Vertragsschluss bei Internetauktionen

Zustandekommen von Verträgen bei Online-Auktionen unter Einbeziehung von § 156 BGB

Datum
Rechtsgebiet BGB AT
Ø Lesezeit 7 Minuten
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Fall:

Kaufmann B mit Sitz in Köln möchte einen ihm gehörenden gebrauchten Pkw der Luxusklasse (derzeitiger Marktwert etwa 50.000.- Euro) im Rahmen einer Versteigerung im Internet (Online-Auktion) veräußern. Hierzu wendet sich B an ein Auktionshaus, das seinen Kunden eine technische Plattform für solche Auktionen anbietet. Daraufhin wird die genaue Beschreibung des Pkw auf den Internet-Seiten des Auktionshauses veröffentlicht. Es wird eine Frist von einer Woche zur Abgabe von Geboten festgelegt, die am 01.Juli 2005 ablaufen soll. Nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auktionshauses, die von allen Anbietern und Kunden dieses Auktionshauses anerkannt worden sind, kann der jeweilige Anbieter während des zeitlichen Laufes der Versteigerung sein Angebot nicht mehr zurücknehmen. Allen Kunden des Auktionshauses wird die Möglichkeit eingeräumt, über das Internet Gebote abzugeben. Die Liste der abgegebenen Gebote ist im Internet abrufbar. Hierdurch läßt sich für jeden Bieter erkennen, in welcher Höhe das aktuelle Meistgebot abgegeben worden ist. Neben der zeitlichen Befristung der Abgabe von Geboten enthalten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen nur noch den Hinweis, dass für das Zustandekommen von Verträgen die Regelungen des BGB gelten.

Mit Ablauf des 01.Juli 2005 sind im konkreten Fall 963 Gebote abgegeben worden.  Das letzte und höchste Gebot hat die Krüger OHG (K) in Höhe von 26.000.- Euro abgegeben. Beim Abruf der abgegebenen Gebote am 02.Juli 2005 stellt K fest, dass sie beim Ablauf der Frist das Meistgebot abgegeben hat. K freut sich über diesen geschäftlichen Erfolg. Sie zahlt die gebotene Geldsumme nach den Vertragsbedingungen an B und verlangt die Übereignung des Pkw. B verweigert die Herausgabe des Wagens mit dem Hinweis, es sei ein Zuschlag an K nicht erfolgt. Tatsächlich übermittelt das Auktionshaus im Normalfalle dem Meistbietenden nach Ablauf der Frist ein Schreiben, worin der Zuschlag zum Ausdruck gebracht wird. Dieses Schreiben hat das Auktionshaus im konkreten Fall auf Bitten des B wegen des zu niedrigen Preises nicht versandt. K ist der Auffassung, dass es auf ein solches Schreiben nicht ankommen könne. Der Vertrag sei bereits mit Fristablauf geschlossen. Jedenfalls habe sie einen zwingenden Anspruch auf den Zuschlag, da B sein Angebot während der Versteigerung nach den Geschäftsbedingungen nicht zurückziehen konnte.

Hat K einen Anspruch auf Herausgabe des PKW gegen B ?

Lösung:

I. Anspruch aus § 433 I S.1 BGB

K könnte einen Anspruch auf Herausgabe und Übereignung des Pkw gegen B aus § 433 I S.1 BGB haben. Dann müßte ein Kaufvertrag über den Pkw zwischen K und B zustande gekommen sein.

Ein Vertrag kommt durch zwei korrespondierende Willenserklärungen, Angebot und Annahme, zustande. Die allgemeinen Regeln des BGB gelten auch für im Internet online abgegebene Erklärungen. Dies könnte sich in bezug auf die dispositiven Vorschriften auch aus den AGB des Auktionshauses ergeben. AGB können auch online anerkannt werden, wenn vom Verwender auf sie hingewiesen wurde und der Kunde die Möglichkeit hat, in zumutbarer Weise von ihnen Kenntnis zu nehmen. Vorliegend sind die AGB des Auktionshauses von allen Kunden des Auktionshauses anerkannt worden, Anhaltspunkte für Zweifel an der Wirksamkeit ihrer Einbeziehung bestehen nicht. Die AGB bilden daher die rechtliche Grundlage der Geschäfte und können auch hinsichtlich der Frage des Vertragsschlusses im Verhältnis des Anbieters zum Bieter als Auslegungsgrundlage herangezogen werden. Auch nach den AGB gelten damit die allgemeinen Regeln des BGB.

Ein Angebot von Seiten des B könnte in dem von ihm veranlassten Einstellen der genauen Beschreibung des Pkw auf die Internet-Seite des Auktionshauses zu sehen sein. Angebot und Annahme können auch per Mausklick online abgegeben werden. Dann müsste in dem Einstellen eine von entsprechendem Rechtsbindungswillen getragene Willenserklärung zu sehen sein. Der Rechtsbindungswille könnte sich hier aus der Verpflichtung des Anbieters, sein Angebot während des zeitlichen Laufes der Versteigerung nicht zurückzunehmen, ergeben. Gegen einen Rechtsbindungswillen spricht aber, dass der Anbieter bei einer Auktion nicht mit allen Interessenten, sondern nur mit einem einzigen einen Vertrag abschließen möchte. Dies deutet eher auf eine invitation ad offerendum hin. Allerdings könnte man auch argumentieren, aus dem Umstand, dass es sich um eine Auktion handelt, ergebe sich mit hinreichender Deutlichkeit, dass das Produkt nur an den Meistbietenden verkauft wird.

Zu beachten ist jedoch, dass bei privatrechtlichen Versteigerungen nach § 156 I S.1 BGB der Vertrag erst mit dem Zuschlag zustande kommt, so dass ein Angebot erst im Gebot der Bieter zu sehen wäre. Fraglich könnte sein, ob § 156 BGB auf Interent-Auktionen überhaupt anwendbar ist. Die AGB des Auktionshauses bedingen die dispositive Vorschrift nicht ab. Zweifel könnten durchaus erwachsen, dass bei Internet-Auktionen das Ende der Versteigerung üblicherweise durch den Ablauf einer bestimmten Frist festgesetzt ist, worin man dann auch den Zeitpunkt des Zustandekommens des Kaufvertrages sehen könnte. Auf einen Zuschlag käme es nicht mehr an. Es ist aber fraglich, in der Fristbestimmung eine Abbedingung des § 156 S.1 BGB zu sehen, da die Frist auch als bloßer Endzeitpunkt für die Möglichkeit der Abgabe für ein Gebot angesehen werden kann und vor allem weil die AGB explizit auf die Regeln des BGB verweisen und das Auktionshaus im Normalfall dem Meistbietenden ein Schreiben übermittelt, worin der Zuschlag zum Ausdruck gebracht wird. Soweit daher durch das Auktionshaus durch ein entsprechendes Schreiben dennoch ein Zuschlag erfolgt, kann § 156 BGB, der einzig den Vertragsschluss regelt, zur Bestimmung desselben ebenso herangezogen werden. Der Zuschlag ist dann als Annahme zu verstehen. Angebote erfolgen durch die Bieter in ihren Geboten. Die Veröffentlichung auf der Internetseite durch den Anbieter stellt einzig eine invitatio ad offerendum dar und ist folglich mangels Rechtsbindungswillens kein Angebot im Sinne des BGB. Die Klausel, nach der der Anbieter während der Versteigerung sein Angebot nicht zurückziehen kann, steht dem nicht entgegen, da eine solche Bestimmung dem Ablauf der Versteigerung selbst dient. Auf die Frage, ob ein Angebot seitens des B mangels Bestimmtheit aufgrund fehlender essentialia negotii verneint werden muss, kommt es deshalb nicht mehr an.

Daher liegt das Angebot in dem Gebot der K. Anhaltspunkte für Zweifel an der Wirksamkeit der Willenserklärung sind nicht ersichtlich. Das Angebot der K ist auch nicht durch ein höheres Gebot nach § 156 S.2 BGB erloschen. Ein Zuschlag an K ist jedoch nicht erfolgt. Ein entsprechendes Schreiben des Auktionshauses wurde nicht versandt. Wie schon gesehen ist der Vertrag auch nicht entsprechend der Auffassung der K durch Fristablauf zustande gekommen. Der Vertrag ist damit noch nicht geschlossen worden.

II. Anspruch auf Erteilung des Zuschlags

K könnte aber einen Anspruch auf Erteilung des Zuschlages haben. Eine Klage des Höchstbieters auf Leistung des Ersteigerten könnte dann wie eine Klage auf Rückzahlung des Kaufpreises im Falle erklärter Wandlung nach altem Recht dahingehend auszulegen sein, dass es dem Kläger erlaubt ist, gleich auf Erbringung der Leistung zu klagen, und die Abgabe der Willenserklärung des Beklagten, auf die der Kläger Anspruch hat, nach dem Rechtsgedanken des § 894 I ZPO fingiert wird (nach altem Recht im Rahmen der Wandlung sog. modifizierte Vertragstheorie/Theorie des richterlichen Gestaltungsaktes). Während jedoch ein Anspruch auf Wandlung nach §§ 462,465 BGB a.F. allgemein anerkannt war, wird ein Anspruch des Höchstbieters auf Erteilung des Zuschlags bei § 156 BGB allgemein verneint. Fraglich ist, ob sich hier etwas anderes daraus ergeben könnte, dass der Anbieter während der Versteigerung nach den AGB des Auktionshauses sein Angebot nicht zurücknehmen konnte. Eine solche Bestimmung dient jedoch, wie schon angemerkt, dem vollständigen Ablauf der Auktion selbst. Es ist nicht erkennbar, dass aus ihr auch ein Anspruch auf Erteilung des Zuschlages folgen soll. K hat also keinen Anspruch auf Erteilung des Zuschlages. Ein Vertrag zwischen B und K ist damit nicht zustande gekommen. Ein Anspruch des K auf Herausgabe und Übereignung des Pkw nach § 433 I S.1 BGB besteht nach den vorgetragenen Tatsachen nicht.

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Anmerkungen

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