Klagerücknahme im Zivilprozess

Zivilprozess: Abgrenzung Klageverzicht & Erledigungserklärung; Zulässigkeit & Voraussetzungen der Klagerücknahme; Rechtsfolgen, Wirkung & Kostenentscheidung

Datum
Rechtsgebiet Zivilprozessrecht
Ø Lesezeit 7 Minuten
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Einleitung

Die in § 269 ZPO geregelte Klagerücknahme stellt das prozessuale Gegenstück zur Klageerhebung nach § 253 ZPO dar und bietet dem Kläger die Möglichkeit, das Verfahren ohne Urteil zu beenden. Das Gericht entscheidet lediglich per Beschluss über die Kosten, vgl. § 269 IV ZPO.

Ein nicht zu vernachlässigender Nachteil einer Klagerücknahme ist jedoch, dass der Kläger grundsätzlich die Kosten des Verfahrens zu tragen hat, vgl. § 269 III S. 2 ZPO.

Dieser Artikel soll die Klagerücknahme näher darstellen. Sie wird zunächst zu den anderen prozessualen Möglichkeiten des Klägers einen Prozess zu beenden abgegrenzt. Anschließend werden die Zulässigkeitsvoraussetzungen und Rechtsfolgen einer wirksamen Klagerücknahme dargestellt.

1. Abgrenzung zu Klagerücknahme und Erledigungserklärung

Aufgrund des in der Einleitung bereits erwähnten Kostennachteils ist die Klagerücknahme streng von der Erledigungserklärung (§ 91 a ZPO) und dem Klageverzicht (§ 306 ZPO) zu unterscheiden:

Bei der Erledigungserklärung erklärt der Kläger den Rechtsstreit mit dem Ziel für erledigt, gegen den Beklagten eine Kostenentscheidung zu erlangen. Diese ergeht dann nach § 91 a ZPO oder – für den Fall, dass der Beklagte der Erledigung nicht zustimmt – nach 91 ZPO. Je nach Erfolgsaussichten des Begehrens sollte also abgewogen werden, ob eine Klagerücknahme oder eine Erledigungserklärung aus Kostensicht günstiger ist.

In der Praxis empfiehlt sich also die Klagerücknahme für die Fälle, in denen die Klage sich als von Anfang an unzulässig oder unbegründet herausstellt. Dies ist für den Kläger in der Regel der kostengünstigste Weg, das Verfahren schnell zu beenden, ohne sich dabei die Möglichkeit zu nehmen, die Klage zu einem späteren Zeitpunkt erneut (beispielsweise mit besseren Beweisangeboten ober überzeugenderen Argumenten) einzureichen.

Ist der Kläger hingegen der Meinung, die Klage sei durch ein nach Klageerhebung eingetretenes Ereignis unzulässig oder unbegründet geworden, stellt die Erledigungserklärung die bessere Alternative dar, den Prozess zu beenden. Unter Umständen muss dann nämlich der Beklagte die Kosten tragen, vgl. §§ 91, 91 a ZPO.

Beim Klageverzicht gilt das gleiche, auch hier bemisst sich die Kostenentscheidung nach § 91 ZPO.

2. Zulässigkeit und Voraussetzungen der Klagerücknahme

a. Die Klagerücknahme kann sich entweder auf den ganze Verfahrensgegenstand beziehen oder auf einen Teil davon. Eine Teilrücknahme ist dabei als Beschränkung des Klagegegenstandes im Sinne von § 264 Nr. 2 ZPO zu verstehen, vgl. Thomas Putzo, ZPO Kommentar (35. Auflage), § 269 Rn. 3. b. Zulässig ist die Klagerücknahme ab Einreichung der Klageschrift bis zur Beendigung der Rechtshängigkeit. Unerheblich ist dabei, ob die ursprünglich eingereichte Klage zulässig war oder nicht und ob die Klage dem Gegner bereits zugestellt wurde oder nicht, vgl. ThP § 269 Rn. 4. c. Die Rücknahme muss vom Kläger erklärt werden, vgl. § 269 II S. 1 ZPO, und stellt somit eine Prozesshandlung dar. Dabei muss die Erklärung nicht unbedingt ausdrücklich erfolgen, erforderlich ist aber in jedem Fall, dass sie eindeutig und unzweifelhaft ist, vgl. ThP § 269 Rn. 6. Die Rücknahme kann entweder mündlich in der Verhandlung oder durch Schriftsatz an das Gericht erfolgen. Es müssen alle Prozessführungsvoraussetzungen vorliegen. Zu beachten ist diesbezüglich vor allem § 78 I ZPO (Anwaltszwang vor dem Landgericht und höheren Instanzen). d. Bis zu Beginn der mündlichen Verhandlung ist die Rücknahme ohne Zustimmung des Beklagten möglich, vgl. § 269 I ZPO. e. Mit Beginn der mündlichen Verhandlung wird die Einwilligung des Beklagten erforderlich. Grund hierfür ist, dass dieser mit Verhandeln zur Hauptsache ein Recht auf Erlangung eines Urteils erhält, ein solches aber bei einer Klagerücknahme gerade nicht fällt (vgl. oben). Auch die Einwilligungserklärung des Beklagten stellt eine Prozesshandlung dar und kann entweder mündlich oder durch Schriftsatz (dieser ist dem Beklagten dann gem. § 269 II S.3 ZPO zuzustellen) erfolgen. Es gelten diesbezüglich die selben Voraussetzungen wie unter Punkt c. bzgl. der Rücknahmeerklärung des Klägers. Beantragt der Kläger jedoch stattdessen Klageabweisung, so ist darunter eine Verweigerung der Einwilligung zu verstehen, vgl. ThP § 269 Rn. 10. Die Einwilligung kann für den Fall, dass der Kläger die Klagerücknahme durch Schriftsatz erklärt, auch fingiert werden, vgl. § 269 II S. 4 ZPO: Widerspricht der Beklagte der Zurücknahme der Klage nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit Zustellung des Schriftsatzes, so gilt seine Einwilligung als erteilt. Zwingende Voraussetzung ist jedoch, dass er auf diese Folge hingewiesen wurde. f. Die Klagerücknahme ist bedingungsfeindlich und unwiderruflich, vgl. BSG MDR 75, 349.

3. Rechtsfolgen der Klagerücknahme

Wie bereits zu Anfang des Artikels erwähnt, beendet die Klagerücknahme unmittelbar das Verfahren, vgl. § 269 III S. 1 ZPO. Gem. § 269 III S. 3 ZPO erlischt die Rechtshängigkeit rückwirkend und versetzt Kläger und Beklagten in den Zustand, als wäre die Klage nie erhoben worden (vgl. BGH NJW 86, 2318). Die gesetzlichen Rechtsfolgen (wie z.B. die Kostenentscheidung) werden gem. § 269 IV ZPO auf Antrag vom Gericht durch Beschluss festgestellt.

a. Wirkung der Klagerücknahme

Die Klagerücknahme wirkt nur prozessual. Gemäß § 269 VI ZPO kann der Kläger den Streitgegenstand jederzeit erneut einklagen. Der Beklagte kann jedoch die Einlassung auf die neue Klage verweigern (= Einrede), bis ihm die Kosten des alten, zurückgenommenen Verfahrens erstattet worden sind, vgl. § 269 VI letzter HS ZPO.

b. Die Kostenentscheidung

aa. Kostentragungspflicht des Kläger

Grundsätzlich trägt bei einer Klagerücknahme der Kläger (der die Klage zurücknimmt) das Kostenrisiko, vgl. § 269 III S. 2 HS. 1 ZPO.

Der Beklagte hingegen hat die Kosten zu tragen, wenn sie ihm „aus einem anderen Grund“ aufzuerlegen sind oder ihm bereits rechtskräftig aufgelegt wurden, vgl. § 269 III S. 2 HS 2 ZPO. Einen anderen Grund in diesem Sinne stellt z. B. eine Säumnis bei der Verhandlung dar, vgl. BGH NJW 2004, 2309. Jura Individuell Tipp: § 344 ZPO (Versäumniskosten) als Gedächtnisstütze über die Worte „anderen Grund“ kommentieren.

Auch eine Rolle spielen kann hier § 281 III ZPO (Kosten, die durch Anrufung eines unzuständigen Gerichts und Verweisung entstanden sind).

bb.Kostenentscheidung nach billigem Ermessen

Nach § 269 III S. 3 ZPO kann die Kostenentscheidung auch nach billigem Ermessen getroffen werden, wenn der Anlass zur Einreichung der Klage vor Rechtshängigkeit wegfällt und die Klage deshalb zurückgenommen wird. Beispiel: K reicht am 16.10. Zahlungsklage gegen B ein. Noch bevor die Klage zugestellt wird (somit vor Rechtshängigkeit), zahlt B, worauf die Klage unbegründet wird. K nimmt daraufhin die Klage zurück. In diesem Fall wäre es unbillig dem K, dessen Klage zunächst begründet scheint, die vollen Kosten nur wegen der Klagerücknahme aufzubürden.

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cc. Kosten bei Teilrücknahme

Erfolgt nur eine Teilrücknahme, ergeht ein Urteil. In den Urteilsgründen ist festzuhalten, bzgl. welchen Teils die Klage zurückgenommen wurde. Die Kostenentscheidung darüber gehört dann ebenfalls in die Kostenentscheidung des Urteils, da ein Teilkostenbeschluss unzulässig ist.

c. Streit über wirksame Klagerücknahme

Entsteht zwischen den Parteien dahingehend Streit, ob die Klagerücknahme wirksam ist, muss das Gericht hierüber eine Entscheidung treffen. aa. Kommt es zu dem Entschluss, dass die Klagerücknahme wirksam ist, so ergeht ein Beschluss nach § 269 IV ZPO. bb. Ist es der Meinung, die Klagerücknahme sei unzulässig oder unwirksam, so ergeht ein ganz normales Endurteil. Dabei ist die Klagerücknahme im Rahmen des Tatbestandes in der Prozessgeschichte zu erwähnen. Die Begründung der unzulässigen/unwirksamen Rücknahme ist in den Entscheidungsgründen darzustellen.

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