Testament: Wirksamkeit & Auslegung

Das Testament: Voraussetzungen seiner Wirksamkeit (Testierfähigkeit, höchstpersönliche Errichtung, Testierwille, Form); Auslegung anhand des mutmaßlichen Willens des Erblassers (§ 133 BGB), Zulässigkeit einer ergänzenden Auslegung; Widerruf und Anfechtung des Testaments; Abgrenzung der Erbeinsetzung vom Vermächtnis

Datum
Rechtsgebiet Erbrecht
Ø Lesezeit 11 Minuten
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A. Einleitung

Verfügungen von Todes wegen sind rechtsgeschäftliche Gestaltungsmöglichkeiten eines Erblassers. Dabei hat der Erblasser zwei Optionen: Er kann einerseits durch ein Testament den oder die Erben bestimmen, ein Vermächtnis einer anderen Person zuwenden oder den Erben oder Vermächtnisnehmer durch eine Auflage zu einer Leistung verpflichten (§§ 1937- 1940 BGB) oder er kann andererseits einen Erbvertrag nach § 1941 BGB schließen. Während das Testament einseitig vom Erblasser bestimmt wird, eröffnet der Erbvertrag dem Erblasser die Möglichkeit gemeinsam mit Dritten über das Vermögen nach dem Tod zu verfügen. Im Folgenden wird die Prüfung und Auslegung von Testamenten behandelt.

B. Das Testament und seine Wirksamkeit

I. Vorrang der gewillkürten Erbfolge

Wegen des in Art. 14 I S. 1 GG garantierten Erbrechts, also eine Person nach Belieben als Erben einzusetzen, hat ein Testament gegenüber der gesetzlichen Erbfolge Vorrang.

Zur Klarstellung: Bei Erbrechtsklausuren ist es wichtig, zunächst festzustellen, ob der Erblasser eine letztwillige Verfügung getroffen hat oder nicht. Nur wenn weder ein Testament noch ein Erbvertrag vorliegt, wird nach der gesetzlichen Erbfolge geprüft (§§ 1924 ff BGB).

II. Die Prüfung im Einzelnen

1. Testierfähigkeit

Testierfähig ist, wer nach den §§ 104 ff. BGB geschäftsfähig ist. Beide Begriffe decken sich weitestgehend, allerdings nicht vollständig. So kann ein Testament nach § 2229 I BGB schon ab Vollendung des 16. Lebensjahres errichtet werden. Auch bedarf ein Minderjähriger nach § 2229 II BGB hierbei nicht der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters. Bei volljährigen Personen wird die Testierfähigkeit regelmäßig vermutet. Ist in Klausursachverhalten kein Anhaltspunkt für einen Mangel der Geschäftsfähigkeit gegeben, ist von der Testierfähigkeit auszugehen.

Praxisrelevant sind hier unter anderem die Fälle der sog. „lichten Momente“, in denen ein in seiner Geistestätigkeit immer wieder vorübergehend beeinträchtigter Erblasser ein Testament wirksam errichten kann. Denn entscheidend für die Testierfähigkeit ist jeweils nur der Moment der Testamentserrichtung. Wer sich auf die Testierunfähigkeit beruft, trägt die Beweislast (§ 2229 IV BGB).

2. Das Testament – höchstpersönliche Errichtung

Nach § 2064 BGB kann der Erblasser ein Testament nur persönlich errichten. Eine Stellvertretung nach § 164 BGB ist damit nicht möglich. Ebenso wenig kann der Erblasser lediglich einen Dritten benennen, der den Inhalt bestimmen soll (§ 2065 BGB). Abzugrenzen ist diese unzulässige Drittbestimmung von der zulässigen Drittbezeichnung. Gemeint sind hier Fälle, in denen Dritte anhand objektiver, von dem Erblasser vorgegebener Kriterien die bedachte Person bestimmen können („Mein erstgeborener Enkel soll Erbe sein“). Nach dem BGH soll es entscheidend darauf ankommen, dass Dritten kein eigener Beurteilungsspielraum zukommt und die willentliche Letztentscheidung beim Erblasser liegt.

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3. Testierwille

Der Erblasser muss mit dem Willen handeln, eine Verfügung von Todes wegen zu errichten. Bei einem mit „Testament“ oder „Mein letzter Wille“ überschriebenen Schriftstück kann in Klausuren meist unproblematisch von einem Testierwillen ausgegangen werden. Liegt der Testierwille allerdings nicht unproblematisch vor, muss dieser nach § 133 BGB nach dem mutmaßlichen Willen des Erblassers ermittelt werden. Es wird nur nach § 133 BGB ausgelegt und nicht nach §§ 133, 157 BGB. Denn § 157 BGB spricht ausdrücklich von der Auslegung von Verträgen (objektiver Empfängerhorizont). Bei der Verfügung von Todes wegen handelt es sich jedoch um eine einseitige Willenserklärung des Erblassers.

Probleme mit dem Testierwillen kann es bei bloßen Testamentsentwürfen oder Scherzerklärungen geben. Hier ist der mutmaßliche Wille zu erörtern.

4. Form

Das Testament kann in ordentlicher Form nach § 2231 BGB errichtet werden.

In Betracht kommt hier zum einen nach §§ 2231 Nr. 1, 2232 BGB die Errichtung eines öffentlichen Testaments beim Notar, die durch mündliche Erklärung oder durch Übergabe einer entsprechenden Schrift erfolgt.

Daneben besteht die Möglichkeit das Testament nach § 2231 Nr. 2 BGB durch eine vom Erblasser nach § 2247 BGB abgegebene Erklärung zu errichten (Ausnahme für Minderjährige, vgl. § 2247 IV BGB).

Ein solches privatschriftliches Testament muss nach § 2247 I BGB eigenhändig geschrieben und unterschrieben sein, sonst ist es unwirksam.

a. Eigenhändig

Eigenhändig bedeutet, dass der Schriftzug vom Erblasser persönlich gesteuert werden muss. Diese Voraussetzung ist somit nicht gegeben, wenn eine andere Person den Text schreibt. Problematisch kann die Frage sein, ob einem (von Krankheit geschwächten) Erblasser lediglich die Hand gestützt oder lenkend geführt werden darf.

b. Handgeschrieben

Handgeschrieben bedeutet „mit der Hand“ geschrieben. Maschinenschriftlich abgefasst ist das Testament also unwirksam.

c. Unterschrieben

Die Unterschrift hat zwei Funktionen, nämlich die Identitäts- und die Abschlussfunktion.

aa. Identitätsfunktion

Die Identität des Erblassers ist einfach festzustellen, wenn er mit seinem Vor- und Zunamen unterschreibt. Mit dem vollen Namen zu unterschreiben ist jedoch nicht erforderlich. Denn § 2247 III Satz 1 BGB stellt lediglich eine Soll-Vorschrift dar. (Die Unterschrift soll den Vornamen und den Familiennamen des Erblassers enthalten.)

In Klausuren wird oftmals als Problem eingebaut, dass der Erblasser beispielsweise mit „Euer Papi“ unterschreibt. Unterschreibt der Erblasser auf andere Art und Weise als mit seinem Vor- und Familiennamen und reicht diese Unterzeichnung zur Feststellung der Urheberschaft und Ernstlichkeit aus, so steht eine solche Unterzeichnung der Gültigkeit nach § 2247 III Satz 2 BGB nicht entgegen. Dies ist der Fall, wenn zweifelsfrei feststellbar ist, dass der Erblasser als Urheber identifiziert werden kann und es sich nicht nur um einen Entwurf oder eine Scherzerklärung handelt (Ernstlichkeit).

bb. Abschlussfunktion

Die Unterschrift soll die Erklärung abschließen und sie so vor nachträglichen Zusätzen und Ergänzungen schützen. Sie muss am Schluss des Textes stehen. Eine „Oberschrift“ genügt nicht. Eine Unterschrift am Rand genügt in der Regel nicht, es sei denn, dass auf der Seite kein Raum mehr war und die daneben gesetzte Unterschrift einen räumlichen Abschluss darstellt.

Lose Seiten

Problematisch sind auch Fälle, in denen ein Testament aus mehreren losen Seiten besteht. Es stellt sich die Frage, ob der Erblasser auf jeder Seite unterschreiben muss oder eine Unterschrift am Ende genügt. Hier wird angenommen, dass die Unterschrift am Ende ausreicht, wenn sich eine Zusammengehörigkeit der Blätter, etwa durch Nummerierungen der Seiten oder einen fortlaufenden Text, feststellen lässt. Es muss jedoch in jedem Fall gewährleistet sein, dass nichts zusätzlich eingefügt worden ist.

Unterschrift auf Briefumschlag

Ein weiteres Klausurproblem stellt die Unterschrift auf dem Briefumschlag dar. Hier kommt es nach der Rechtsprechung bei der Beurteilung der Gültigkeit darauf an, ob der Umschlag verschlossen oder unverschlossen ist. Bei einem unverschlossenen Umschlag ist das Testament unwirksam, da es viel zu einfach wäre, den Inhalt des Umschlags auszutauschen. Bei einem verschlossenen Umschlag wird in der Regel die Unterschrift als wirksamer Abschluss gewertet werden können.

Nachträgliche Änderungen

Grundsätzlich sollen nachträgliche Änderungen und Zusätze ebenfalls der Form des § 2247 BGB entsprechen und deshalb ebenfalls unterschrieben werden. Dies ist jedoch zweifelhaft und die Differenzierungen sind schwierig. Streichungen müssen grundsätzlich nicht unterschrieben werden. Hierbei handelt es sich um einen (beschränkten) Widerruf im Sinne des § 2255 Satz 1 Alternative 2 BGB. Anders ist dies zu beurteilen, wenn die Streichung zugleich dazu führt, dass bestehen bleibende Verfügungen inhaltlich verändert werden. So darf beispielsweise nicht der Vorerbe durch Streichung des Nacherben eine bessere Stellung erhalten. Dagegen ist es durchaus zulässig, ein Vermächtnis zu streichen. Denn bei der dadurch bedingten Erhöhung des Nachlasses handelt es sich um eine sog. Reflexwirkung, die rein wirtschaftlicher Natur ist.

d. Zeit- und Ortsangabe

Zeit- und Ortsangabe sind nach § 2247 II BGB lediglich eine Soll-Vorschrift. Enthält ein Testament keine Zeit- und Ortsangabe, hindert dies nicht die Wirksamkeit. Ausnahmsweise kann nach § 2247 V BGB etwas anderes gelten, wenn es auf die Zeit- und Ortsangabe ankommt. Das ist dann der Fall, wenn mehrere Testamente ohne Orts- und Zeitangabe vorliegen und das jüngere bestimmt werden soll. Hier können alle zulässigen Beweismittel herangezogen werden.

5. Testamentswiderruf

Aufgrund der Testierfreiheit ist ein Testament jederzeit widerruflich. Widerrufen werden kann nach § 2258 I BGB jederzeit durch ein späteres Testament oder nach § 2255 Satz 1 BGB durch Vernichtung oder Veränderung.

6. Das Testament und seine Anfechtung

Eine Anfechtung von Testamenten ist nach §§ 2078 ff. BGB möglich. Nach § 2080 I BGB ist derjenige anfechtungsberechtigt, der einen unmittelbaren Vorteil durch die Aufhebung des Testaments erlangen würde. Die Anfechtungsgründe sind ähnlich der Anfechtungsgründe nach §§ 119 ff BGB. § 2078 I BGB entspricht dem Inhalts- und Erklärungsirrtum. Auch eine Anfechtung wegen einer widerrechtlichen Drohung ist nach § 2078 II Alternative 2 BGB möglich.

Im Gegensatz zu den Anfechtungsregeln im Allgemeinen Teil des BGB ist im Erbrecht nach § 2078 II Alternative 1 BGB auch der Motivirrtum beachtlich.

7. Unwirksamkeit wegen §§ 134, 138 BGB

Testamente sind unwirksam, wenn sie gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) oder die guten Sitten nach § 138 BGB verstoßen. Eine Besonderheit stellt in diesem Zusammenhang § 14 Heimgesetz dar, der verbietet, dass der Bewohner eines (Alters-)Heims Bedienstete – mit deren Einvernehmen – als Erben einsetzt. Anders liegt der Fall, wenn der Heimmitarbeiter erst nach dem Tod des Bewohners von dem Testament und der Zuwendung Kenntnis erlangt.

C. Das Testament und seine Auslegung

I. Der mutmaßliche Wille des Erblassers, § 133 BGB

Die fundamentalste und immer als erstes zu prüfende Auslegung bei einem Testament ist es, nach § 133 BGB den wahren Willen des Erblassers zu erforschen. Abzustellen ist dabei nur auf § 133 BGB und nicht auf § 157 BGB. Denn es kommt nur auf den Willen des Erblassers und dessen Sicht an und nicht auf eine Vertragsauslegung. Damit ist nicht von Belang, wie ein Dritter das Testament versteht und auch nicht, ob der Erblasserwille vernünftig ist (also kein objektiver Empfängerhorizont). Es zählt vielmehr ausschließlich der Wille des Erblassers.

Als Zeitpunkt wird auf den Willen zur Zeit der Testamentserrichtung abgestellt. Zur Auslegung dürfen dabei alle Umstände in- und außerhalb der Urkunde herangezogen werden, um den wirklichen Willen des Erblassers zu ermitteln. Die Möglichkeiten der Auslegung sind sehr weit. Eine Grenze zieht die Rechtsprechung mit der von ihr entwickelten „Andeutungstheorie“. Nach dieser muss der wahre Wille des Erblassers im Testament zumindest angedeutet sein.

II. Die ergänzende Auslegung von Testamenten

Ist der wirkliche Wille des Erblassers nicht zu ermitteln, kann eine ergänzende Testamentsauslegung erfolgen. Auf diese Weise können Lücken im Testament geschlossen werden, die der Erblasser nicht bedacht hat. Die ergänzende Testamentsauslegung erfolgt, indem man die Frage stellt: „Was hätte der Erblasser gewollt, wenn er diese Umstände gekannt oder bedacht hätte.“

III. Das Testament: Vorrang der Auslegung vor gesetzlichen Vermutungsregelungen

Im Erbrecht finden sich viele gesetzliche Auslegungsregeln, die „im Zweifel“ gelten (vgl. etwa § 2269 BGB). Dabei handelt es sich um gesetzliche Vermutungen. Wichtig ist zu beachten, dass diese nur „im Zweifel“ gelten. Die Auslegung hat stets Vorrang, bevor auf die Zweifelsvermutung zurückgegriffen werden kann.

Auch vor der Anfechtung wegen Irrtums hat die Auslegung immer Vorrang. Denn solange der Wille einer Auslegung zugänglich ist, kann man dem Erblasser keinen Irrtum unterstellen.

 IV. Häufiger Klausurfall zum Testament und seiner Auslegung: Die Abgrenzung der Erbeinsetzung vom Vermächtnis

Oft muss in einem Testament abgegrenzt werden, ob es sich um eine Erbeinsetzung oder um ein Vermächtnis handelt.

Der Erbe folgt dem Erblasser im Wege der Universalsukzession unmittelbar nach. Er hat im Vergleich zum Vermächtnisnehmer eine starke Stellung. Indizien für eine Erbeinsetzung sind beispielsweise, wenn das Erbe den weit überwiegenden Anteil der Erbmasse ausmacht (Hauptvermögensgegenstand) und der Erbe dem Erblasser besonders nahe steht oder mit ihm verwandt ist. In der Praxis wird als Indiz der gewollten Erbenstellung oftmals die Auferlegung der Grabpflege herangezogen.

Der Vermächtnisnehmer hat demgegenüber nur eine sehr schwache Stellung und kann sein Vermächtnis nur aufgrund eines schuldrechtlichen Anspruchs vom Erben herausfordern. Indizien für die Stellung als Vermächtnisnehmer sind, dass der Wert der Sache nur einen untergeordneten Teil der Erbmasse einnimmt, und dass der Vermächtnisnehmer dem Erblasser nicht besonders nahe stand oder mit ihm verwandt war.

In Klausuren steht dann beispielsweise in einem Testament: „Meiner Schwester vermache ich mein ganzes Vermögen. Mein Bruder soll meinen Mercedes erben.“

Nun muss durch Auslegung ermittelt werden, ob die Schwester tatsächlich Vermächtnisnehmerin oder Erbin sein sollte.

Hierbei kommt es auf den mutmaßlichen Willen des Erblassers und nicht auf den Wortlaut des Testamentes an. Denn oft wird „vermachen“ und „vererben“ falsch verwendet.

Wenn der Mercedes den „Löwenanteil“ der Erbmasse ausmacht, soll wohl nach Willen des Erblassers tatsächlich der Bruder der Erbe sein. Stellt der Mercedes hingegen nur einen kleinen Teil der Erbmasse dar, soll wohl nach dem Willen des Erblassers tatsächlich die Schwester Erbin und nicht lediglich Vermächtnisnehmerin sein. Insoweit steht die Falschbezeichnung dem wahren Erblasserwillen nicht entgegen.

Weitere Begriffe, die in der Klausur eine vom Ersteller gewünschte Auslegung erkennen lassen, sind Begriffe wie: „soll erhalten“, „soll zukommen“, „soll bekommen“.

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