nicht der Bürgschaftsvertrag, muss gemäß § 766 I BGB schriftlich abgegeben werden. Hier gilt es genau zu lesen, denn nach dem eindeutigen Wortlaut gilt § 766 I BGB nicht für den gesamten Vertrag, sondern nur für die Erklärung des Bürgen. Die Annahme des Gläubigers ist nicht formgebunden und auch stillschweigend möglich, da es sich bei dem Bürgschaftsvertrag um einen einseitig verpflichtenden Vertrag handelt und er kein gegenseitiger Vertrag ist. Explizit ausgeschlossen ist die elektronische Form, § 766 S. 2 BGB, da diese den Bürgen nicht ausreichend warnt/alarmiert.

Nur ein Kaufmann kann, wenn die Bürgschaft für ihn ein Handelsgeschäft darstellt, die Bürgschaftserklärung formlos abgeben, vgl. § 350 HGB.

Nichtigkeit der Bürgschaft nach § 138 BGB

Zu prüfen ist auch immer, ob der Bürgschaftsvertrag nach § 138 BGB nichtig sein könnte.

Häufig kommt es in den Sachverhalten vor, dass der Bürge über kein regelmäßiges, sondern nur über ein geringes Einkommen verfügt oder er fast mittellos ist. Bürgschaftsverträge sind dann unwirksam, wenn sie erkennbar Ausdruck einer strukturellen Unterlegenheit des Bürgen sind und für ihn eine nicht hinnehmbare, mit seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen unvereinbare Belastung begründen (vgl. Heinemann/Pickartz, JuS 2002, 1081, 1085).

Allerdings sind an die Sittenwidrigkeit strenge Maßstäbe zu setzen, denn im Zivilrecht gilt der Grundsatz der Privatautonomie: Es steht in der eigenen und freien Entscheidung eines Bürgen, sich durch eine Bürgschaft zu verpflichten, egal, ob eine finanzielle Überforderung droht oder besteht.

Das Bundesverfassungsgericht hat zumindest für Fälle von Bürgschaften naher Verwandter einige Kriterien aufgestellt, nach denen eine Beurteilung der Sittenwidrigkeit vorzunehmen ist. Es muss ein objektiver und subjektiver Sittenverstoß vorliegen.

(a) Objektiver Sittenverstoß

Zum einen muss geprüft werden, ob objektiv eine Sittenwidrigkeit gegeben ist. Das ist dann der Fall, wenn ein krasses Missverhältnis zwischen Bürgschaftsverpflichtung und finanzieller Leistungsfähigkeit des Bürgen besteht.

Das ist zum Beispiel gegeben, wenn der Bürge noch nicht mal in der Lage ist, die Zinslast der Hauptschuld zu tragen. Natürlich müssen in der Klausur nicht die Zinsen ausgerechnet werden – es reicht, wenn der Prüfungspunkt „objektiver Sittenverstoß“ bekannt ist und er unvoreingenommen anhand des Einzelfalls geprüft wird. In der Regel sind die Sachverhalte sehr eindeutig und das krasse Missverhältnis springt einem förmlich ins Auge.

Hinzukommen muss weiterhin eine strukturelle Unterlegenheit des Bürgen. Hier ist vor allem an eine emotionale Verbundenheit des Bürgen mit dem Schuldner zu denken, aber auch an eine Verharmlosung des Risikos durch den Gläubiger, das Ausnutzen geschäftlicher Unerfahrenheit oder auch Überrumpelungen.

(b) Subjektiver Sittenverstoß

Für das subjektive Element ist zu verlangen, dass der Gläubiger von der finanziellen Überforderung des Bürgen weiß – hierbei reicht allerdings bereits grob fahrlässige Unkenntnis aus. Es ist daher immer die Pflicht des Gläubigers, sich nach den Vermögensverhältnissen des Bürgen zu erkundigen.

AGB-Kontrolle der Bürgschaft

Häufig finden sich in den Klausuren auch vorformulierte Bürgschaftserklärungen, etwa wenn die Bank als Gläubigerin auftritt. Bei sogenannten Globalbürgschaften heißt es etwa: „Bürgschaft zur Sicherung aller gegenwärtigen und künftigen Forderungen“.

(a) Wirksame Einbeziehung

Zu prüfen ist erstmal die wirksame Einbeziehung der AGB, § 305 ff. BGB.

Eine überraschende Klausel zum Beispiel wäre nach § 305 c I BGB unwirksam. Hier stellt sich die Frage, ob es für den Bürgen überraschend ist, wenn eine Klausel nicht nur eine Haftung für Ansprüche vorsieht, die Anlass der Verbürgung sind, sondern auch künftige Forderungen einbezieht.

Nach früherer Auffassung waren solche Globalbürgschaften nicht überraschend – auch wenn der Anlass der Bürgschaft nur ein bestimmter Anspruch des Kreditinstituts gewesen ist. Heute jedoch wird der Vorschrift des § 767 I S. 3 BGB das Erfordernis einer Begrenzung entnommen. Ein nach Übernahme der Bürgschaft getätigtes Rechtsgeschäft, durch das sich die Forderung gegen den Hauptschuldner erhöht, darf nicht die Verpflichtung des Bürgen erweitern.

Vorsicht jedoch: Um überrascht zu sein, muss man sich vorher schon Vorstellungen gemacht haben. Jemand, der sich blindlings verbürgt, kann nicht überrascht sein, wenn die Haftung auch auf künftige Forderungen erstreckt wird.

(b) Inhaltskontrolle

Die Klausel müsste gem. §§ 307 ff. BGB auch der Inhaltskontrolle Stand halten.

In Betracht kommt häufig die unangemessene Benachteiligung, die im Rahmen des § 307 I, II BGB zu prüfen ist. Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn die Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken des dispositiven Rechts nicht zu vereinbaren ist. Eine unbegrenzte Bürgschaft, die aus Anlass einer konkreten Hauptverbindlichkeit übernommen wurde, verstößt etwa gegen das Verbot der Fremddisposition. Ein Bürge braucht nämlich nicht gemäß § 767 I S. 3 BGB davon auszugehen, dass Gläubiger und Hauptschuldner nach Abschluss des Bürgschaftsvertrags weitere ihn zusätzlich belastende Rechtsgeschäfte tätigen.

Widerrufsrecht des Bürgen beim Haustürgeschäft?

Fraglich ist, ob man einen Bürgschaftsvertrag, den ein Verbraucher gem. § 312 b I BGB außerhalb von Geschäftsräumen des Unternehmers schließt, nach §§ 312 g, 355 ff. BGB widerrufen kann, ob also § 312 b I BGB auf Bürgschaftsverträge anwendbar ist. Eine Mindermeinung lehnt die Anwendung ab. So sei insbesondere der Bürgschaftsvertrag nicht auf eine entgeltliche Leistung gerichtet, wie von § 312 I BGB gefordert, da die Bürgschaft kein gegenseitiger Vertrag sei. Die herrschende Meinung hingegen befürwortet eine Anwendung und entkräftet das Argument der Gegenseite damit, dass aus dem Fehlen der Gegenseitigkeit nicht auf das Fehlen der Entgeltlichkeit geschlossen werden kann, da beide Begriffe nicht auf derselben Ebene stehen. In der Tat sei die Bürgschaft entgeltlich, wobei das Entgelt in der Gewährung des Kredits an den Hauptschuldner liege, so BGH NJW 1993, 1594.

Beachte: Früher war Voraussetzung für den Widerruf, dass die Bürgschaftserklärung in einer sog. „Haustürsituation“ abgegeben wurde. Seit 13.06.2014 stellt das Gesetz nun nicht mehr auf die „Haustürsituation“ ab, sondern darauf, ob der Vertrag außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen wird, § 312 b BGB.

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Einreden des Bürgen

(a) Einrede der Vorausklage bei der Bürgschaft

Vor Inanspruchnahme des Bürgen muss der Gläubiger zunächst versuchen, durch Vollstreckung die Schuld bei dem Schuldner einzutreiben, sogenannte Einrede der Vorausklage. Diese hat die Grundlage in § 771 BGB und gibt dem Bürgen das Recht, seine Zahlung solange zu verweigern, bis der Gläubiger erfolglos eine Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner versucht hat.

Allerdings ist die Einrede der Vorausklage gemäß § 773 I Nr. 1 BGB ausgeschlossen, wenn der Bürge auf sie verzichtet hat. Das ist dann der Fall, wenn sich der Bürge selbstschuldnerisch verbürgt.

Gemäß § 349 HGB steht dem Bürgen die Einrede der Vorausklage nicht zu, wenn die Bürgschaft für ihn ein Handelsgeschäft ist.

(b) Einrede der Anfechtbarkeit (durch den Hauptschuldner)

Gemäß § 770 I BGB kann der Bürge die Befriedigung des Gläubigers verweigern, solange dem Hauptschuldner das Recht zusteht, das seiner Verbindlichkeit zu Grunde liegende Rechtsgeschäft anzufechten.

(c) Einrede der Aufrechenbarkeit (durch den Gläubiger)

Gemäß § 770 II BGB kann der Bürge die Befriedigung des Gläubigers verweigern, solange sich der Gläubiger durch Aufrechnung gegen eine fällige Forderung des Hauptschuldners befriedigen kann.

(d) Einrede wegen anderer Gestaltungsrechte

Weiterhin kann die Einrede wegen anderer Gestaltungsrechte, zum Beispiel Minderung oder Rücktritt, gemäß § 770 I BGB analog geltend gemacht werden.

Abgrenzung der Bürgschaft vom Schuldbeitritt

Die Bürgschaft ist vom sogenannten Schuldbeitritt zu unterscheiden. Bei einem Schuldbeitritt besteht bereits eine Vertragsbeziehung zwischen einem Gläubiger und einem Schuldner. Eine dritte Person (= der Beitretende) bürgt nun nicht gegenüber dem Darlehensgeber für den Schuldner, sondern tritt unmittelbar neben den Schuldner. Der Gläubiger hat nach dem Schuldbeitritt zwei (gleichrangig nebeneinander stehende) Hauptschuldner und nicht einen (vorrangigen) Hauptschuldner sowie einen (nachrangigen) Bürgen. Der Schuldner und der Beitretende werden Gesamtschuldner im Sinne des § 421 ff. BGB.

Zu beachten ist hierbei, dass die Schuldmitübernahme grundsätzlich formfrei ist. § 766 BGB ist weder direkt noch analog anwendbar, da der Beitretende anders als der Bürge typischerweise ein eigenes unmittelbares Interesse an der Erfüllung der Verbindlichkeit hat.

Zusammenfassend:

  • Der Bürge haftet akzessorisch für fremde Schuld.
  • Der Schuldbeitritt begründet eine eigene Verbindlichkeit des Beitretenden.

Die Abgrenzung kann schwierig sein – im Zweifel ist eine Bürgschaft anzunehmen.

Anmerkung

Zu dem Thema dieses Artikels kann jederzeit ein vertiefender Crashkurs gebucht werden oder ein Coaching im Repetitorium stattfinden.

Weitere Artikel zur Bürgschaft sind der “ Wettlauf der Sicherungsgeber“ und die „Bürgschaft als Verbrauchergeschäft„.

Zur Ergänzung der Artikel über Realsicherheiten siehe auch „Schuldbeitritt und Schuldübernahme“.

Für eine Übersicht aller Beiträge und Klausurfälle siehe unter „Artikel“.

Für eine Übersicht über weitere Anspruchsgrundlagen aus dem BGB siehe „Anspruchsgrundlagen BGB“.

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