Arbeitslosengeld nach Referendariat

Unter welchen Voraussetzungen kann Arbeitslosengeld nach dem Referendariat bezogen werden? Zulässigkeit von Nebenverdiensten, Freibeträge

Datum
Rechtsgebiet Rechtsreferendariat
Ø Lesezeit 8 Minuten
Foto: nitpicker/Shutterstock.com

Volljurist und nun? Der Pilgerweg über die Bundesagentur für Arbeit:

Die Assessorklausuren sind erfolgreich geschrieben und mit dem Bestehen der mündlichen Prüfung ist der Volljurist in der Tasche… Und jetzt? Großkanzlei, Richterposten, Staatsanwaltschaft, freie Wirtschaft, Verwaltung?

Bevor der Sprung ins erfolgreiche Berufsleben gelingt, finden wir uns schnell erstmal auf dem Boden der Tatsachen und damit häufig auch auf der Liste der Bundesagentur für Arbeit (BA) wieder.

I. Unterhaltsbeihilfe ist Arbeitsentgelt

Die recht erfreuliche Nachricht ist, dass aus dem Referendarsverhältnis ausgeschiedene Referendare berechtigt sind, Arbeitslosengeld zu empfangen, da sie die erforderliche Anwartschaftszeit von mindestens zwölf Monaten (vgl. § 142 SGB III) erfüllen und es sich auch bei der Unterhaltsbeihilfe während des Ausbildungsverhältnisses anhand der Definition des § 14 SGB IV um Arbeitsentgelt handelt. Danach sind Arbeitsentgelte alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung – gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht – unter welcher Beziehung oder Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden (§ 14 Abs. 1 1 SGB IV).

II. Vorzeitige Arbeitssuchendmeldung

Um auch rechtzeitig auf der Liste der Bundesagentur zu landen und eine Unterstützung beziehen zu können, ist es erforderlich, sich noch während der Referendarszeit vorzeitig arbeitssuchend zu melden. Insoweit will die Arbeitslosigkeit entsprechend gut vorbereitet sein. Die zeitige Arbeitssuchendmeldung ist sogar eine Obliegenheit nach § 38 SGB III, deren Nichteinhaltung mit einer Sperrzeit abgemahnt wird. Der Hintergrund liegt auf der Hand. Durch eine frühe Arbeitssuchendmeldung soll die Kandidatin oder der Kandidat zeitig auf den Markt gebracht werden, um ihn möglichst schnell zu vermitteln und den Eintritt des Versicherungsfalles der Arbeitslosigkeit möglichst zu verhindern oder kurz zu halten.

Insoweit ist es zu empfehlen, rund drei Monate vor dem Termin zur mündlichen Prüfung die Arbeitssuchendmeldung vorzunehmen. Hervorgehoben sei hier, dass an dieser Stelle noch nicht das persönliche Vorsprechen geschuldet ist. Vielmehr ist bei der Arbeitssuchendmeldung – im Gegensatz zur später folgenden Arbeitslosmeldung – der Kontakt via Internetseite (www.arbeitsagentur.de) oder gar via Telefon völlig ausreichend. Ein Lebenslauf, der die bisherigen Stationen des Ausbildungslebens wiedergibt, der Personalausweis und die Sozialversicherungsnummer sollten in beiden Fällen vorgehalten werden, um die Erfassung der eigenen Daten zu beschleunigen. Nun haben wir uns rechtzeitig und verantwortungsvoll bei der Arbeitsagentur für Arbeit arbeitssuchend gemeldet und der Austritt aus dem Ausbildungsverhältnis steht ebenso wie die mündliche Prüfung vor der Tür. Wie geht es nun weiter?

III. Persönliche Arbeitslosmeldung nach der mündlichen Prüfung

Das öffentlich-rechtliche Ausbildungsverhältnis endet spätestens mit der Verkündung der Entscheidung über das Bestehen der Prüfung, die nach dem normalen Gang der Dinge im Anschluss an die mündliche Prüfung getroffen wird. Mit dem Ausscheiden entfällt nach dem jeweiligen Juristenausbildungsgesetz des Landes (JAG) der Anspruch auf Unterhaltsbeihilfe, sodass grundsätzlich ein Anspruch auf Arbeitslosengeld besteht.

Jetzt gilt es zeitnah bei der Agentur für Arbeit aufzuschlagen, um sich neben der Arbeitssuchendmeldung auch persönlich arbeitslos zu melden und das erste Vermittlungsgespräch wahrzunehmen. Die Arbeitslosmeldung hat (spätestens) am 1. Tag der Arbeitslosigkeit zu erfolgen, also in aller Regel am Tag nach der mündlichen Prüfung.

Im Rahmen des ersten Vermittlungsgespräches, welches ca. 1-3 Wochen nach der Arbeitslosmeldung stattfindet, wird zunächst durch den zuständigen Sachbearbeiter abgefragt, wie die berufliche Zukunft aussehen soll. Der Sachbearbeiter wird die Angebote der BA vorstellen und ist verpflichtet, Vermittlungsvorschläge zu unterbreiten (§§ 1 Abs. 1 S.2, 35 SGB III), wobei er sich bemühen wird, den persönlichen Wünschen Rechnung zu tragen. Es ist ratsam, sich zu diesem Zeitpunkt bereits beworben zu haben oder aber es zeitnah tuen zu wollen (z.B. wenn der Richterdienst angestrebt wird und die erforderliche Note mit der mündlichen Prüfung erreicht wurde).

Jura Individuell Tipp – Bewerbungs- und Reisekostenerstattung:

Übrigens: Bewerbungs- und Reisekosten können nach § 45 SGB III i.V.m. § 3 UBV-AnO auf gesonderten Antrag erstattet werden. Der Antrag auf Erstattung der Reisekosten ist gesondert vom Antrag auf Erstattung der Bewerbungskosten zu stellen. Für jede schriftliche Bewerbung oder mittlerweile auch jede Online Bewerbung wird ein Pauschalbetrag von 5 Euro erstattet (vgl. § 45 S. 1 Nr. 1 SGB III i.V.m § 3 UBV-AnO). Keine Pauschalierung besteht bei der Reisekostenerstattung. Doch ist für eine Erstattung der Reisekosten Voraussetzung, dass der potentielle Arbeitgeber seiner Kostenübernahmepflicht aus §§ 670, 683 BGB nicht nachgekommen ist. Inwieweit der Nachweis der Nichtleistung zu erbringen ist, sollte mit der Arbeitsagentur abgeklärt werden.

IV. Auszahlungshöhe des Arbeitslosengeldes

Und auf welche Zahlungshöhe dürfen wir uns einstellen? Das Arbeitslosengeld wird anhand des letzten Nettoeinkommens berechnet und beträgt in der Regel 60 Prozent vom Nettoeinkommen.

Das Rechenprogramm der BA bietet uns die Möglichkeit, den Betrag exakt zu berechnen (www.pub.arbeitsamt.de/selbst.php). Je nach Höhe der Unterhaltsbeihilfe, die von Bundesland zu Bundesland variiert und auch von etwaiger Zusatzvergütung während der Anwalt-/Wahlstation, beläuft sich der Betrag auf rund 500,00 Euro, was keine großen Sprünge zulässt. Insoweit schließt sich die Folgefrage an, inwieweit Nebeneinkünfte erlaubt sind.

IV. Nebeneinkünfte während der Bezugsdauer von Arbeitslosengeld

Bezüglich der Nebeneinkünfte gibt es eine zeitliche Grenze und eine Wertgrenze, die alternativ zueinander gelten.

1. Zeitliche Limitierung

Hinsichtlich der Nebeneinkünfte gilt der zeitliche Grundsatz, dass ab einer Arbeitsleistung von über 15 Wochenstunden – nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuches – eine Einstufung als „arbeitslos“ nicht mehr vorgenommen werden kann. Damit geht nach § 138 Abs. 3 SGB III der Anspruch auf Arbeitslosengeld verloren.

2. Limitierung durch Wertgrenze

Zum anderen sind die Nebeneinkünfte durch eine Wertgrenze limitiert. Der Freibetrag liegt gemäß § 155 Abs. 1 S. 1 SGB III derzeit bei 165 Euro. Das bedeutet, dass bis zu einem Nebenverdienst von 165 Euro keine Abzüge erfolgen. Bei einem darüber hinaus liegenden Verdienst wird das Arbeitslosengeld um die Summe gekürzt, die den Freibetrag übersteigt.

Bei selbständiger Tätigkeit dürfen 30 Prozent der Einnahmen als Betriebsausgaben geltend gemacht werden – es sei denn, der Arbeitslose weist gemäß § 155 Abs. 1 a.E. SGB III höhere Ausgaben nach. Nach Abzug dieser findet auch hier erst eine Anrechnung bei Übersteigen des Freibetrages von 165 Euro statt.

3. Sonderfall „520 Euro Jobs“

Achtung aufgehorcht! Einen Sonderfall gibt es bei Minijobs auf 520 Euro Basis. Bei den sogenannten Minijobs findet gemäß § 155 Abs. 2 i.V.m § 138 Abs. 3 SGB III keine Anrechnung statt, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind: Der Minijob muss für mindestens zwölf Monate innerhalb von 18 Monaten vor der Arbeitslosigkeit ausgeführt worden sein. Insoweit profitieren diejenigen, die schon während des Referendariats konstant gejobbt haben.

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V. Sonderproblem: Fortzahlung der Unterhaltsbeihilfe nach Ausscheiden aus dem Referendarsverhältnis

Gesetzlich ist eine taggenaue Abrechnung der Unterhaltsbeihilfe Pflicht, um Überschneidungen zu vermeiden. In einigen Bundesländern, insbesondere in Nordrhein-Westfahlen, häufen sich jedoch die Fälle, in denen die abrechnenden Stellen den Aufwand der taggenauen Abrechnung scheuen und während des gesamten Examensmonats – trotz des Ausscheidens aus dem Ausbildungsverhältnis – die (gesamte) Beihilfe leisten. Dies hat häufig zur Folge, dass der frisch gebackene Volljurist sowohl Unterhaltsbeihilfe als auch Arbeitslosengeld erhält.

Daran schließt sich die Frage an, ob die Bundesagentur das im Examensmonat gezahlte Arbeitslosengeld zurückfordern kann.

Vorstufe der Rückforderung ist ein Verwaltungsakt (§ 31 SGB X ) der Bundesagentur, in dem sie das Ruhen des Arbeitslosengeldes feststellt.

Grundlage hierfür ist § 157 Abs. 1 SGB III. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht gemäß § 157 Abs. 1 SGB III, während Arbeitsentgelt (darunter auch die Unterhaltsbeihilfe) gezahlt wird (Var.1) oder dieses vom Antragsteller beansprucht werden kann (Var.2).

Der Ausschlusstatbestand der Var.2 des § 157 Abs. 1 SGB III („Arbeitslosengeld beanspruchen kann“) scheitert daran, dass der Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach dem Juristenausbildungsgesetz (JAG) mit der Bekanntgabe des Bestehens der mündlichen Prüfung untergeht.

Wir bewegen uns damit allein innerhalb des ersten Ausschlusstatbestandes, der Var. 1 des 157 Abs. 1 SGB III („Arbeitsentgelt erhalten“).

Kritisch zu beurteilen ist, ob es sich bei den Zahlungen nach Beendigung des Referendardienstes noch um „Arbeitsentgelt“ handelt. Das Bundessozialgericht versteht unter Anlehnung an § 14 SGB IV unter Arbeitsentgelt die Gesamtheit aller Einnahmen auf Bruttobasis, die dem Beschäftigten (§ 7 SGB IV) in synallagmatischem oder inneren Zusammenhang mit seiner Tätigkeit zufließen oder zumindest geschuldet werden (vgl. BDG SozR 3-2400 § 14 Nr. 16; Hauck/Noftz/Klattenhoff, SGB IV 2014, § 14 Rn. 1-8).

„Im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit“ fließen die Zahlungen seitens der Abrechnungsstellen dem Begünstigten gerade nicht zu, da diese bereits beendet ist. Insoweit ist die Kategorisierung unter dem „verwaltungsinternen Geschenk“ nicht fernliegend (gleicher Ansicht und vertiefend Schlager/Lenger in JuS-Magazin 2/2007).

Insoweit kann sich ein Widerspruch gegen den Feststellungsbescheid des Ruhens und gegen den darauffolgenden Rückforderungsbescheid durchaus lohnen. Ist die Widerspruchsfrist abgelaufen, kann mithilfe eines Antrages nach § 44 SGB X das sogenannte Zugunstenverfahren eingeleitet werden.

Viel Erfolg im weiteren Berufsleben.

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