Neues Schuld- und Kaufrecht 2022

Kürzlich wurden direkt zwei europäische Richtlinien umgesetzt, die Warenkaufrichtlinie (WKRL) sowie die Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen (DIRL).

Datum
Rechtsgebiet Kaufvertrag
Ø Lesezeit 7 Minuten
Foto: Christin Hume/unsplash.com

Im Zuge dessen wurden neue Vorschriften im BGB geschaffen. Diese gelten für alle Verträge, die ab dem 01.01.2022 geschlossen wurden. Betroffen sind hier das absolut klausurrelevante Kaufrecht sowie das allgemeine Vertragsrecht. Dabei wurde die allgemeine Struktur des Schuldrechts beibehalten. Es ist somit zwar alles halb so wild, jedoch absolut notwendig, sich die neuen Regelungen zu Gemüte zu führen.

Der Artikel soll einen Überblick über die für die Klausur wichtigsten Gesetzesänderungen verschaffen.

A. Änderungen im allgemeinen Kaufrecht

Im allgemeinen Kaufrecht gibt es im Grunde drei klausurrelevante Änderungen.

I. Neuer Sachmangelbegriff (§ 434 BGB n.F.)

Der Sachmangelbegriff ist weiterhin in § 434 BGB geregelt. Neu ist dabei allerdings, dass es ab sofort kein Stufenverhältnis mehr zwischen den subjektiven und den objektiven Anforderungen sowie den Montageanforderungen gibt. Gleich geblieben ist hingegen, dass es möglich ist, von dem objektiven Beschaffenheitsbegriff abzuweichen, indem die Parteien eine negative Beschaffenheitsvereinbarung zu Lasten des Käufers vereinbaren können.

1.Subjektive Anforderungen

Die subjektiven Anforderungen finden sich zunächst in § 434 II 2 BGB n.F. Dort ist geregelt, welche Merkmale Teil einer „vereinbarten Beschaffenheit“ sind (Art, Menge, Qualität, Funktionalität, Kompatibilität, Interoperabilität und sonstige Merkmale).

2. Objektive Anforderungen

Die objektiven Anforderungen sind nun geregelt in § 434 III BGB n.F. Wenn nichts anderes vereinbart wurde, muss sich die Sache hier insbesondere für die gewöhnliche Verwendung eignen sowie eine Beschaffenheit aufweisen, die bei Sachen derselben Art üblich ist und die der Käufer erwarten kann. In § 434 III 2 BGB n.F. ist nun auch das Merkmal der Haltbarkeit genannt. Gemeint ist dabei allerdings nicht eine Haltbarkeitsgarantie. Der Verkäufer haftet vielmehr nur dafür, dass die Sache bei Gefahrübergang die Fähigkeit hat, die erforderlichen Funktionen bei normaler Verwendung zu behalten, nicht jedoch dafür, dass sie tatsächlich diese Funktionen behält.

3. Montageanforderungen

§ 434 IV BGB regelt nun die Montageanforderungen. Inhaltliche Änderungen ergeben sich dabei nicht.

II. Nacherfüllungsanspruch (§ 439 BGB)

Laut Gesetz besteht eine Kostentragungspflicht des Verkäufers nur dann, wenn der Käufer die mangelhafte Sache gemäß ihrer Art und ihrem Verwendungszweck in eine andere Sache eingebaut oder an eine andere Sache angebracht hat, „bevor der Mangel offenbar wurde“. Der Verweis auf § 442 I BGB ist hier also entfallen.

Nach § 439 V BGB hat der Käufer dem Verkäufer die Sache zum Zweck der Nacherfüllung zur Verfügung zu stellen. Dadurch soll der Verkäufer die Möglichkeit haben, die Kaufsache daraufhin zu untersuchen, ob sie tatsächlich mangelhaft ist, um ggf. die vom Käufer gewählte Nachbesserung vornehmen zu können. Bei § 439 V BGB n.F. handelt es sich um eine Rechtspflicht des Käufers. Dem Verkäufer steht also eine Einrede nach § 273 BGB gegen den Nacherfüllungsanspruch des Käufers zu. Wird die Einrede erhoben, so ist der Nacherfüllungsanspruch so lange nicht durchsetzbar, wie der Käufer dem Verkäufer die Sache vorenthält. Nach § 439 VI 2 BGB hat der Verkäufer die ersetzte Sache ferner auf seine Kosten zurückzunehmen.

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III. Lieferantenregress (§§ 445a, 445b, 445c, 478 BGB)

Im Folgenden sehen wir uns die in den §§ 445a, 445b, 445c, 478 BGB enthaltenen Regelungen des Lieferantenregresses an.

1. § 445 a BGB n.F.

Der selbständige Regressanspruch gemäß § 445a I BGB besteht künftig auch dann, wenn der vom Käufer geltend gemachte Mangel auf einer Verletzung der Aktualisierungspflicht gemäß § 475b IV BGB beruht.

2. § 445 b BGB n.F.

Neu ist hier, dass die bislang in § 445b II 2 BGB a.F. geregelte Höchstgrenze der Ablaufhemmung von fünf Jahren nach Ablieferung der Sache vom Lieferanten an den Verkäufer gestrichen wurde.

3. § 478 BGB n.F.

In § 478 II BGB finden sich Einschränkungen der Dispositivität der allgemeinen Mängelrechte des Unternehmers sowie der Regressregelungen der §§ 445a I, II, 445b, 478 I BGB, sofern es sich um einen Verbrauchsgüterkaufvertrag handelt. Der neue § 478 II 1 BGB erstreckt diese Einschränkungen der Dispositivität auf Vereinbarungen, die von den Neuregelungen in den §§ 475b, 475c BGB abweichen.

4. § 445 c BGB n.F.

Der neue § 445 c BGB bezieht sich auf die neu eingeführten §§ 327 ff. BGB und damit auf Verträge über digitale Produkte, die weiter unten noch zur Sprache kommen werden.

Änderungen im Verbrauchsgüterkaufrecht

Folgende Änderungen ergaben sich für das Verbrauchsgüterkaufrecht.

I. Anwendungsbereich

Sowohl in § 474 I BGB als auch im gesamten restlichen Verbrauchsgüterkaufrecht wurde der Begriff der „beweglichen Sache“ durch „Ware“ i.S.v. § 241a I BGB ersetzt. Nach § 241a I BGB sind „Waren“ bewegliche Sachen, die nicht auf Grund von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen oder anderen gerichtlichen Maßnahmen verkauft werden. Der Ausschlusstatbestand des § 474 II 2 BGB wurde in der neuen Fassung enger gefasst. Bisher waren die §§ 475 ff. BGB per se unanwendbar, wenn gebrauchte Sachen in einer öffentlich zugänglichen Versteigerung verkauft wurden. Ab sofort gilt dies nur unter der weiteren Voraussetzung, dass dem Verbraucher „klare und umfassende Informationen“ über die Nichtgeltung des Verbrauchsgüterkaufrechts „leicht verfügbar gemacht wurden“.

II. Anwendbare Vorschriften, § 475 BGB n.F.

Nach § 475 III 2 BGB n.F. ist im Verbrauchsgüterkaufrecht nun neben den §§ 445, 447 II BGB auch § 442 BGB unanwendbar.

§ 475 V BGB n.F. enthält nun eine ergänzende Regelung zu dem in § 439 BGB geregelten Nacherfüllungsanspruch. Wenn der Unternehmer zwar rechtzeitig nacherfüllt, dies aber mit „erheblichen Unannehmlichkeiten“ für den Verbraucher verbunden ist, so hat der Verbraucher kein Rücktritts- oder Minderungsrecht, sondern nur einen Schadensersatzanspruch nach § 280 I BGB wegen Verletzung der Pflicht aus § 475 V BGB.

§ 475 VI BGB beschäftigt sich ergänzend mit den Folgen des Rücktritts sowie des Schadensersatzes statt der Leistung. Nach § 475 VI 1 BGB hat der Unternehmer, wenn der Verbraucher zurücktritt oder Schadensersatz statt der ganzen Leistung fordert, die Kosten der Rücksendung zu tragen. Gem. § 475 VI 2 BGB hat der Verkäufer den Kaufpreis bereits dann zurückzuerstatten/Schadensersatz zu leisten, wenn der Verbraucher den Nachweis über die Rücksendung getätigt hat.

III. Sonderbestimmungen für Rücktritt und Schadensersatz, § 475d BGB n.F.

Der neue § 475 d BGB zählt Fälle auf, bei denen eine Nachfristsetzung entbehrlich ist:

  • § 475 d I Nr. 1 BGB n.F.: der Verbraucher muss sein Nacherfüllungsverlangen nicht ausdrücklich kundtun, um die Frist in Gang zu setzen
  • Wenn der Unternehmer einen Nacherfüllungsversuch unternommen hat und sich danach erneut derselbe oder auch ein anderer Mangel zeigt, § 475 d I Nr. 2 BGB n.F.; eine feste Anzahl von erfolglosen Versuchen, die abzuwarten wären, ist dabei nicht geregelt.
  • § 475 I Nr. 3 BGB n.F. lässt offen, wann es sich um einen „derart schwerwiegenden Mangel“ handelt, der einen sofortigen Rücktritt rechtfertigen würde. Hier ist eine Argumentation gefragt, die die jeweiligen Umstände des Einzelfalles berücksichtigt.
  • § 475 d I Nr. 4 BGB: Fristsetzung ist dann entbehrlich, wenn der Unternehmer die Nacherfüllung, die Kostenerstattung nach § 439 II BGB, eine fristgerechte Nacherfüllung oder eine Nacherfüllung ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher verweigert.
  • Wenn offensichtlich ist, dass der Unternehmer nicht innerhalb einer angemessenen Frist ordnungsgemäß nacherfüllen wird, ist eine Frist nach § 475 d I Nr. 5 BGB entbehrlich.

IV. Abweichende Vereinbarungen, § 476 BGB n.F.

  • Der neue § 476 I 1 BGB: Verbot haftungsbeschränkender Vereinbarungen zulasten des Verbrauchers; Verweis auf § 442 BGB wurde gestrichen
  • § 476 I 2 BGB n.F. unterstellt negative Beschaffenheitsvereinbarungen; Auflistung der Anforderungen an eine solche
  • Der neue § 476 II 2 BGB: vertragliche Verkürzung der Verjährung auf mindestens ein Jahr bei gebrauchten Waren unter denselben Bedingungen möglich wie bei einer negativen Beschaffenheitsvereinbarung
  • § 476 IV BGB n.F.: Umgehungsverbot

V. Beweislastumkehr, § 477 BGB n.F.

VI. Sonderbestimmungen für Garantien, § 479 BGB n.F.

  • Sonderbestimmungen für Garantien in § 479 BGB n.F.: Garantieerklärung ist dem Verbraucher nach § 479 II BGB auch ohne Verlangen spätestens zum Zeitpunkt der Lieferung auf einem dauerhaften Datenträger i.S.v. § 126b S. 2 BGB zur Verfügung zu stellen.
  • § 479 III BGB n.F.: gesetzliche Bestimmung des Mindestinhalts einer vom Hersteller übernommenen (selbständigen) Haltbarkeitsgarantie i.S.v. § 443 II BGB
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