Die Anfechtungsklage, § 42 I Alt. 1 VwGO

Aufbau der Anfechtungsklage in der Klausur; Tenorierung im Urteil

Datum
Rechtsgebiet Verwaltungsprozessrecht
Ø Lesezeit 5 Minuten
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Die Anfechtungsklage stellt die Standardklage im Verwaltungsprozessrecht dar und spielt sowohl in ersten verwaltungsrechtlichen Klausuren bis hin zu den beiden Staatsexamen eine wichtige Rolle. Sie ist eine Gestaltungsklage, was heißt, dass sie gemäß § 42 I Alt. 1 VwGO auf die Aufhebung eines Verwaltungsakts abzielt.

A. Sachurteilsvoraussetzungen

I. Verwaltungsrechtswegseröffnung, § 40 I 1 VwGO

Der Verwaltungsrechtsweg ist eröffnet, wenn es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art ohne Sonderzuweisung handelt, § 40 I 1 VwGO.

Jura Individuell-Tipp: In aller Regel ist die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs unproblematisch gegeben und kann kurz mit den gängigen Theorien abgehandelt werden. Ausnahmen kann es v. a. im Polizeirecht bei der Abgrenzung von repressiven und präventiven Maßnahmen geben. Die wichtigsten Fälle der Abgrenzung zwischen den Verwaltungs- und Strafgerichten werden von § 23 EGGVG erfasst.

II. Zuständigkeit des Gerichts, §§ 45, 52 VwGO

Die sachliche Zuständigkeit richtet sich nach § 45 VwGO und die örtliche nach § 52 Nr. 1 bis 5 VwGO.

B. Zulässigkeit der Anfechtungsklage

I. Statthaftigkeit, § 42 I Alt. 1 VwGO

Die Anfechtungsklage ist statthaft, wenn der Kläger die Aufhebung (ganz oder teilweise) eines ihn belastenden Verwaltungsaktes (§ 35 S. 1 VwVfG) begehrt.

II. Klagebefugnis, § 42 II VwGO

Klagebefugt ist, wer möglicherweise (Möglichkeitstheorie) in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt ist. Speziell bei der Anfechtungsklage ergibt sich eine mögliche Rechtsverletzung zumindest aus Art. 2 I GG (Adressatentheorie).

Jura Individuell-Tipp: Adressatentheorie immer gemeinsam mit Art. 2 I GG nennen, da sich eine Rechtsverletzung nicht nach einer Theorie, sondern nur aus dem Gesetz ergibt.

III. Ordnungsgemäßes Widerspruchsverfahren, §§ 68 ff. VwGO

Grundsätzlich ist vor Klageerhebung ein Widerspruchsverfahren gemäß §§ 68 ff. VwGO durchzuführen. In einigen Bundesländern (u.a. Bayern) entfällt das Widerspruchsverfahren (z.B. Art. 15 I, II BayAGVwGO für Bayern) jedoch und ist nur in wenigen fakultativen Fällen von Bedeutung.

 IV. Klagefrist, §§ 74 I 2, 58 II VwGO

Die Anfechtungsklage gegen Verwaltungsakte beträgt nach § 74 I 2 VwGO bei ordnungsgemäßer Rechtsbehelfsbelehrung (vgl. § 58 I VwGO) einen Monat. Unterbleibt eine solche, gilt gemäß § 58 II VwGO die Jahresfrist. Die Klagefrist berechnet sich nach § 57 II VwGO in Verbindung mit §§ 222 I ZPO, 187 I, 188 II BGB. Fällt das Fristende auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag, endet die Frist nach § 222 II ZPO am darauf folgenden Werktag.

Welche Tage allgemeine Feiertage sind, bestimmt sich nach Bundes- und dem Landesrecht, in dem das für die Klage zuständige Gericht seinen Sitz hat. (Achtung: In einem bayerischen Examenstermin wurde das Fristende auf den 8. August in Augsburg  gesetzt, welcher einzig und allein im bayerischen Augsburg ein Feiertag ist.)

V. Beteiligten- und Prozessfähigkeit, §§ 61, 62 VwGO

Die Beteiligten- und Prozessfähigkeit bestimmt nach §§ 61, 62 VwGO.

Jura Individuell-Tipp: Dieser Punkt ist in der Regel kurz anzusprechen und nur zu problematisieren, wenn sich im Sachverhalt Hinweise ergeben.

C. Begründetheit der Anfechtungsklage

Wichtig ist stets, den Obersatz korrekt zu formulieren, da dieser die Begründetheit einleitet und die Prüfungsreihenfolge vorgibt.

Obersatz:

Die Anfechtungsklage ist begründet, soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, § 113 I 1 VwGO.

Obersatz alternativ bei Widerspruchsbescheid:

Die Anfechtungsklage ist begründet, soweit der Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid erhalten hat (§ 79 I Nr. 1 VwGO), rechtswidrig ist und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, § 113 I 1 VwGO.

1. Passivlegitimation, § 78 VwGO

Die Klage ist grundsätzlich gegen den Rechtsträger, nicht gegen die Behörde zu richten (sog. Rechtsträgerprinzip), § 78 I Nr. 1 VwGO. Ausnahmsweise können die Bundesländer durch Landesrecht (Verordnung genügt) nach § 78 I Nr. 2 VwGO bestimmen, dass die Klage gegen die zuständige Behörde selbst zu richten. (Kopp/Schenke, VwGO, 20. Auflage 2014, § 80 Rn. 3, 10)

2. Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes

a) Rechtsgrundlage des VA

Zunächst wird eine Rechtsgrundlage/Befugnisnorm benötigt, auf die die Behörde ihr Handeln stützen kann. Diese kann entweder im Sachverhalt angegeben sein oder muss vom Bearbeiter dem entsprechenden Rechtsgebiet entnommen werden. Diese Norm muss dann im Folgenden konsequent anhand der untenstehenden Gliederungspunkte geprüft werden.

b) Formelle Rechtmäßigkeit

aa) Zuständigkeit

Die handelnde Behörde muss zuständig sein. Sofern eine Landesbehörde handelt, sind die spezifischen landesrechtlichen Vorschriften anzuwenden.

bb) Verfahren

Beim Verfahren ist in erster Linie die Anhörung nach § 28 I VwVfG zu prüfen. Zu beachten ist dabei, dass eine unterbliebene Anhörung bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz noch nachgeholt und damit geheilt werden kann, § 45 I Nr. 3 VwVfG.

cc) Form

Grundsätzlich bedarf nach § 39 I 1 VwVfG ein schriftlicher Verwaltungsakt einer Begründung. Ausnahmen hiervon können sich aus § 39 II Nr. 1 bis 5 VwVfG ergeben.

Achtung: Vorliegend wurden die Normen des BundesVwVfG herangezogen. Bei landesrechtlichen Sachverhalten sind jedoch stets die länderspezifischen Normen zu zitieren, die meist entsprechend der bundesgesetzlichen Regelung gestaltet sind.

c) Materielle Rechtmäßigkeit

aa) Subsumtion der Rechtsgrundlage

Der Sachverhalt muss unter die gesetzlichen Voraussetzungen der Rechtsgrundlage subsumiert werden, auf die sich der Verwaltungsakt stützt. Ist nur eine Voraussetzung nicht erfüllt, ist bereits deshalb der Verwaltungsakt materiell rechtswidrig.

bb) Fehlerfreie Rechtsfolgenentscheidung, § 114 VwGO

Über die Rechtsfolgen muss fehlerfrei entschieden werden. Es ist zwischen Ermessens– und gebundenen Entscheidungen zu differenzieren.

Welche Entscheidung zu ergehen hat, ist dem Gesetzeswortlaut zu entnehmen: „Soll-Vorschriften“ ziehen eine Ermessensentscheidung mit sich (sog. „intendiertes Ermessen“), während Vorschriften mit strikten Anweisungen an die Behörde, die durch „hat“ oder „ist“ gekennzeichnet sind, eine gebundene Entscheidung darstellen.

Bei Ermessensentscheidungen ist eine Ermessensprüfung durchzuführen. Eine Grenze stellt das verfassungsmäßig geschützte Prinzip der Verhältnismäßigkeit dar.

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3. Rechtsverletzung

Bei einem belastenden Verwaltungsakt wird durch die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes (in der Regel) die Rechtsverletzung des Klägers indiziert.

D. Tenorierung für das 2. Staatsexamen

Im Folgenden werden Tenorierungskonstellationen dargestellt, wobei auf die Kostengrundentscheidung, die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Entscheidung über die Zulassung der Berufung verzichtet wird.

  1. Das Gericht hält den Bescheid für rechtmäßig.

Tenor: „Die Klage wird abgewiesen.“

  1. Das Gericht hebt den Bescheid (vollständig) auf.

Tenor: „Der Bescheid des (…) vom (…) wird aufgehoben.“

  1. Das Gericht hebt den Bescheid teilweise auf.

Tenor: „Der Bescheid des (…) vom (…) wird insoweit aufgehoben, als (…). Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

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